Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

NMummer «—3 
Hose KagneMeIB— 
fkgoismus; sie fühlen es nicht oder wollen es nic 
iihlen, wie unkameradschaftlich ihr Verhalten ist 
zie hängen fsich wie ein Hemmschuh oder Bleigewicht 
in die opferfreudigen, zum Wohle des Standes und 
zer Allgemeinheit arbeitenden Kameraden, helfen 
iber mit der größten Selbstverständlichkeit die 
zrüchte aus deren Fleiß verzehren. Einige Wenige 
ogar werden zum Verrater, zum Judas an der Ka⸗— 
neradentreue. Sie fallen denjenigen, die da opfern 
ind kämpfen in den Rücken und Nhen deren gutes 
Werk zu zerstören. Das ist feige Tat und muß als 
oelche gekennzeichnet werden! 
, find die Opfer, die innerhalb der Organisa⸗— 
ion in kameradschaftlichem Geiste schon gebracht 
vurden, und mühsam und schwer war der Weg. Aber 
zrößere Opfer warten noch, deshalb heißt es auch 
ür die Zukunft, im neuen Jahre: 
„Treu Hand in Hand!“ 
der Erfolg der Vergangenheit läßt uns hoffend in 
In tanst schauen. Sagt doch der Dreizehnlinden— 
dichter: 
„Weil sich nun die neuen Tage aus dem 
Schutt der alten bauen, kann ein ungetrübtes 
Auge rückwärtsblickend vorwärts schanen 
el. 
chlußz schufen in alter Zeit die Knappen die „Bru⸗ 
derladen“, führten fie freiwillig Beiträge ab, danũt 
die Not der Kameraden gelindert werden konne. Ob— 
en man auch heute immer darauf bedacht ist, dem 
Bergmann nicht viel mehr zu geben als das —2 
notwendigste, zeigt sich doch daß aus eigenem 
Antrieb Hilfsaäktsonen, wie Sammlungen usw. ver⸗ 
anstaltet werden, wenn es gilt, die Not vom Schichk- 
al betroffener Kameraden vder die von deren Hin⸗ 
erbliebenen zu lindern. Die Danksagungen, die im— 
mer wieder in unserm Orgen veröffentlicht werden, 
jseigen klar, mit welch beispielloser Opfer— 
villigkeit die Bergleute sich an diesen Aktionen be— 
eiligen. Manche vom Glück mehr begünstigte Volks— 
reise könnten sich an dieser opferfreudigen Kamera— 
dentreue wohl ein Beispiel nehmen. 
In organisatorischer Beziehung ist aber noch nicht 
zeͤles so, wie es sein sollte. Trotzdem gerade das 
Drganisationsleben auf echter und tiefer Kamerad, 
chaft aufgebaut ist, wird das noch nicht allseitig be— 
zriffen und entsprechend gehandeli. Da gibt es noch 
eine Reihe Abseitssteher, die sich scheuen, die Kame— 
tadenhand zu ergreifen, die ihnen von den organisier⸗ 
sen Bergleuten entgegengestrteckt wird. Meist ge— 
schieht das aus Gleichgültigkeit oder kleinlichem 
ιιιαασαααια 
Der kiefere Sinn des Kampfes in der 
dentischen Schwerindstrie 
Die deutsche Wirtschaft stand in den letzten Wochen 
unter Hochspannung. Nach den Verordnungen des 
Keichsarbeitsministers sollen ab 1. Januar 1828 in 
destimmten Zweigen der Schwerindustrie die not⸗ 
wendigen Arbeilszeitverkürzungen eintreten. Die 
MNetallarbeiterorganisationen machten auch notwen—⸗ 
dige Lohnforderungen geltend Anstatt den vorlie— 
genden Notwendigkeiten Rechnung zu tragen, kün— 
zigten die Unternehmer die Betriebsstillegung ab 
.Januar 1928 an. Es ist klar, daß dieser Schritt 
er Unternehmer die Situation außerordentlich ver⸗ 
schärfte und die Hütten- und Metallarbeiterschaft in 
zrößte Erregung versetzen mußte. Die zwischen den 
heteiligten Kontrahenten stattgefundenen Verhand— 
ungen verliefen ergebnislos, weil die Unternehmer 
zu keinem Entgegenkommen bereit waren. So trat 
denn der amtliche Schlichter in Tätigkeit, der einen 
Schlichtungsausschuß bildete. Nach langwierigen 
Lerhandlungen wurden zwei 337 — und zwar je 
einer die Arbeitszeit und die Lohnfrage betreffend, 
zefällt. Die Arbeitgeber lehnten beide Schiedssprüche 
1b. die Isicen Metallarbeiter hingegen nur den 
nhier pruch. Wie dieser Tage die Presse be— 
richtete, hat der Reichsarbeitsminister die gefällten 
Schiedssprüche für verbindlich erklärt, wodurch beide 
Teile fie anerkennen müssen Ob und inwieweit beide 
deile die für verbindlich erklärten Schiedssprliche be⸗— 
achten werden, wird die Zeit nach dem 1 Januar 
1928 erweisen. Jedenfalls lehrt dieser bedeutungs— 
volle Vorgang uns wieder, welche Bedeutung dem 
amtlichen Schlichtungswesen zusfällt Rach dem Stand 
der Dinge wäre es sotsicher ab 1. Januar zu einem 
heftigen und ũüberaus schwierigen offenen Kampfe in 
ber Schwerindustrie gekommen, da die Unternehmer 
sedes Entgegenkommen ja hartnäckig verweigerten. 
