Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

Nummer 44 
Saarbrücken, den 22. Oktober 1927 
8. Jahrgang 
(608 0 M 429 05 
—R 90 —98 1J 30696 98 
733 132337 333 334656 —114 
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
Ißdemt seden Samstag für die Mitglieder gtatis — 5 * 
ür die Zahlstellenabonnenten 5.— Ft monatl ohne FJũr wirtjichatliche u. geistige Hebung 
e een *. e des Bergarbeiterstandes 
Geschäftsstelle des „Saar-Bergknappen“: Saarbrücken & 
St. Johanner Stratze 49 — Fernsprech-Anschlug: Amt 
Saatbrücken. Nummer 1530. 1062, 2003, 3194 
— —— 
Bekunntmachung 
des Hauptworstandes 
Ein grofjer Lohnkampf von enlscheidender Be— 
deutung für rund 70 000 Bergarbeiter fsteht für 
den 17. Oktober bevor. Dieser Lohnkampf war 
unvermeidlich. Die Löhne der Arbeiler im millel⸗ 
deulschen Braunkohlenbergbau sind niedriger, wie 
fast in allen übrigen Bergrevieren. Auf friedlichen 
Wegen war nichl die geringste Lohnerhöhung zu 
erzielen. Selbst eine vom Schlichler festgesehle 
dreiprozenlige Lohnerhöhung kam nicht zur Aus 
zahlung, weil dieser Schiedsspruch nicht für ver 
hindlich erklärkt wurde. So ist die Lage der mittel. 
deutschen Braunkobsongrboitor dorart troftlos ge⸗ 
worden, daßß zum sebtan Mittodem Streik ge⸗ 
griffen werden my i⸗“xα. den dorligen 
Kameraden eine enfsrrechende Lohnerhöhung zu 
erkämpfen. Alle friedlichen Mitkel sind erschöpft 
Der Streik wurde im milleldeulschen Braun 
kohlenbergbau unker Zustimmung aller Organisa 
lionen, auch mit Zustimmung unseres Hauptvor 
standes und der überwiegenden Mehrheil der dor 
ligen Kameraden, beichlossen. 
HNieser Kampf erfordert nunmchr 
große Mittel. 
Es liegt im Interesse aller Bergarbeiter in den 
übrigen Bergrevieren, daß endlich auch die Löhne 
der mitleldeulsschen Braunkohlenarbeiter ent 
sprechend erhöht werden. Um deshalb soweit wie 
möglich die Kameraden in Wilteldentschland in 
ihrem allzu berechtigten Lohnkampf unterstühen 
zu können, beschloß der Hauptvorstand in seiner 
Sitzung vom 6. Okltober d. J. daß sämtliche nich? 
am Streik bekeiliglken Mitglieder, mii Ausnahme 
der arbeitsunfähigen Invaliden, für die Zeit von 
pier Wochen einen doppellen Beitrag zahlen sol 
len. Der doppelte Beilrag soll restlos von aller 
Mitgliedern gezahlt und von den einzelnen Zahl— 
slellen sofort der Hauplkasse ohne jeden Abzug zu— 
geführt werden. Für diesen Zweck werden der 
Zahlsellen von der Mevierleifung besonder⸗ 
Ertra⸗Beitragsmarken im Wert von 3 Irs 
zugeschickt. Jedes Miiglied muß neben seiner 
Wochenbeitragsmarke so viel Extrabeilragsmarken 
kleben, bis es damit den Bekrag von vier Wochen⸗ 
beitragsmarken erreicht hal. Die verkauften Extra⸗ 
beitragsmarken sind von den Jahlstellenkassierern 
auf den Zahlstellenabrechnungen gesondert anzu⸗ 
führen. Diese Erkrabeitragmarken sind Pflicht- 
beiträöge entserree den Beffimmungen im 8 12 
Ziffer 8 unserer Sabr 
Wir hoffen und erwarten, daß kein Milglied 
sich weigern wird, diesen Exkrabeitrag zu leisten 
Die Kameraden in Milteldeulschland sind in gröfß 
ler Not. Wir wollen ihnen alle kirene Kameraden 
sein und ihnen höchstes Solidarüsaitggefühl bekun. 
den. Zur Aufdringung der großen Opfer für die 
im Kampfe stehenden Kameraden wird jeder, des 
iind wir gewiß, gern die nolwendigen Exrkrabei- 
kragsmarken neben seinen Wochenbeitragsmarken 
zͤleben. Wir wollen und müssen alles kun, um 
unseren notleidenden mitteldeutschen Kameraden 
in ihrem berechtigten Kampfe am Siege zu ver⸗ 
helfen. Ihre Nol ist unsere gemeinsame Nol, ihr 
—* unser gemeinsamer Kampf, ihr Sieg aber 
auch unser gemeinsamer Sieg. 
