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statt. Die Belegschaften der Inspektionen rückten
teils in geschlossenem Zuge zu Fuß nach dem Ver
sammlungsplatz. An 30000 Bergleute dürften dorr
versammelt gewesen sein. In kurzen Ausführungen
schilderten die Kameraden Kiefer, Schwarz und
Klimke die gegenwärtige Lage im Bergbau und die
Auffassung der Organisationen. Die Kundgebung
sollte ein Rotrufsder Bergleute an die zu—
standigen Stellen sein, den traurigen Verhältnissen
im Saarbergbau ein Ende zu bereiten. Sie sollte
auch als Rusdruck der Einigkeit gelten, die
alle Beroleute in dem Streben nach Beseitigung der
Schwierigkeiten beseelt. Nach den Ausführungen de—
Gewrcischaftsvertreter nahmen die Versammelten di—
weiter unten folgende Entschließung einstimmig ar
und beschlossen die Absendung der gleichfalls unter
bekannt gegebenen Telegramme.
AUn die Versammlung schloß sich ein Zug an, um
den Abmarsch der großen Masse in geordneter Weise
zu vollziehen und der Bergwerksdirektion die Einig—
keit der Bergleute eindrucksvoll kund zu geben. Wenr
die Kommnnisten nun eine Sonderaktion veranstal
teten. vor der Bergwerksdirektion und dem Regie.
rungsgebäude nach ihrer Art „demonstrierten“, dann
tragen sie allein die Verantwortung für die Folgen
die daraus entstanden. Traurig ist es nur, daß irre
geführte Arbeiter die Hiebe der Polizei empfingen
während die kommunistischen Anstifter, die sie in di
Gefahr getrieben hatten, im Schutze der Polizeidirek
tion saßen und so taten, als ob sie nun „verhandel
ten“. So schloß die anfänglich eindrucksvolle Kund
gebung durch die Schuld fanatischer Parteimenscher
mit einem bösen Mißton. Für unsere Mitglieden
aber wird das Erlebnis nunmehr den Schlußbewei—
erbracht haben, daß es der kommunistischen Partei
führung niemals um die Wahrung der Arbeiterinter
essen zu tun ist, sondern nur um übelstes Parteigeschäft
Im Interesse des Parteigeschäftes störten sie die Kund
gebung, verwischten sie deren Eindruck und unter
gruben sie die notwendige Einigkeit. „Kampf der
Gewerkschaftsführung mit allen Mitteln“, das war
die Parole, nach der sie handelten. So muß die ge—
werkschaftlich organisierte Arbeiterschaft nunmehr
nach zwei Fronten kämpfen: gegen die Unternehmen
und Kommunisten. Um den Kampf erfolgreich zu be
stehen, muß unsere Mitgliedschaft in ijeder Lage hin
ter ihrer Führung bleiben
Die Entschließung der Dreißigtausend
Die am 8. August ds. Is. im Ludwigsparl versammel
len dreihßigtausend organisserten Bergleute der Saar
gruben uud Mitglieder der Tarifverhände, vroteltiere
gegen
die dauernd eingelegten Feierschichten,
drerch welche die Not der Bergarbeiterfamilien zur Un—⸗
erträglichkeit gesteigert wird. Die Versammelten sind
überzeugt, daß durch Maßnahmen des franzöfischen Staates
als Arbeitgeber der Saargruben diesem Zustand ein Ende
gemacht werden kann. Dies umsomehr, da Frankreich
jährlich mehr Kohlen einführt, als die Saargruber
lördern.
Insbesondere protestieren die organiserten Beraarbei
ter der Saargruben gegen
die rücksichtslosen Massenentlassungen
durch die Grubenverwaltung. Ohne Rückssicht auf ihr Alter
werden zum Teil Kranke, Unsfallverletzte und Kriegsbe
schüdigte ohne Beachtung ihrer Leiden und Familien aul
die Strahe geworfen. Arbeiter, welche den MNut aufbrach
ten, gegen die Ausbeutungsmethoden im Rahmen ihren
gesetzlichen Rechte Front zu machen, sind mißliebig gewor
den und werden ohne Rückücht auf ihre Dienstzeit ent
laffen.
Die versammelten Bergarbeiter verlangen, falls Ent
lassungen nicht zu umgehen sind, nach den Anträgen de
ODrganisationen zu verfahren:
1. daß keine Neuanlegungen erfolgen,
2. daß man die Pensionen und Renten erhöht,
damit die Arbeitsveteranen üich non der Arbeit uurück
ziehen können.
