Aummer 42
aarheilcken, den 15. Oltober 1927
XR. Sahrgang
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlanos für das Saargebiet
e en ihnedn gtatis. — Fuͤr wirtschaftli che u. g eistige Hebunc J——— d r Werhuapoenz Sauinͤns...
—N ieeeze — des Bergarbeiterstandes ot e 9 8 — am
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Arbeiter erwache!
Einige Bemerlungen.
Obschon alle Menschen gleichwertige Geschöpfe des
ewigen Herrgottes sind, werden sie hier auf Erden
höchit ungleichwertig behandelt. Seit alter Jeit ijt
es so. Immer verstand es eine verhältnismäßig kleine
Herrenschicht, die Masse des Volkes in Schach zu halten
und für sich arbeiten zu lassen. Seinen schlimmsten
Ausdruck fand dieser Zustand in der Stlaverei und
der Leibeigenschaft.
In den „mobernen“ Ländern ist der Zustand der
alten Sklaverei und Leibeigenschaft überwunden.
Die Verfassungen haben alle Staatsbürger zu politisch
lreien und ebenbürtigen Vienschen erklärt. Politische
und sonstige Vorrechte, die früher mit „Besitz und Bil
dung“ verbunden waren, sind weggeräumt.
Und doch: die ungleichwertige Behandlung ist noch
immer zu verzeichnen, vielleicht noch viel schlimmer
als je. Wirtschafts,kapitüne“, Geld, könige“, Han⸗
delsherren“ herrschen. Sie herrichen national und
international. Ihrem Willen gehorcht die Wirtschaft,
die doch den Menschen insgesamt dienen soll. Sie
pfeifen ausf Verfassungen und Menschenrechte. Macht
und Erwerb ist Losung und Jiel.
So ist der Sinn der Wirtschaft völlig umgelehrt
Der werktätige Mensch ist in ihr faft nur Objett
Moderne Sklaverei ist zu verzeichnen. Der lebendige
Mensch wird geringer bewertet als die Maschine. An
Lohn gibt man ihm so viel, daß die nackte Arbeits
kraft gerade noch erhalten bleibt. So ist der Arbeiten
zu einem Leibeigenen der Wirtschaft gemacht. Einei
Wirtschaft, die sich nichts an sittliche Normen stör—
und jegliche Ethik in die Rumpeltkammer verbannt.
Und das im Zeitalter der „Demokratie und Selbst⸗
bestimmung der Völker“! Im ZJeitalter des freiesten
Wahlrechtes! Der Arbeiter politisch den früheren
Monarchen gleich! In der Wirtichaft aber ein Sklave
und Leibeigener! ...
Ist das übertrieben? Bei Gott nicht! Machen win
doch die Augen auf und sehen wir die Dinge richtig
Am Wahltage kann der Arbeiter genaun die Macht
entfalten mit seiner Stimme wie der Geld, könig“.
Und doch beherrscht der Geld,könig“ mit dem Wirt
— die Wirtschaft. In der Wirtschaft ijl
er Arbeiter eine Nummer, eine tote Sache, ein
Etwas, das in der Kallkulation eine gewisse Rolle
spielte. So viel Arbeiter mal so viel Produktions:
ertrag mal so viel Gewinn: das ist die Rechnung, in
der der Arbeiter figuriert. Sein Lohn — in dem si
ein guter Teil seiner Bewertung durch die Wirtschaft
ausdrückt —, wird nicht nach seinen Lebensbedürf:
nissen bemessen, sondern in allergrößter Rücksicht au
den Gewinn, auf dem die Vacht der Geldmenicher
and Wirtschafts, führer“ beruht.
