Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

Nummer 15. 
Geseß und Recht 
Wichtig für Befitzer von Kriegsanleihen 
und Stautspapieren 
Der deutsche Reichskommissar, der zur Erledigung 
oon Kriegs- und sonstigen Staatsanleihen von der 
dieichsregierung nach dem Saargebiet delegiert wurde, 
teilte uns mit, daß trotz wiederholter Bekanntmachung 
in den Tageszeituüngen, durch die Ortsschelle usw. die 
Leute, die Kriegsanleihe von 100 bis 1000 Mark ge— 
richnet haben, bisher nur in geringem Maße einen 
Autrag auf Barablösung stellten. 
Der letzte Termin zur Stellung dieser Anträge 
ist der 30. April 1927. 
Hiese Barablösung, die das Aufwertungsgesetz vor⸗ 
ieht, jtellt eine gewisse Vergünstigung für die Zeichner 
tleiner Summen dar. Die Jeichner, die im Jahre 1926 
nur ein Einkommen bhis zu 6000 Franken hatten, er— 
salten für je 100 Mark, die sie zeichneten an Kriegsan— 
eihe oder Staatspapieren, eine Barablösung von 
15 Mark. Wer also 900 Martk gezeichnet hatte, be— 
emmt 9 mal 15 Mark ist 135 Reichsmark Barab— 
psung. Zeichner von Anleihen mit einem Jahresein— 
lommen von 6000 bis 11250 Franken erhalten an Bar— 
ablösung für je 100 Mark Änleihe 8 Mark Barab— 
lösung. Wer sich vor Verlust schützen will, 
muß seinen Antrag auf Varablösung bis zum 
30. April 1927 beim zuständigen Bürger⸗ 
meisteramt stellen. 
Die Barablösungen kommen nur bei Anleihen in 
Frage, die den Gejamtbetrag von 1009 Muark nicht 
uüͤbersteigen. Wenn auch infolge der finanziellen Lage 
des Reiches die Anleihen nur in geringem Maße auf— 
gewertet werden können, sollte doch niemand es ver— 
äumen., sich den Aufwertungsbetrag zu sichern 
Für Steue. reiheit der Knappschafte penftonen 
Für die Jahre 1923 bis 1925 bestimmte der Regierungs 
ommissar jüt das Finanzwesen die Steuerfreiheit der 
Tnappschaftspensionen. Nach billigem Ermessen mußte er— 
wariet werden, daß der neue Regierungskommissfar für das 
Finanzwesen auch für das Jahr 1926 und die folgenden 
Jahre die Knappichaftspensionen durch Verfügung steuer⸗ 
rei erkläͤre. Bis heute ist das nicht geschehen, und gehen 
iun die Finanzämter dazu über, für 1826 a4uch von den 
Knappichaftspensionen die Einkommensteuer einzutreiben. 
Da die knappschaftlichen Rentenbezieher ohnehin schon sehr 
chlecht gestellt sind, hat der Gewerklverein am 29. Maärz 
zine Eingabe „an das Mitglied der Regierungskommission 
ür Finanzen und Forsten, Herrn Minister Morize“ ge— 
ichtet, in der 
eim Hinblick auf die ungünstigen wirtschaftlichen 
Verhältnisse der inappschasilichen Rentenempfänger“ 
Zteuerireiheit für die tnappschaftlichen Pensions⸗ 
zezieher verlanugt wird. 
Diese Forderung vurde auch im Landesrat vom Kamera— 
den Kiefer am 31. Viärz erhoben, der den Staatstommissar 
dringend bat, bei dem zuständigen Ressortminister für den 
aldigen Erlaß der notwenditzen Verfügung einzutreten. 
doffentlich läßt die Verfügung nicht lange auf sich warten. 
Um die Anrechnung der Schuldenzinsen für rück⸗ 
liegende Jahre 
Der Saar-Knappschaftsverein ist Massen-Darlehnsgeber 
Er konnte daher die notwendigen Bescheinigungen über die 
zeleisteten Schuldenzinsen auch für die Jahre 1324 und 1625 
erst in den leßten Monaten fertigstellen. Die Finanzämter 
weigern sich unter Berufung auf die gesetzlichen Bestim— 
mungen, für die beiden Jahre — nachträglich die An— 
technung der Schuldenzinsen und entsprechende Etmäßigung 
der geleisteten Lohnsteuer vorzunehmen. Sie suchen auch 
jüt 1926 durch Anrechnung des fittiven Mietwertes des 
Hauses die Anrechnung der Schuldenzinsen illusorisch zu 
nachen. In diesem Vorgehen liegt eine unbillige Härte. 