Essen, den 6. Oktober 1927. 
Der Haupftvorstand: 
Imbusch, Vorsitzender. 
Zuna Nampf in Mitteldentichaleand 
Der Streikbeschlug dür Mitteldentschland 
AUm Sonntag,. dem 2. Oktober, traten 370 Dele— 
zierte aus den Braunkehlenrevieren Mitteldeutsch— 
sands in Halle zusammen, um im Lohnstreit die letzie 
Entscheidung zu sällen. Anwesend waren Vertreite 
aller am Tarifvertrag beteiligten Verbände. Er⸗ 
schütternd wirkien die Bilder, die von der Not in der 
Bergarbeiterfamilien gezeichnet wurden. Die Berg 
arbeiter konnten mit Recht nicht verstehen, daß, ob 
wohl der Förderanteil start gestiegen ist, die Gesamt: 
jörderung stetig steigt, die Belegichaftsziffer zurück⸗ 
zegangen ist, die Unernehmer es doch kategorisch ab⸗ 
zelehnt haben, die Tariflöhne zu erhöhen. Einmütie 
wurde der Versuch der Arbeiigeber zurütkgewiesen, 
aus der Lohnbewegung durch eine Kohlenpreiserhö⸗ 
hung ein besonderes Geschäft zu machen. Es bestand 
die allgemeine Auffassung, die auch durch Zahlen⸗ 
material als richtig erwiesen wurde, daß die Werke 
auch ohne Kohlenpreiserhöhung die gesorderte Lohn⸗ 
erhöhung tragen können. Diese Auffassung fand ihre 
Unterstreichung durch die Ablehnung der beantragter 
ohlenpreiserhöhunes durch dos Reichsmirtichafts 
ninisterium. 
Die Delegierten, die von dem Ernste der Lage wohl 
durchdrungen waren, fällten die Enticheidung dahin, 
dajß nach Ablauf der eingereichten Kündigungszettel 
ab Montag, den 17. Oktober, falls bis dahin das 
Unternehmertum kein Entgegenkommen zeigt, der 
Streik zu beginnen habe. Sein Ziel ist die Beseiti— 
zung der erbärmlichen Tariflöhne. die heute eine 
durchichnittliche Höhe von 4.10 bis 5,20 Mit. zeigen. 
Da die Unternehmer auf ihrem ablehnenden Stand⸗ 
puntt verharrten, erfolgte ab Rontag, den 17. Okto⸗ 
ber, nachdem die Vorstände der Gewerkschaften 
jutzungsgemäßß Stellung genommen und sich für der 
Streik entschieden hatten. die Durchführung des 
Streitbeschlusses. Wir haben nun mit dafür zu 
sorgen, daß der Kampf nicht verloren geht. Wie das 
zu geschehen hat, haben wir vorstehend klar gesagt, ijl 
ruch in dem Aufrufe unseres Hauptvorstandes zur; 
Pflicht aller Mitalieder gemacht. Kameraden 
zeigt nun, daß wir Solidaritätinsder 
ichtlkegen Tor m r2zu nBbeen wiitenr“ 
Aus diesem Kampffonds sollen die kleinen und mitt⸗ 
leren Unternehmer — die großen Unternehmer ver— 
zichten „großmütig“ auf eine Unterstützung — 
während des großen Kampfes unterstützt zu werden, 
damit sie aushalten können und nicht abspringen. 
So haben wir es, soweit das Unternehmertum in 
Frage kommt, mit einer klaren Situation zu tun. 
Eine ebenso klare und feste Position muß die Ar— 
beiterschaft schaffen. Es ist an der Zeit, daß alle Ar—⸗ 
beiter, die es ehrlich mit sich selbst meinen, den Weg 
zu den Gewerkschaften finden. In Mitteldeutschland 
wäre sicherlich die traurige Lage für die Arbeiter 
nicht zu verzeichnen, wenn sie nicht in früheren 
Jahren kommunistischen Torheiten gefolgt wären. 