Der Arbeiter spürt und fühlt das. Eine Lalt drück
auf ihn, die ihm die Freude nimmt und sein Leber
vpergüäillt. Dieses „aus⸗der⸗Hand⸗in⸗den⸗Plund⸗-leben“
entehrt ihn, entehrt das — das Seelische in
ihm. Immer dieses Darben, dieses Angst⸗haben⸗m ü
jen, die Familie nicht richtig ernühren zu können
Auf der anderen Seite sieht er den sich mehrenden
Luxus — trotz des immerwährenden Gestöhns von
der „notleidenden“ Wirtschaft, dem „bankrotten“
Vlittelstand —, liest er von dem steigenden Beijucht
in den Kurorten und Bädern, die sich selbit von Jahr
zu Jahr vermehren, von dem Anschwellen des Stro
— MXä 9 Ausland (obschon wir
m Inland das Geld so nötig haben), hört er von 8
verschle ierten“ Bilanzen und Steuerbrückerbergerei. nurr 1.2351 Milltarden Mar
Da würgt ihn etwas, da kommt sein Inneres in Auf- »erdienten. (Beilage zum „Reichsarbeitsblatt“ Nr
ruhr, was sich auch mal so oder so äufzert — aber die 161827.) Die jetzige Erböhung der Beamtengehäl—
richtigen Konsequenzen zieht er nicht. Seine Macht ter erfordert also 217 Millionen Mark mehr, wie die
lüht er ungenutzt, seine Kraft läßt er in „radikalen“ gesamten deutschen Bergleute im ganzen Jahre 1926
Wortentladungen verpuffen. ahmt dann und wann verdienten. Im einzelnen stellt sich die den Beamten
aurch mal „Kommerse“ nach, stolziert hinter der setzt zugesagte Gehaltserhöhung auf 18 bis 33 Proz
„dicken Trommel“, — alles eitler Plunder, fades Sie wird mit der Notlage der Beamten begründet.
Zurrogat, betörende Seifenblasen. Und die Mäch⸗ Der Reichsfinanzminister erstrebt die Erböhung mil
tigen und Herrscher — die zwar keine Kronen mehr Worten und Riitteln, die u. E. ein die Finanzlage
tragen — lachen und freuen sich, daß die „Masse‘ deutschlands übersckauender und sich seiner Verant
iräge Masse bleibt, ihre Kraft nicht wirken läzt in wortung bewußter Finanzminister nicht anwende;
der rechten Weise und so keine Macht erringt. dars. Er schildert die Nat der Reamten in der
Und der Troß der Mächtigen und Herrscher im schwärzesten Farben. Mit keinem Wort erinnert er
Wirtschastsleben? Ja, der schwillt au. schwillt an in daran. dan
illen Voltsschichten und Berufsen, auch in den Be—
ufen, die zu anderem Handeln berufenn sind. Sie
ille wollen es nicht mit den Wirtschaftsgewaltigen
verderben“, da sie etwas zu sagen und zu vergeben
haben. Wer es mit der Viasse hält, wird geächtet,
till, aber gründlich. Da ist es denn bequemer, von
der „unzufriedenen“ Masse zu reden, die da so unbe
rechtigte Ansprüche jtellt, die die „notleidende“ Wirt⸗
chaft nicht erfüllen kann. Und es ist „moderner“ und
chließlich sehr einträglich, von den „hetzerischen“ Ge—
verlschaftssekretären zu reden, die ihres „Bauches“
wegen die Masse aufwiegeln. Ja, ja so ist es — der⸗
weil aber füllt sich der Kessel immer mehr mit
Explosivstoff, bei dessen Entladung es zu spät ist Ge⸗
nissenserforschung anzustellen und Umkehr zu halten.
Arbeiter, seid nicht länger Toren! Erkennt enbdlich,
zaiz uns nur die Selbsthilfe voran bringt. Unsere
igene Kraft muß Aenderung schaffen. In seine
igene Kraft muß jeder Vertranen haben. Und die
straft aller muß zusammen wirken in der Gewerb
cha ftsbewegung. Nur die Gewertichaitsbewequng iĩt
imstande, die notwendige Aenderung herbeizuführen.