Die Steuern werden für rückliegende Jahre erfaßt, wäh— 
tend man umgetehrt Steuererleichterungen und Rückzah— 
ung zuviel gezahlter Lohnsteuer verweigert. 
—Um eine Beseitigung dieser Härte zu erreichen, richtete 
det Gewerkverein am 29. März eine Eingabe an den au— 
tandigen Minister Morize. 
‚die jetzt angeblich verspätet eingehenden Anträge auf 
Rückerstattung zuviel gezahlter Lohnstener, die durch 
Kerschulden der Knappichaft nicht früher gejstellt 
werden konnten“, anzuerkennen und den Finanz— 
ämtern entsprechende Unweisung zu geben. 
In der Landesratssitzung vom 31. März unterstützte 
Aamerad Kiefer im Auftrage seiner Fraktion auch diese 
Fotderung, wobei er auch die Unterlassung der Anrechnung 
der fiktiven Vlietsbeträge verlangte. Die notwendigen 
Anweisungen im geforderten Sinne sind sehr dringlich 
veshalh schnelles Handeln des Finanzministers geboten ist 
Ein Nachwort zur legten Vewegun 
Hat die gewerkschaftliche Erziehungsarbeit 
Fortjschritte gemacht? 
Die Geschichte der Bergarbeiter des Saargebietes 
onders diejenige unseres Gewerkvereins ist reich an 
Bewegungen, wirtschaftlichen und gewerkschaftlichen 
Uuseinandersetzungen. Nachdem nun eine zwanzig— 
ährige Tätigkeit, und in den letzten Wochen erneut 
eine Bewegung zum Abschluß gekommen. ilt es nicht 
Der Saar⸗Bernlnerger 
Opfermut 
fürchterlich hat es im Grunde gekracht: 
cchlagende Wetter im Bergesschacht, 
Pilde Dämonen entfesselt und frei, 
zersten und Brechen, verzweisfelter Schrei! 
—X— 
Pälzen die giftigen Schwaden sich fort. — 
—XV 
ühsam hat er die Lampe entsfacht. 
zreist nach dem Kopfe und langt nach dem Bein, 
das ihm zerschmettert vom Hange ein Stein. 
zchlagende Wetter! Wo ist er, der Herd? 
züdlich, jo hat ihn das Grollen belehrt. 
züdlich? O Himmel, hab' Gnade du! 
züdlich geht es auf „Dickebank“ zu. 
ẽine Abteilung in schwerster Not. 
Pas noch von achtzig Kameraden nicht tot, 
sun mit Verbrannten, Gequetschten gesamt 
Flend zum Tod des Erstickens verdammt. 
Zönnte nicht Rettung für manche noch sein? 
rreilich, tief unten Jjum Norden hinein 
zst eine Türe zur Sperre gesetzt. 
Würde die eiserne öffnen man jetzt, 
E 
türzeisten Weges zum Unglütsort. 
Aber wer macht es? Wer meiß Besicheid? 
zumann erhebt sich: „O Gott, es wird Jeit!“ 
zricht daun zusammen: „Herr, Gnade du!“ 
GBlutig entquillt es dem schmutzigen Schuh. 
Weinend gedenkt er der Brüder Jahl, 
Macht den Versuch, sich zu heben noch mal. 
Vieder sinkt hin er — es schlottert sein Bein, 
Himmel, es geht nicht! O Gott, es muß sein!“ 
rriechend erreicht er der Fahrten End' — 
drampft um die Sprossen die Fäuste behend — 
Kutscht auf dem Bauche — gebraucht einen Fuß — 
Peinet: „Es geht nicht!“ und heulet: „Ich muß!“ 
kndlich hat er die Sohle erreicht, 
kuht einen Augenblick — erhebt sich und keucht. 
zetzt seine Fahrt mit zerschmettertem Bein 
zort in den nördlichen Querschlag hinein. 
üriechet und hüpfet und weint sein Gebet, 
tis er ermattet am Jiele steht. 
Zurz nun er leuchtet zum eisernen Tor — 
Stelit sich geschwind mit dem Rücken davor — 
Stemmt den gesunden Fuß an den Stoßz — 
Ddrückt mit Gewalt — die Türe geht los! 
zrausend ergißt sich der Luftstrom mit Macht 
Dickebank“ zu, zum Wetterschacht. — 
Rührig bald setzte die Rettung ein. 
Punder, die Streden von Schwaden rein! 