Um was es aber zu tiefst bei diesem Kampfe geht, 
'agen uns klat folgende Darlegungen des Kollegen 
Feorg Wieber im Organ des christlichen Metall⸗ 
arbeilerverbandes, die er in einem Artikel „Das 
RKingen in Nordwest vor dem Siedepunkt“ u. a 
machte: 
„Ohne Zweifel geht der Kampf, der sich abzuspie⸗ 
len beginnt, zunächst die Schwerindustrie und die 
Metallärbeiterjchaft bezw. die Metallarbeiterver⸗ 
hände an. Aber darüber sollte sich die deutsche Ar— 
beiterschaft, das deutsche Volk und auch die Regie— 
rung im Klaren sein, daß dieser Kampf in Nordwest 
nach Ansicht der Schwerindustrie nur die Bresche 
legen, ein zweiter Durchbruch von Tarnow-Gorlice 
jein soll, um von da aus die Frepten der Arbeiter⸗ 
chaft, bder Arbeiterrechte und der gegenwärtigen 
Staatsgewalt überhaupt aufzurollen. 
der Kampf wird geführt um den Primat, d. h. 
zie Oberherrschaft der Wirtschaft über den 
Ztaat, die Herrschaft des unbeschränkten Kapi⸗ 
dalinteresses über vollliche Lebensnotwendig⸗ 
keiten, die Herrschaft des Unternehmertums über 
die Regierungsautorität. Man will los von aller 
og. Zwangsbewirtschaftung auf wirtschaftlichen, 
arbeitsrechtlichem und sozialpolitischem Gebiet 
lommen und gegenüber den Volksstaat den 
slassenstaat nen sestigen. 
ks sind die alten Strömungen wieder lebendig, den 
zurtleer Staau so fest in die Hand auäu 
ekommen, wie es im alten der Fall war, wo 
man nicht im Parlament und in der Regierung zu 
seim brauchte, um dennoch einseitig Wirtschaft und 
Aapitalbefitz als die leitenden Faltoren des Ganzen 
anzusehen, wo man in bequemer Handhabe Militär 
ind Oeffentlichtkteit in der Gewalt hatte. wenn die 
Arbeiter „unberechtigte“ Forderungen stellten, wo 
nan sozialdenkende Minister, wie Freiherrn von 
Berlepsch nach kurzem Anhieb schon beseitigen konnte, 
vo Reingewuͤnn und Tonnenfsördern mehr galt als 
Lolksgesundheit, Volksgesittung und Familienkultur. 
Im das wieder zu erreichen, kämpft man gegen den 
jeutigen Staat, der Sozialpolitik auf seine Fahne 
zeschrieben hat. 
Soziaponn geht ja weiter als Sozialversicherung. 
die letztere würde man noch tragen, man tat es im 
ilten Staate auch, aber Sozialpolitik umfaßt 
»cdeutend mehr; Sozialpolitik treiben heißt, alle 
hueder des Volkes in gleichem Rechte umfassen, sie 
neinander einfügen, den Ertrag der Wirtschaft ge⸗ 
recht verteilen, Sozialpolitik treiben heißt ferner, in 
das Volksgefüge die rechte Rangordnung der Werte 
hineinzubringen, daß das Tote unter dem Leben— 
ziigen, das Kapital unter dem Menschen, die Ma—⸗ 
chinenkraft unter der Arbeitskraft, der RKeingewinn 
ind die Dividende unter Volksexistenz und Volks— 
zesittung, daß die Wirtschaftswerte unter den Lebens— 
verten eines Volkes zu stehen haben. Es ist eine 
eraltete Ansicht, daß die Kapitalkraft um so besser 
tehe, je mehr aus den Volkskräften herausgeholt 
verde. Das ist die Räuber- und Kolonialpolitik des 
httee Die englische und amerikanische 
zolkswirtschaft haben schon gelernt, daß eine Stel— 
erung aller Volkskräfte eine Steigerung der Kapi— 
alkräfte nach sich zieht. Der deutsche Kapitalismus 
ucht auf dem umgekehrten Wege sein Ziel zu er— 
eichen, und deshalb führt er den erbitterten Kampi 
zegen Jede Sozialpolitik“ 
Vorstehend ist herausgeschült, was die Unter—⸗ 
ehmer wollen, ist aber auch herausgestellt, was alles 
ziel der Sozialpolitik sein muß. Ob die Entwicklung 
o oder so geht, hängt von der deutschen Arbeiter⸗ 
chaft ab. Bleibt sie in ihrer Masse denkfaul und 
ppferscheu, dann siegen die Unternehmer; wird sie 
zeistig regsam und opferwillig, daun wird der soziale 
Zoltsstaat nach und nach reisen. 