Die Versammelten fordern von der Bergwerksverwal—
tung. dem Verwaltungsrat der Saargruben, sowie dem
franzöfischen Minister der öffentlichen Arbeiten, den be
rechtigten Forderungen der Bergarbeiter zur Erhaltung
ihrer Existenz Rechnung zu tragen. Von der Regierungs
tlomm ission und dem Vöolkerbundsrat wirerwartet,. das
von ihnen die Lebens⸗ und Menschenrechte der Saarhera
arbeiter seschüßst moerden
Telegramm aun den Völkerbundsrat.
Dreißigtausend in Saarbrücken versammelte Bergarbei—
ter protestieren gegen die dauernde Einlegung von Feier—
schichten und rüchsichtslosen Massenentlassungen durch die
sraßnzöfische ßFrubenverwaltung. Wir ersuchen den Völler
bundsrat, Not und Elend im Voölterhundsignrgebiet ab—
zuwenden.
Telegraum an den Verwaltungsrat der Saargruben
und den Minifter der öffentlichen Arbeiten in Paris
Dreihigtanusend in Saarbrücken versammelte Bergarbei
ter verlangen Beseitigung der dauernden Feierschichten
Sie protestieren gegen die rücssichtslosen Massenentlassun
gen im Saarbergbau. Wir ersuchen, im Juteresse der
Existenz der Bergarbeiter um Verhaudlungen und ein so
jortiges Eingartiien
NDeere Saar⸗Bergrnapper
Die unter den Bergarbeitern herrschende Erregung
uchen die Kommunisten in parteipolitischem Inter—
esse auszunutzen. Obschon jeder Bergmann sich dar—
iber klar sein muß, daß in Zeiten von Absatzschwie—
rigkeiten der Streik das verfehlteste Mirtel ist, das
s nur gibt, hezten die Kommunisten auf Anweisung
hrer „Führung“ zum Streit. Die Zusammenstöße
nit der Polizei anläßlich der kommunistischen Radau—
emonstration sollten durch Niederlegung der Arbei
deantwortet werden. Um der Sache das notwendige
Relief zu geben, streuten die Kommunisten am spä
ten Abend die Mär aus, die gewerkschaftlichen Orga—
nisationen hätten den Streik beschlossen. Obschon die
gewerkschaftlich organisierten Bergleute wissen müf
sen, daß ein Streit nicht so ohne weiteres beschlossen
werden kann, folgten doch die Belegschaften einige:
Gruben am Dienstag, den 9. August, der kommu
nistischen Streikparole. So blieben die Belegschaften
der Gruben Velsen, Dudweiler, Reden (West- und
Ostschacht), Jägersfreude und St. Ingbert der Arbei
fern. Im Verlaufe des Dienstags proklamierten di—
Kommunisten den Generalstreik. Da aber inzwischer
die gewerkschaftliche Abwehr auf der ganzen Linie
eingesetzt hatte, folgten der Generalscreikparole an
Miltwoch nur mehr die Belegschaft der Grube Velsen
und Teile der Belegschaften der Gruben Dudweilen
und Camphausen. Am Donnerstag war der kommu
nistische Ansturm ganz gebrochen und der General
treikzauber vorbei.
Es ist natürlich und selbstverständlich, daß die Ge
werkschaften die kommunistischen Tollheiten mit aller
Schärfe bekämpften. Wenn die Halden voller Kohler
liegen, wenn um Absatzgebiete gekämpft wird, wenr
Entlassungen vorgenommen werden, dann darf ein
verantwortungsbewußte Gewerkschaft nimmermeh—
durch Streikmaßnahmen dem Vorhaben des Unter
nehmers Vorschub leisten. Jeder Streik in der gegen
wärtigen Zeit ist für die Bergleute von größtem
Nachteil. Wer das nicht glauben sollte, wird es jo
am Lohntage merken, wenn die Teilnehmer an den
wilden Streiks ihre Torheit mit dem Verluste von
zwei Schichtlöhnen büßen müssen. Lohnverlust un?