Viele noch fand unverletzet man vor. 
Aber da unten am eisernen Tor 
dag er, der andern als Helser sich bot, 
Bleich und zerschunden, verblutet und tot. 
Ludwig Kessing. 
inberechtigt, festzustellen was ist. Es sollen dabei nich 
zie gewerkschaftlichen Erfolge aufgezählt, sondern 
nehr auf die bildende und erzieherische Arbeit Rück 
cht genommen werden. 
Es ist in Zeiten einer aufsteigenden Wirtschafts— 
neriode, oder während der Inflation einer Währung 
rnicht allzu schwer, eine Arbeiterbewegung zu halten. 
die Situation ermöglicht dann wirtschaftliche Erfolge 
Lohnerhöhungen und sonstige Verbesserungen im Ar 
deitsverhältnis werden herausgeholt. Die Bewegung 
rägt in dieser Zeit auch denjenigen Mitgliedern 
Rechnung, die den gewerkschaftlichen Zusammenschluß 
rur vom rein wirtschaftlichen Zweckmäßigkeitsstand— 
uunkt werten. Inflationszeiten verbinden den Ein— 
elnen noch stärker mit seiner Bewegung. Ohne diese 
cheint er verloren. Diese Situation ändert sich in dem 
ugenblick, da auch der beste Zusammenschluß Lohn— 
eduͤzierungen nicht verhindern kann. In diesen 
ßeriode besindet sich die Bewegung zur Zeit. 
Neu sind die Vorgänge nicht. Auch im Saargebie! 
atten wir im Jahre 1921 eine Zeit rücksichtslosen 
Lohnabbaues. Infolge der damaligen Markinflation 
zie niedrige Preise im Gefolge hatte, war die Lage 
n. Haushalte des Bergmannes immer noch erträglich 
Zeit Monaten aber sind Not und Entbehrung im 
zaushalt tägliche Gäste. Die französische Bergwerks 
zirektion ist seit ihrem Hiersein nur auf einen mög 
ichst hohen Gewinneffekt eingestellt. In dem Augen 
olich, da dieser ausbleibt, geht das Interesse am Saar 
zebiet verloren. Die letzten Jahre waren dem Gewinn 
treben äußerst günstig. Nunmehr zieht eine neue 
Wirtschaftsperiode herauf. Von der englischen Kohle 
verden die einheimischen Märkte unterhöhlt. Hinzr 
'ommt die Besserung des Franken. In der Preis 
zolitik muß man sich derjenigen des Weltmarktes an 
assen. Das Diktieren der letzten Jahre geht zu Ende 
der Lohnabbau soll für die kommenden Monate die 
ßrundlage abgeben. auf der man die Wirtschait wei 
er führen will 
Seite 3. 
Es zeigt sich hier erneut die rein geschaftsmäßige, 
nwur auf die Erzielung des höchsten Gewinneffektes ein— 
gestellte Unternehmüng. Trotzdem war die gegen— 
waärtige Zeit, auch rein wirischaftlich gesehen, für 
den Lohnabbau denkbar ungünstig. Seit September 
vorigen Snyres ist eine fortwährende Steigerung des 
Fördereffektes festzustellen. Er stieg von 604 Kilo auf 
724 im Januar dieses Jahre. Dem Arbeiter, der unter 
Aufbietung aller Horperkräfte sich anstrengt, durch 
erhöhte Leistungen zu einem besseren Lohn zu kom— 
men, zerstört die Bergwerksdirektion die Arbeits— 
freude. Auch nach der saktischen Seite, soweit er den 
Verkehr zwischen Organisation und Verwaltung be— 
srifft, sind Klagen berechtigt. Die Direktion zeigt 
hier eine wenig freundliche Einstellung. Hatten sich 
disher bei aufsteigender Wirtschaft die Organisation 
nit den Arbeitgebern an den Verhandlungstisch ge⸗ 
etzt, um nicht selten in tagelanger Aussprache eine 
kinigung zu erreichen, wird jeßzt der Lohnabbau 
ziktiert. 
So mußte der diesbeziigl. Anschlag an den Zechen⸗ 
oren tiese Erbitterung auslösen. Selbst das noch so 
redikal eingestellte Belegschaftsmitglied hätte, bei 
poller Würdigung vorhandener wirtschaftlicher 
zchwierigkeiten, gegen einen erträglichen Lohnabbau 
zu einem späteren Termin, kaum Einwände erhoben. 
