Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

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statt. Die Belegschaften der Inspektionen rückten 
teils in geschlossenem Zuge zu Fuß nach dem Ver 
sammlungsplatz. An 30000 Bergleute dürften dorr 
versammelt gewesen sein. In kurzen Ausführungen 
schilderten die Kameraden Kiefer, Schwarz und 
Klimke die gegenwärtige Lage im Bergbau und die 
Auffassung der Organisationen. Die Kundgebung 
sollte ein Rotrufsder Bergleute an die zu— 
standigen Stellen sein, den traurigen Verhältnissen 
im Saarbergbau ein Ende zu bereiten. Sie sollte 
auch als Rusdruck der Einigkeit gelten, die 
alle Beroleute in dem Streben nach Beseitigung der 
Schwierigkeiten beseelt. Nach den Ausführungen de— 
Gewrcischaftsvertreter nahmen die Versammelten di— 
weiter unten folgende Entschließung einstimmig ar 
und beschlossen die Absendung der gleichfalls unter 
bekannt gegebenen Telegramme. 
AUn die Versammlung schloß sich ein Zug an, um 
den Abmarsch der großen Masse in geordneter Weise 
zu vollziehen und der Bergwerksdirektion die Einig— 
keit der Bergleute eindrucksvoll kund zu geben. Wenr 
die Kommnnisten nun eine Sonderaktion veranstal 
teten. vor der Bergwerksdirektion und dem Regie. 
rungsgebäude nach ihrer Art „demonstrierten“, dann 
tragen sie allein die Verantwortung für die Folgen 
die daraus entstanden. Traurig ist es nur, daß irre 
geführte Arbeiter die Hiebe der Polizei empfingen 
während die kommunistischen Anstifter, die sie in di 
Gefahr getrieben hatten, im Schutze der Polizeidirek 
tion saßen und so taten, als ob sie nun „verhandel 
ten“. So schloß die anfänglich eindrucksvolle Kund 
gebung durch die Schuld fanatischer Parteimenscher 
mit einem bösen Mißton. Für unsere Mitglieden 
aber wird das Erlebnis nunmehr den Schlußbewei— 
erbracht haben, daß es der kommunistischen Partei 
führung niemals um die Wahrung der Arbeiterinter 
essen zu tun ist, sondern nur um übelstes Parteigeschäft 
Im Interesse des Parteigeschäftes störten sie die Kund 
gebung, verwischten sie deren Eindruck und unter 
gruben sie die notwendige Einigkeit. „Kampf der 
Gewerkschaftsführung mit allen Mitteln“, das war 
die Parole, nach der sie handelten. So muß die ge— 
werkschaftlich organisierte Arbeiterschaft nunmehr 
nach zwei Fronten kämpfen: gegen die Unternehmen 
und Kommunisten. Um den Kampf erfolgreich zu be 
stehen, muß unsere Mitgliedschaft in ijeder Lage hin 
ter ihrer Führung bleiben 
Die Entschließung der Dreißigtausend 
Die am 8. August ds. Is. im Ludwigsparl versammel 
len dreihßigtausend organisserten Bergleute der Saar 
gruben uud Mitglieder der Tarifverhände, vroteltiere 
gegen 
die dauernd eingelegten Feierschichten, 
drerch welche die Not der Bergarbeiterfamilien zur Un—⸗ 
erträglichkeit gesteigert wird. Die Versammelten sind 
überzeugt, daß durch Maßnahmen des franzöfischen Staates 
als Arbeitgeber der Saargruben diesem Zustand ein Ende 
gemacht werden kann. Dies umsomehr, da Frankreich 
jährlich mehr Kohlen einführt, als die Saargruber 
lördern. 
Insbesondere protestieren die organiserten Beraarbei 
ter der Saargruben gegen 
die rücksichtslosen Massenentlassungen 
durch die Grubenverwaltung. Ohne Rückssicht auf ihr Alter 
werden zum Teil Kranke, Unsfallverletzte und Kriegsbe 
schüdigte ohne Beachtung ihrer Leiden und Familien aul 
die Strahe geworfen. Arbeiter, welche den MNut aufbrach 
ten, gegen die Ausbeutungsmethoden im Rahmen ihren 
gesetzlichen Rechte Front zu machen, sind mißliebig gewor 
den und werden ohne Rückücht auf ihre Dienstzeit ent 
laffen. 
Die versammelten Bergarbeiter verlangen, falls Ent 
lassungen nicht zu umgehen sind, nach den Anträgen de 
ODrganisationen zu verfahren: 
1. daß keine Neuanlegungen erfolgen, 
2. daß man die Pensionen und Renten erhöht, 
damit die Arbeitsveteranen üich non der Arbeit uurück 
ziehen können. 
Die Versammelten fordern von der Bergwerksverwal— 
tung. dem Verwaltungsrat der Saargruben, sowie dem 
franzöfischen Minister der öffentlichen Arbeiten, den be 
rechtigten Forderungen der Bergarbeiter zur Erhaltung 
ihrer Existenz Rechnung zu tragen. Von der Regierungs 
tlomm ission und dem Vöolkerbundsrat wirerwartet,. das 
von ihnen die Lebens⸗ und Menschenrechte der Saarhera 
arbeiter seschüßst moerden 
Telegramm aun den Völkerbundsrat. 
Dreißigtausend in Saarbrücken versammelte Bergarbei— 
ter protestieren gegen die dauernde Einlegung von Feier— 
schichten und rüchsichtslosen Massenentlassungen durch die 
sraßnzöfische ßFrubenverwaltung. Wir ersuchen den Völler 
bundsrat, Not und Elend im Voölterhundsignrgebiet ab— 
zuwenden. 