Zugespigte Lage in Riederschlefien 
Das niederschlesische Steinkohlengebiet zeigt seit 
eher die niedrigsten Löhne. Die Folge ist eine sehr 
sedrückte LBebenshaltung der dortigen Bergleute 
deren Wohnungsverhältnisse sind geradezu erbärm 
ich. Die VPtehrzahl der Bergleute wohnt in Ein- oder 
zweizimmerwohnungen. Daß — Wohnungselend 
ie übelsten Folgen zeitigt, dürfte ohne näheren 
Rachweis einleuchten. So ist der Gesundheitsstand 
ver bergmännischen Bevölkerung der denkbar schlech 
este. Unzureichende Ernährung, primitivste Woh 
rung — das ist das Los der niederschlesischen Berg 
eute seit Jahrzehnten. 
Seit einigen Wochen stehen die Bergleute Rieder 
chlestens in einer Lohnbewegung. Die bisher ge 
ührten Verhandlungen führten keiner Einigung 
das Angebot der Unternehmer ist derart, daß ihm 
»ie Bergleute und deren Organisationen nicht zu 
timmen können. Eine am 11. Dezember in Walden— 
»urg tagende Konferenz unseres Gewerkvereins be 
chäftigte sich mit der Lage. Nach der Berichterstat— 
ung durch den zuständigen Bezirksleiter Beerbaum 
ind den Abg. Kollegen Harsch wurde eine Enftschlie 
zung angenommen, in der das Angebot der Unter 
tehmer als völlig ungenügend abgelehnt wurde Es 
vurde weiter der einmütigen Auifassung Ausdrud 
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—— — — — —— 
gegeben, daß, falls bis zum 20. Dezember keine be⸗ 
riedigende Regelung der Lohnfrage erfolgt ei, die 
rampfmaßznahmen zu treisen seien. 
Das heißt also Streik im diederhuehen Berg⸗ 
»au, wenn bis zu dem angegebenen Termin kein be— 
nedigendes ede durch die Unternehmer ge⸗ 
macht wird. Die Weihnachtstage, die dem Frieden 
bestimmt sind, sollen den niederschlesischen Bergleuten, 
die so arm wie die Kirchenmäuse sind, Kampf be— 
Den Es ist ein wundes Kapitel der deutschen 
Wirtschaft, daßz die Unternehmerseite selten notwen⸗ 
diges uͤnd mögliches Entgegenkommen zeigt. Viuß es 
denn immer zum Kampf kommen, der so tiefe Wun⸗ 
den schlägt? Die Forderungen der niederschlesischen 
Bergleute sind ge bescheiden, daß bei nur einiger— 
maßen gutem Willen der Gegenseite der Streik sich 
vermeiden ließe. Es ist aber leider so, wie wir schon 
nehrmals schrieben, daß die Arbeiterschaft IJ eine 
langwierige Zermürbuüngstaktik unter das kaudi— 
nische Joch gebeugt werden soll. 
Ueber den ien und die Höhe der 
röhne im niederschlesischen Steinkohlengebiet orien⸗ 
iett nachstehende Tabelle, die den Feststellungen des 
Zztatistischen Reichsamtes für das 2. Viertelijahr 1327 
mtnommen ist. 
Zahl aller Vollarbeiter 24 985 
durchschnittslohn aller Vollarbeiter (brutto) 6.76 V. 
Abzug an Beiträgen zur Sozialversicherung 6. 88 Vi. 
durchichnittslohn aller Vollarbeiter (netto) 4.88 Vi. 
Es wird kein Mensch behaupten können, daß Netto⸗ 
öhne von 488 Mtk. ausreichend seien, eine Familie 
u ernähren. Wir wünschen von ganzem Herzen, daß 
z2s8 gelingen möge, die — der niederschle— 
ischen Beraleute ohne Streik zu erfilllen. 
