Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

Armnmer 33 
n. den 17. Auaust 1929 
Mos Esssss'⸗Ro7M 
91 2 
Organ des Gewerkvereins christl. Vergarbeiter Deutschlanos für das Saargebiet 
Eescheint jeden Samstag far die Mitglleder gtatis. — Für wirtschaftliche u. geistige Hebung enee des 38 ——7 
des Beraarbeiterstandes ¶ äα 
Aus Opfern wuchs oder Erfolg 
NRede von Reichsarbo⸗oitaminister De. Brauns in St. Ingbert 
Glückauf! Meine lieben Bergleute! Ich danke das hat die Vorkriegszeit vergessen oder übersehen Das entspricht dem Gedanken der Selbstverwaltung 
ihnen recht herzlich für die freundliche Begrüßung Uebersehen haben das auch die Arbeitgeber oder der immer mehr zur Geltung kommen muß. Gegen⸗ 
die mir umendlich viel Freude gemacht hat. Doch vielleicht übersehen wollen. Auch die Behörden haben über früher ist das etwas Unerhörtes. Das ist nakür⸗ 
hierbei will ich nicht verweilen, da die Feier des heu- das übersehen. Der größte Fortschritt heute ist, daß lich ohne Kampf nicht abgegangen. Wir haben eine 
ligen Tages ihnen gilt, den christlichen Bergleuten das neue Arbeitsrecht nicht bloß auf dem Papiere richtige Arbeitsmarktpolitik getrieben, als der Ar—⸗ 
an der Saar. Wenn heute ein Gewerkverein christ- steht, sondern auch praktisch gilt und von den Be veitsnachweis für das ganze Reich geschaffen wurde 
licher Bergarbeiter jubiliert, dann heißt das, daß er rörden durchgeführt wird. und die Umschulungsmöglichkeit, wodurch es Zehn—⸗ 
por dem Kriege gegründet wurde, was damals nicht“ Der Artikel 165 der Reichsverfassung ist der kausenden von ehemaligen Bergleuten ermöglicht 
leicht war. Die heutige Generation kann sich von grojze Freiheitsbrief der Gewerkjchasisbewegung. wurde, in anderen Berufen Unterkommen zu finden, 
den damaligen Schwierigkeiten kein richtiges Bild zn diesen Artikel steht drin, daf 7 Ru⸗ 'owie durch die Sicherung einer Arbeitslosenunter— 
mehr maͤchen. Es war serst recht nicht leicht, den ——— * e m erese tützung, wenn die Leute keine Arbeit finden konn— 
hewertverein an der Saar ins Leben zu rufen. Der ren echt. a er Lristenʒ r utg ih a. ten. Was haben wir damit getan Mir haben do 
Rame Saar hatte immer eine besondere Bedeutung Fiy * ge eee gelos perden so an 
und einen besonderen Klang gehabt, sowohl vor, als,2 d er Gewerlichaftagbheweaung und mit ihrer Mit 
uch nach dem Kriege. Dieser Klang war nicht in wirkuna 
jeder Beziehung erfreulich. Umso erfreulicher ist aber, 
daß es gelang, den Gewerkverein an der Saar ins 
Leben zu rufen. Das war mit großen Schwierig- 
keiten verbunden, die aber überwunden wurden 
Wenn der Gewerkverein heute an der Saar 34000 
Mitglieder zählt, dann können sie darauf mit Recht 
stolz sein. Darum, meine lieben Freunde, von gan— 
sem Herzen einen aufrichtigen Glückwunsch zu die— 
em großen Erfolge! Er gilt zunächst all den Vete 
ranen, von denen schon ein großer Teil dahinge— 
zangen ist. Das Werk, das sie geschaffen haben 
besitzt Ewigkeitswert. 
Sodann gilt der Glückwunsch der Zentrale des 
FGewerkvereins, die immer mit großem Interesse an 
ihrer Entwicklung Anteil genommen hat. Ich kann' 
das aus eigener Kenntnis der Dinge bezeugen. Der 
Glückwunsch gilt aber auch all den örtlichen Füh— 
rern und Vertrauensleuten, er gilt ihrer Bezirks— 
leitung, vor allem denen, die an der Spitze stehen 
und ihnen dienen — sei es mit der Feder, sei es 
in Wort und Schrift — in erster Linie ihrem er— 
folgreichen Bezirksleiter Kuhnen. 
Von den Besonderheiten der Saarlage von heute 
wollen wir absehen. Wir alle sehen darin 
nur eine Episode. 
Sie wird und muß vorübergehen, wir werden wie 
der eins werden in jeder Hinsicht mit dem deutschen 
Vaterland und der ganzen christlichnatfionalen Ar 
beiterbewegung. 
In diesem Zusammenhang will ich ein Wort von 
den Gesamterfsolgen dieser Bewegung sagen; denn 
diesen Erfolgen verdanken sie auch die ihrigen, von 
denen ihr Revierleiter Kuhnen soeben gesprochen hat. 