Verbitterung ist der einzige Erfolg der kommunisti
schen „Seldentat“. Daran ändern das wüste Ge
schimpfe und die blutigen Drohungen gegen die Ge
werkschaftsführung keinen Deut. Neben großem Lohn
verlust würde ein längerer Streik die Absatzschwie
rigkeiten nur vermehren und der Grubenverwaltung
die beste Gelegenheit zur „Säuberung“ innerhalb dern
Belegschaft geben. Wer dazu die Gelegenheit schaf
en hilft, handelt verbrecherisch.
Wenn der Kommunisten, führer“ „Paul“ im Lud—
piaspark lsaate s(wie werden ihm die Grubenhberren
Nummer 385
afür so dankbar sein!), „daß die Krise im Bergban
des Saargebietes weniger der falschen Absatz⸗- und
Preispolitik der französischen Grubenverwaltung zu—
juschreiben sei“, sondern vielmehr eine Folge der „all.
zemeinen Weltkohlenkrise“ wäre (wörtlich zitiert nach
der „Arbeiterzeitung“ vom 9. August), dann mußt«
der PNann sich auch darüber klar sein, daß man mi—
einem Sturm auf die Polizei und das Regierungs—
gebäude, daß man aber auch mit einem Strei!l
der Saarbergleute die Weltkohlen—
krise und ihre Wirkungen nicht besei—
tigen kann. Er mußte auch wissen, daß die vor
den Kommunisten erhobenen Forderungen, worunten
auch die sofortige Einführung der Sechsstundenschich
iguriert, sich durch einen Streik der Saarbergleut
niemals verwirklichen lassen. Trotzdem die wilde
Aufputschung ihrer Anhänger, trotzdem die unsinnige
Streikparolel Warum das, wenn ich weiß und es
behaupte, daß die Schwierigkeiten, unter denen die
Saarbergleute leiden, in einer allgemeinen Welt—
tohlenkrise ihre Ursache haben? Der Kommunisten—
führer wird doch nicht so dumm sein zu glauben, die
Saarbergleute könnten durch einen Streik die
Weltkohlenkrise beseitigen Warum also
Streik der Saarbergleute, wenn der Kommunisten—
führer die Bergwerksdirektion unschuldig spricht und
behauptet, die augenblicklich schlechte Lage der Saar—
bergleute sei nicht die Folge einer falschen Vreis⸗ und
Absatzpolitik der Bergwerksdireltion?
Die Sonderaktion der Kommunisten im Anschlusse
an die gewerkschaftliche Kundgebung, die „Demon—
strationen“ vor der Bergwerksdirektion und vor dem
Schloßplatze, die Streikparole und wüste Hetze gegen
die Gewerkschaftsführer, alles das diente und dient
nur zur Steigerung der Erregung unter der Berg—
arbeiterschaft, damit diese umso ertragreicher für die
kommunistische Partei werden soll. Das ist das wahre
und einzige Motiv, das die Kommunistenführer lei
tete und weiter leitet.
Es ist tief zu bedauern, daß unsere Mitglieder
allesamt das immer noch nicht einsehen können. An—
dernfalls müßte es längst unmöglich sein, daß kom—
munistische Jünglinge nach Gutdünken die ,RKäder
zum Stillstand“ bringen könnten. Wenn ein Trupp
aufgehetzter Kommunisten, die nicht mal organisiert
sind, Riederlegung der Arbeit fordert, dann beugen
die Gewerkschaftler sich diesem Ansinnen. Damit muß
endlich Schluß gemacht werden! Wenn es nicht anders
geht, dann mit dem Mittel der Selbsthilfe. Die Kom—
munisten haben schon genug Unheil für die Saarberg—
leute gestiftet, sodaß es höchste Zeit ist, daß unsere
Mitglieder sich auf ihre Mannesehre besinnen. Be—
sinnen sie sich darauf und haben sie den Mut zu—
sammenzustehen im entscheidenden Augenblick, dann
ist dem kommunistischen Treiben ein Ziel gesetzt.