Vorwärts immer — rückwärts nimmer! 
Jungkamerad! Sylvester ist da!l Der letzte Tag des 
Fahres 1927. Dich locken da Fidel und Geigen. Musik in 
Alen Tanzsälen. Frohsinn und Ausgelassenheit überall. 
sdoch einmal will man sich „austoben“ am Schlusse des 
Jahres. Es soll hinwegtäuschen über das Schwere, das 
Trübe der vergangenen Tage und Monate. 
Jungkamerad! Vergeude die letzten Stunden des alten 
Jahres nicht nutzlos. Freuen im edlen Sinne des Wortes 
ollit du dich. Im Kreise Gleichgesinnter, im Kreise wahrer 
Freunde und Kameraden. Aber nicht tollen bis in die 
rühen Morgenstunden des neuen Jahres. Das wäre ver⸗ 
kehrt, weil nur „Katerstimmung“ übrig bleibt. Körper⸗ 
liche und moralische Katerstimmung. Mit klarem Blick 
ind frischem Körper soll dich das neue Jahr antreffen. 
Das löst Freude aus. 
Jungkamerad! Blicke am letzten Tage des Jahres 
twas in die Vergangenheit. Schaue zu, ob du immer auf 
dem Posten warst. Diese Rüchschau soll dir die Unter⸗ 
assungen und Fehler zeigen, die unserer Jugendbewegung 
aicht nützten. Sie soll dir auch das erneut einprägen, was 
der Jugendbewegung frommte. Die schlechten und guten 
kErfahrungen sammle am letzten Tage des Jahres. Sie 
ollen dir Lehrmeister sein für die Zukunit. Nur Erfah⸗ 
ung macht klug. Wer alles spurlos aus seinem Gedächt⸗ 
uis streicht, wird sich und seinem Stande nicht dienen 
önnen 
Jungkamerad! Benutze in der Hinsicht den letzten 
Jdahrestag. Das nutzt dir und deiner Sache mehr, als der 
olle Trubel. Setze dich mit Gleichgesinnten zusammen 
ind halte mit ihnen gemeinsam eine Abrechnung. Gemein⸗ 
am faßt dann den Entschluß, im neuen Jahre die guten 
stjsahrungen mit erhöhtem Eifer im Dienlte der Jugend⸗ 
ind Bergmannssache zu verwerten. 
Jungkamerad! Ist die Jahresbilanz für 1927 gezogen, 
zann blicke in die Zukunft. Frei, offen und aufrecht. 
Richt niedergedrüdt, verzagt und fatalistisch. Zum Ver⸗ 
agen fsind wir nicht geboren, sondern zum rechten 
Schmieden unseres Schidsals. Mag das alte Jahr uns 
auch manches Schwere gebracht haben, so hat es uns auch 
ßutes beschieden. Wir dürfen nicht nur das Schwere 
chen, sondern auch das Gute. Wir müssen die Ersfolge 
ehen, die wir durch unser gewerkschaftliches Zusammen⸗ 
virken erzielt haben. Sie müssen uns der Ansporn sein, 
m neuen Jahre mit vermehrtem Eifer der Jugendbewe⸗ 
jung zu dienen. Mit diesem Entschluß trete ein ins neue 
dahr, das frommt dir und deiner Standessache. 
Jungkamerad! Unserte Jugendbewegung ist deine Be⸗ 
oegung. Diese deine Bewegung ist noch nicht so, wie sie 
ein könnte und mühte. Daß es so ist, liegt an der Jugend 
elbst. Sie war nicht genügend bemüht im alten Jahre 
um ihre eigene Sache. Zu viele Jungkameraden waren 
aur Statisten, tote Zahlen. Sie sorgten sich nicht um 
ihre Bewegung. Im neuen Jahre muß das anders wer⸗ 
»en. Diesen Entschluß fasse am Sylvesterabend. Raffe 
ich auf zur Mitarbeit. Dann wird es sicher mit der 
Jugendbewegung vorangehen, dem großen Ziele zu— 
Jungkamerad! Rutze die Zeit im neuen Jahr in der 
echten Weise. Studiere wöchentlich den „Saarberg⸗ 
mnappen“; studiere die Knappenjugend“ und Gewerk⸗ 
chafisliteratutr. Du wirs sicher nicht dümmer davon Be⸗ 
uche auch die Unterrichtskurse. Wo diese stattfinden, sagt 
dir dein Zahlstellenvorstand Bedenke, daßz um den Ar⸗ 
heiteraufstieg mit dem Gehirn gelämpft wird. Geistes⸗ 
vaffen mußt du dir schmieden. Rur eine geistig gewedte
	        
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