Wäre es jenseits des Rheines nicht in dem Tempo 
vporwärts gegangen, wie es geschehen ist, dann hätten 
sie auch hier unmöglich die Erfolge verzeichnen können 
Der Siegeslauf der Arbeiterbewegung 
ist gekennzeichnet durch ein neues Arbeitsrecht. Sozial⸗ 
politik haben wir auch früher getrieben. Wir haben 
Versicherungen gegründet und in Arbeiterschutz ge— 
macht. Die frühere Generation hat aber trotzdem 
dem Arbeiter nicht sein Recht gegeben. Kämpfe und 
Meinungsverschiedenheiten wird es immer geben 
auch unter den Standesgenossen. Aber eines ist doch 
anders geworden gegenüber früher: 
Das neue Arbeitsrecht baut sich auf der Aner⸗ 
kennung der Menschenwürde und des Rechtes des 
Arbeiters und seines Standes auf. 
Das ist der größte Erfolg, den ihre Bewegung über— 
haupt erringen konnte, auf dem alle übrigen Erfolge 
basieren. Diejenigen. die dieses Recht nicht gewoll— 
haben, haben dem Arbeiter wohl Almosen, aber nie 
mals sein Recht gegeben. Darum konnten sie auch 
die soziale Frage nicht lösen; denn sie kann nur au' 
dem Boden des Rechts gelöst werden. Die Vorkrieas 
jeit ging aus von 
Der Freiheit des Arbeitsvertrages. 
Ein schönes Programm! Aber frei wird der Ar 
bettsvertrag erst, wenn er kollektiv ist, wenn er vor 
der Gesambheit der Arbeitnebmer ahdecblossen wirbd 
den innersten Nerv der sozialen Frage 
gepackt. Wie wae es denn? Auf der einen Seite 
nangelndes Recht und auf der anderen Seite Un⸗ 
icherheit der Existenz. Das ist ja das Kennzeichen 
der Proletarisierung. Wir haben noch nicht alles be— 
eitigen können, aber das ist gelungen, daß wir das 
Proletarische in der Arbeiterhewedung einschränken 
önnen. 
Aber nicht nur auf diesem Gebiete, sondern auch 
in Kultur und Bildung sind große Fortschritte zu 
erzeichnen. Diese Erfolge sind in erster Linie einer 
selbständigen Gewerkschafitsbewegung 
uzuschreiben. Sie vor allem hat zu einer guten 
Lösung vieler Probleme beigetragen. Jeder ist ja 
seines Glückes eigener Schmied. Der Arbeiter muß 
selbst sein Glück schmieden wollen. sonst ist die in 
iale Frage nie zu lösen 
Diese Entwicklung bis heute hat 
grohße Opfer gekostet. 
Wir ziehen derum in Ehrfurcht den Hut vor den 
alten Kämpfern und ihren Opfern, die diese erste 
Heneration der Gewerkschaftsbewegung gebracht hat. 
Ich habe das alles selbst miterlebt. Da waren die 
ersten Führer, die mit einer großen Kinderzahl ge— 
segnet waren. Brust, der sicher 10 Kinder hatte, ar—⸗ 
beitete den Tag ue enee in der Grube, und dann 
bis spät in die Nacht hinein schrieb er an seinem 
Vereinsorgan. Es sind gewaltige Opfer, welche diese 
Männer brachten, die heute vielfach vergeblich gesucht 
werden. Ich selbst wirkte Sonntag für Sonntag 
draußen im Revier für die Einführung des Ge— 
werkvereins. Das habe ich nur gekonnt, weil ein 
Konfrater, der Religionslehrer war, in der sonntäg⸗ 
lichen Seelsorge für mich einsprang. Heute nenne ich 
seinen Namen: es ist der jetzige Domkapitular Huß⸗ 
mann in Aachen, der so zu seinem Teile dazu bei⸗ 
trug, daß andere für ihre Bewegung wirken konnten. 
Es ist vielleicht ganz gut, wenn ich zum ersten Male 
aus dem „Nähkörbchen“ meiner eigenen Erfahrungen 
etwas erzähle. Mir ging es auch so, daß ich keine 
Rede halten konnte, ohne daß zwei bis drei Poli—⸗ 
zisten und Stenographen dabei waren. Darum möchte 
ich gerne einmal Einsicht in meine Akten bei der Re⸗ 
gierung in Düsseldorf nehmen; ich glaube, ich fände 
dort meine „gesammelten Werke“ vor. Die Behör⸗ 
den meines Wirkungsbezirkes waren nicht sehr er—⸗ 
baut von meiner Tätigkeit für den Gewerkvrerein. 
Es geschah so ziemlich alles, um den „sozialistischen“ 
Kaplan zu beseitigen. Das zog aber nicht. Da lud 
mich denn der Bürgermeister eines Tages zu Gaste. 
Mein Erstaunen über diese seltene Ehre legte sich, 
als er mir so sachte beizubringen versuchte, ich sollte 
doch die Tätigkeit für den Gewerkverein aufgeben, 
da ich doch auch mal — Pfarrer werden wollte. Und 
da käme es doch auch auf sein Zeugnis an. Meine 
Freundschaft zum Gewerkverein gereiche mir dann nur 
um Schaden. Seelenruhig saate ich au dem so .be— 
»raten“ Mann: 
„Wenn der Wind daher pfeift, möchte ich Sie 
beruhigen; denn ehe ich Pfarrer werde, werden 
Sie noch froh seis. daß ——R Gewe rlichaften 
Raibt.
	        
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