Sie schwächten die gewerkschaftliche Position und so⸗ 
mit ihre eigene. Heute haben sie die Quittung für 
ihr törichtes Verhalten. Viele Arbeiter Mittel⸗ 
deutschlands glaubten, sie dienten sich, wenn sie in 
gelben oder „vaterländischen“ Verbänden mitwirkten. 
Deren Tätigkeit kommt nur dem Unternehmertum 
zustatten, andernfalls dieses solche Verbände ja gar 
nicht unterstützte. Der jetzige Kampf ist ja auch ein 
irurer Beweis dafür, daß die gelben oder „vaterlän— 
dischen“ Verbände den Arbeitern schaden. Wäre es 
anders, dann brauchte doch der jetzige Kampf nicht ge⸗ 
führt zu werden. So erkennen wir, daß in Miittel— 
deutschland der unzweideutige Beweis erbracht wurde, 
daß die Arbeiterschaft nur dann auf ihre Rechnung 
kommen kann, wenn sie in möglichst großer Zahl den 
Hewerkschaften angehört. Diese Erkenntnis ist auch 
nützlich für unser Gebiet, wo die Kommunisten mit 
allem Eifer dabei sind, die Gewerkschaften zu be⸗ 
kämpfen und den gewertschaftlichen Gedanken zu 
verekeln. Diese Erkenntnis zu verbreiten und die 
organisationsfähigen Saarbergleute restlos den Ge— 
werkschaften zuzuführen, muß die Aufgabe aller Ge— 
veorkichaftler in dan nächsten Tagen und Mochen sein 
Unterftützt die zämpfenden Kameraden 
in Mitteldentschland 
Vorstehend haben wir nochmals darauf verwiesen, 
daß das Unternehmertum zusammensteht und sich 
gegenseitig hilft. Daraus müssen wir Arbeiter die 
richtigen Schlußsolgerungen ziehen. Wir müssen uns 
auch gegenseitig helfen. Worte dienen da nicht 
ondern nur praktische Taten. 
Unser Hauptvorstand hat dem Ernst der Lage und 
der Bedeutung des Kampfes gemäß zur praktifchen 
Tat aufgerufen. Er hat beschlossen, daß zur Unter— 
stützung der kämpfenden Kamoraden in Mittoldeutsch— 
Laue 
Lehren für uns 
Im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau stehen 
unsere Kameraden seit Montag, den 17. Oktober. im 
Streik. Ihnen gegenüber steht ein hartnäckiges 
Unternehmertum, das die Forderungen der Organi⸗ 
sation glatt ablehnte. Es blieb somit nach Er— 
schöpfung aller Mittel kein anderer Weg mehr übrig 
als durch Meñnng doer Kräite don Ganflitt quszu— 
tragen. 
Der ausgebrochene Kampf wird sicherlich kein leich— 
ter sein. Das ganze Unternehmertum ist daran inter— 
essiert, den Arbeitern eine Schlappe beizubringen 
In der letzten Nummer gaben wir seine Kampfmaß 
nahmen bekannt. Durch Ablehnung der berechtigter 
Arbeiterforderungen treibt das Unternehmertum be— 
stimmter Gebiete die Arbeiter in den Streik. Es 
hofft damit, die Front der Arbeiterschaft zermürben 
zu können. Ist die Zermürbungstaktik von Erfolg 
dann gedenkt es zum Hauptschlage auszuholen. Daß 
25 dabei ist, aus dem Ertrage der Produktion auf 
Kosten der Arbeiterlöhne einen „Streikfonds“ zu 
ammeln. haben wir aleichfalle hekannt gegeben 
jedes Mitglied Extrabeiträge 
leisten muß. Dieser Aufforderung und unbedingten 
Rotwendigkeit wollen wir geschlossen nachkommen. 
Wir wollen uns dankbar daran erinnern, daß pren 
Kameraden im Reiche uns reichlich unterstützt haben, 
als wir den hunderttägigen Kampf im Jahre 19238 
ührten. Ohne die tatkräftige Unterstützung unserer 
Kameraden im Reiche wäre es unmöglich gewesen, 
diesen Kampf solange auszuhalten und zu unseren 
Gunsten zu beenden. Jetzt müssen wir den Beweis 
erbringen. daß es uns keine Phrase it. wenn wir be— 
mMmon?
	        
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