Sie kann die Aenderung aber nur dann herbeiführen,
wenn die Arbeiter ihr angehören. Tausende und
Abertausende des eigenen Berufes und anderer Be⸗
cufe peygr ihr noch sern. Die fadenscheinigsten
Gründe bilden die Ursache. Sie müssen ausgeräumt
werden. Es geht um eine andere Bewertung der Ar⸗
zeiterschaft in der Wirtschaft. Kein Wirischaftsführer,
lein Geldkönig, kein Handelsherr. bein Handwerker,
tein Landwiri wird uns das schaffen. Selbst ipe
wir es zwingen. Wir haben darauf ein Anrecht. Der
Nensch ist das Höchste in der Wirischaft, der Mensch,
der schafft und mit seinem Schweiße die Produktion
egnet. Diesen Zustand zu erringen, die moderne
Stlaverei und Leiheigenschaft zu beseitigen: das mun
das Ziel aller Arbeiter sein. Soll das Jiel erreicht
werden, dann müssen Opfer gebracht werden, Opfer
un Zeit und Geld, dann muß die Arbeiterschaft geistig
höher steigen, dann muß sie sich, soweit sie christlich
va restlos in unjserer Gewerlichaftsbewegung ver⸗
einigen.
—XC des Gewerkhereius czristlicher Bergleute
zur Lohnfrage
die produltir tätigen
Bevölkerungsschichten,
die doch die Mittel für die Gehaltserhöhung auf⸗
bringen müssen. zum weitaus größten Teil ein viel
zjeringeres Einkommen haben, wie selbst die Beam⸗
en der unteren Gehaltsgruppen.
Die Reichsregierung mißt offensichtlich mit zweier⸗
lei Maß. Sie ist ungerecht. Den heute schon Besser⸗
gestellten will sie erheblich mehr geben. An die, die
— ueisten Not leiden und darben. aber denkt sie
Wir erheben gegen diese von der Reichsregierung
ag⸗ 25tigteit schärfiten
rotest.
Wir verlangen Gerechtigkeit. Wir fordern. daß in
erster Linie auch denen geholfen wird, die trotz ge⸗
jährlichster Arbeit das geriugste Einkommen haben.
Der Reichsfinanzminister führte in Magdeburg
hei den Beamten aus, daß er das Geld für die ge⸗
plante Gehaltserhöhung für die Beamten bereits
beschafft habe. Wir stellen fest, daß der Herr Reichs⸗
inanzminister dringend notwendige und vom deut⸗
schen nationalen Standpunkt aus wünschenswerte
Ausgaben verhinderte. Eine Entschädigung der
Bergarbeiter, die wäührend des Ruhrkampfes wirt⸗
jchaftlich furchtbar geschädigt und in die größte Not
gebracht wurden, ist noch nicht erfolgt. Der Reicks⸗
finanzminister schaffte quch noch vor wenigen Mia—
naf⸗en
die Saargängerzulage ab.
Zeitweise wurde den im Saargebiet unter der Fran⸗
tlenwährung arbeitenden, aber außzerhalb des Saar⸗
gebietes wohnenden deutschen Berglenten eine kleine
Zulage gezahlt. Die Entschädigung für die von den
Saargängern in deutscher Mark aufzubringenden
Fahrgelder betrug im Monat insgesamt nur wenige
hunderttausend Mark. Der Reichsfinanzminister
weigerte sich, diese wenigen hunderttausend VBark au
die sich in unglaublicher Notlage befindlichen Saur⸗
aünger weiter auszuzahlen. Für die im Kampf für
das Deutschtum im ersten Trefsen stehenden und viel⸗
fach hungernden Saarberglente ist nicht ae⸗
tügend Geld da.
Sodann halten wir uns für verpflichtet, darauf
hinzuweisen, dah das Vertzalten des Reichsfinanz⸗
ninisters
die Gefahr einer nnen Jafatien
deraufbeschmört. Die von ihm so scharf befürworteten
Mehrausgaben sind vollständig unproduktis. Sie
münsen deshalb bei ihrem gewaltigen Ausmaße eine
Schädigung unserer Währung zur Folge haben.