Bringen sie das nicht fertig, dann werden die Kom—
munisten nur noch anmaßender, und unsere Mitali⸗
der haben auch die Folgen zu tragen
AUm die Kaufetraft;
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egnstrrrrketzg
Seit dem Zusammenbruch im Herbst 1923 steht die mehr eingelegt wurden und die Lohneinkünfte stie—
deutsche Wirtschaft im schwersten Konkurrenzkampf gen, auf die Steigerung der Kaufkraft eine günstige
auf dem Weltmarkte. Dieser Kampf liegt nicht im Wirkung ausgeübt. Neben der Auswirkung des eng—
Interesse der in Betracht kommenden Volker. Des, lischen Bergarbeiterstreits hat auch die Inangriff—
jalb versucht man moglichst untereinander zu einer nahme des sogenannten Arbeitsbeschaffungsprogram—
Verständigung zu kommen. Augenblicklich gibt es den mes auf die Belebung unseres Innenmarftes guünstio
Hindernisse noch viele im internationalen Handels eingewirkt.
verkehr. Reben der Preiskonkurrenz spielt die Ab— Die oben geschilderte Kaufkraftsteigerung hat sich
schließung der einzelnen Staaten durch Schutzzölle die auf dem Markte für Haushaltswaren und Bedarfs—
größte Rolle. Mit letzterer Frage wollen wir uns artikel sowohl als auch im Textilgewerbe bemerkba—
udgt A den 8 J —A gemacht. Als Rückwirkung ist auch
nsere Wirtschaftsführer haben früher über den 55715 in di
schlechten Geschäftsgang viel gejammert. Die In eine bessere Veschteeenden dieen und anderen
dustrie jammerte, daß keine Aufträge hereinkamen
sie für die Arbeiter keine Beschäftigung mehr habe qzu verzeichnen Die Geschäftsleute haben einen Groß—
usw. Die Folge des flauen Geschäftsganges war, daf teil ihrer Waren abgestoßen und sind in den letzten
die Arbeifslosengiffer zeitweise 23 Wlillionen er Monaten zur Auftragserteilung an die Industrie
reichte Die Wriichastsjführer versuchten dnoekliz übergegangen. Daher auch der teilweise aute Gang
In dieser Industriezweige.
Dieser gute Geschäftsgang wird nun wieder zu
Verbilligung der Warenpreile durch die einer Preissteigerung benutzt. Die Tageszeitungen
Rationalisie rung berichten in den letzten Tagen von Preissteigerungen
der Betriebe usw. zu erzielen. Die Folge der Ratio n Dutzenden von Industriezweigen. Ist diese Preis—
nalisserung war füt die Arbeitnehmerschaft die große leigerung in, Anbetracht der fich chear eden Auf—
Arbeitslosigkeit. Für die in den Betrieben verblei— Fisteentwenlund unserer deutschen Wirtschaft gutzu—
bende Arbeiterschaft brachte die Rationalisterung beißen? Nein! Diese Maßnahmen mögen, von
nicht die von den Unternehmern versprochene Teil erivatwirtschaftlichen Gesichtspunkten aus betrachtet
nahme am Betriebsgewinn. Durch Selbstimtigtipe einen Augenblidsvorteil versprechen; auf weite Sicht
eitens der Unternehmer wurde für die Kauftraft betrachtet, wird eine derartige Handlungsweise sich
teigerung der deutschen Arbeiterschaft nichts geian zum Rachteil auch des nur privatwirtschaftlich einge
Nur unter dem Druc der Gewerischasten wuürden die tellten Unternehmers auswirken. Vollswirtschaftlich
dohne, oft nicht mal im Verhaltnis zu den vorher st. diese Preissteigerung mit Rücsicht auf. die ver—
gegangenen Preissteigerungen erhöht. Zzrößerte Nachfrage vollständig unverständlich. Die
Troßdem macht sich eine starte Belebung unserer Folge dieser allgemeinen Preissteigerung bedeutet
Indusirie demeribar Der englische Bergarbeiter, eine Schwächung der Kaufkraft des Geldes jm allge⸗
ireit mit allen seinen Rebenwirtungen hat'nicht nun Feinen. Wenn die in der Entwicklung begriffene
auf die deunsche Kohlenindusirien nein auch auf Preissteigerung nicht durch eine Einkommenssteige—
imnsere Hütten⸗ und Großeiseninduitrie eine guünstige ung der Lohnempfänger ausgeglichen wird,
Wirkung ausgelöst. Wenn in diesen Gewerben auch dann wird die Preissteigerung eine Verringerung
eine genügenden Lohnerhöhungen für die Arbeitet des Güterumsatzes
janz allgemein im vorigen Jahre herausgekommen m Gefolge haben. Dazu ein Beispiel:
ind. lo hat aber die Tatsache. daß keine Feierlchichten Nehmen wir an dak das Volkseinkommen jährli—e