Leide Faktoren haben zu jener Erregung geführt, die 
n den Belegschastsversammlungen zum Ausdruck 
am. Die Tabktik der Kommunisten fand jedoch wenig 
zustimmung. Man wußte, daß von dieser Seite wohl 
in mehrwöchentlicher Streik, aber keine Unter⸗ 
tützung, noch viel weniger eine Beseitigung des Lohn⸗ 
ibbaues zu erwarten war. Genau so entschieden lehnte 
nan das Verlangen anderer Kreise ab, um Vorspann⸗ 
zienste für persönliche Zwecke zu leisten Der Kamerad 
tannte den Ernst der Situation. 
Die Konferenzen und Sitzungen, in denen sich An⸗ 
estellte und Vertrauensmänner über die geschaffene 
rage unterhielten, waren ein Musterbeispiel wirt⸗ 
chaftlicher und gewerkschaftlicher Schulung. Einstim⸗ 
mig wurde das Vorgehen der Direktion verurteilt. 
kine andere Einstellung wäre von ihr notwendig ge— 
vesen. Sie lag auch im Bereich des Möglichen. Trotz 
all dieser Schwierigkeiten war man sich einig, die Ge⸗ 
etze des Handelns von keinem Dritten sich auszwingen 
u lassen. Man sah, nachdem die Organisation alle 
Möglichkeiten erschöpft hatte und eine bessere Situa— 
ion nicht zu erreichen war, vorerst von weiteren 
Schritten ab. Die Schlagkraft der Organisation blieb 
erhalten. An sie werden im Laufe der kommenden 
Monate noch erhebliche Ansorderungen gestellt. Die 
Bergarbeiter des Saargebietes haben bei der letzten 
Bewegung erneut den Beweis erbracht, daß die jahre— 
'ange gewerkschaftliche Arbeit nicht vergeblich war. 
A. G. 
w 
Wichtig für die Knappschaftswitwen 
Nach dem Statut des.Saarbrücker Knappschaftsver⸗ 
eins vom Jahre 1872 wurde bei Festsetzung einer 
Witwenpension die Mitgliedszeit des verstorbenen 
Chemannes nur insoweit angerechnet, als sie 30 Jahre 
aicht überstieg. Rach der Satzung von 1907 wurde eine 
Mitgliedszeit des Mannes bis zu 40 Jahren der Be⸗ 
rechnung der Witwenpension zu Grunde gelegt. Wur⸗ 
den auch über die Zeit hinaus Mitgliedsjahre nach— 
gewiesen, so hatte dies auf die Höhe der Pension keine 
Finwirkung. 
Nach der Verschmelzung der Bergbau-Knappschafts— 
oereine des Saargebietes zu einem Verein, dem Saar⸗ 
Anappschaftsverein, wurde in der neuen Satzung ein 
einheitlicher Steigerungssatz für alle 
Witwenpensionen 
estgesetzt.. Es stellte sich jedoch heraus, daß die chema⸗ 
ische Anwendung der neuen Satzung auch ungerecht⸗ 
ertigte Härten im Gefolge haben würde. Deshalb 
vurden für Errechnung zurückliegender Leistungsan— 
prüche Rententabellen aufgestellt, nach denen die Fest— 
etzung der Pensionen erfolgte. Bei der Aufstellung 
dieser Tabellen war anscheinend vergessen worden, die 
vorbezeichneten Ungerechtigkeiten des Statutes von 
1872 und der Satzung von 1907 auszumerzen und die 
Witwen, die auf Grund dieser Bestimmungen Witwen— 
nensionen bezogen, nach der Mitgliedszeit des Mannes 
aber eine höhere Leistung beanspruchen konnten, waren 
dadurch geschädigt. 
Aus diesem Grunde stellten die Vergarbeiterorga⸗ 
risationen zur Generalversammlung des S. K. V. am 
18. 12. 20 den Antrag, 
alle Witwenpensionen nach den jetzt geltenden 
Satzungsbestimmungen festzusetzen. 
Der Knappschaftsvorstand befaßte sich in seinen 
Sitzungen am 26. 1. 27 und 16. 2. N erneut mit der 
Frage und kam es zu dem Beschlußz, daß alle Witwen, 
die auf Grund der alten Satzungsbestimmungen Wit⸗ 
wenpension beziehen und durch Nichtanrechnung sämt⸗ 
licher Mitgliedsjähre des Mannes geschädigt sind. für 
die fehlenden Jahre 
eine besondere Unterstützung erhalten 
ellen in der Höhe, daß der Feblbetrag ausgeglichen n
	        
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