Telegraum an den Verwaltungsrat der Saargruben 
und den Minifter der öffentlichen Arbeiten in Paris 
Dreihigtanusend in Saarbrücken versammelte Bergarbei 
ter verlangen Beseitigung der dauernden Feierschichten 
Sie protestieren gegen die rücssichtslosen Massenentlassun 
gen im Saarbergbau. Wir ersuchen, im Juteresse der 
Existenz der Bergarbeiter um Verhaudlungen und ein so 
jortiges Eingartiien 
NDeere Saar⸗Bergrnapper 
Die unter den Bergarbeitern herrschende Erregung 
uchen die Kommunisten in parteipolitischem Inter— 
esse auszunutzen. Obschon jeder Bergmann sich dar— 
iber klar sein muß, daß in Zeiten von Absatzschwie— 
rigkeiten der Streik das verfehlteste Mirtel ist, das 
s nur gibt, hezten die Kommunisten auf Anweisung 
hrer „Führung“ zum Streit. Die Zusammenstöße 
nit der Polizei anläßlich der kommunistischen Radau— 
emonstration sollten durch Niederlegung der Arbei 
deantwortet werden. Um der Sache das notwendige 
Relief zu geben, streuten die Kommunisten am spä 
ten Abend die Mär aus, die gewerkschaftlichen Orga— 
nisationen hätten den Streik beschlossen. Obschon die 
gewerkschaftlich organisierten Bergleute wissen müf 
sen, daß ein Streit nicht so ohne weiteres beschlossen 
werden kann, folgten doch die Belegschaften einige: 
Gruben am Dienstag, den 9. August, der kommu 
nistischen Streikparole. So blieben die Belegschaften 
der Gruben Velsen, Dudweiler, Reden (West- und 
Ostschacht), Jägersfreude und St. Ingbert der Arbei 
fern. Im Verlaufe des Dienstags proklamierten di— 
Kommunisten den Generalstreik. Da aber inzwischer 
die gewerkschaftliche Abwehr auf der ganzen Linie 
eingesetzt hatte, folgten der Generalscreikparole an 
Miltwoch nur mehr die Belegschaft der Grube Velsen 
und Teile der Belegschaften der Gruben Dudweilen 
und Camphausen. Am Donnerstag war der kommu 
nistische Ansturm ganz gebrochen und der General 
treikzauber vorbei. 
Es ist natürlich und selbstverständlich, daß die Ge 
werkschaften die kommunistischen Tollheiten mit aller 
Schärfe bekämpften. Wenn die Halden voller Kohler 
liegen, wenn um Absatzgebiete gekämpft wird, wenr 
Entlassungen vorgenommen werden, dann darf ein 
verantwortungsbewußte Gewerkschaft nimmermeh— 
durch Streikmaßnahmen dem Vorhaben des Unter 
nehmers Vorschub leisten. Jeder Streik in der gegen 
wärtigen Zeit ist für die Bergleute von größtem 
Nachteil. Wer das nicht glauben sollte, wird es jo 
am Lohntage merken, wenn die Teilnehmer an den 
wilden Streiks ihre Torheit mit dem Verluste von 
zwei Schichtlöhnen büßen müssen. Lohnverlust un? 
Verbitterung ist der einzige Erfolg der kommunisti 
schen „Seldentat“. Daran ändern das wüste Ge 
schimpfe und die blutigen Drohungen gegen die Ge 
werkschaftsführung keinen Deut. Neben großem Lohn 
verlust würde ein längerer Streik die Absatzschwie 
rigkeiten nur vermehren und der Grubenverwaltung 
die beste Gelegenheit zur „Säuberung“ innerhalb dern 
Belegschaft geben. Wer dazu die Gelegenheit schaf 
en hilft, handelt verbrecherisch. 
Wenn der Kommunisten, führer“ „Paul“ im Lud— 
piaspark lsaate s(wie werden ihm die Grubenhberren 
Nummer 385 
afür so dankbar sein!), „daß die Krise im Bergban 
des Saargebietes weniger der falschen Absatz⸗- und 
Preispolitik der französischen Grubenverwaltung zu— 
juschreiben sei“, sondern vielmehr eine Folge der „all. 
zemeinen Weltkohlenkrise“ wäre (wörtlich zitiert nach 
der „Arbeiterzeitung“ vom 9. August), dann mußt« 
der PNann sich auch darüber klar sein, daß man mi— 
einem Sturm auf die Polizei und das Regierungs— 
gebäude, daß man aber auch mit einem Strei!l 
der Saarbergleute die Weltkohlen— 
krise und ihre Wirkungen nicht besei— 
tigen kann. Er mußte auch wissen, daß die vor 
den Kommunisten erhobenen Forderungen, worunten 
auch die sofortige Einführung der Sechsstundenschich 
iguriert, sich durch einen Streik der Saarbergleut 
niemals verwirklichen lassen. Trotzdem die wilde 
Aufputschung ihrer Anhänger, trotzdem die unsinnige 
Streikparolel Warum das, wenn ich weiß und es 
behaupte, daß die Schwierigkeiten, unter denen die 
Saarbergleute leiden, in einer allgemeinen Welt— 
tohlenkrise ihre Ursache haben? Der Kommunisten— 
führer wird doch nicht so dumm sein zu glauben, die 
Saarbergleute könnten durch einen Streik die 
Weltkohlenkrise beseitigen Warum also 
Streik der Saarbergleute, wenn der Kommunisten— 
führer die Bergwerksdirektion unschuldig spricht und 
behauptet, die augenblicklich schlechte Lage der Saar— 
bergleute sei nicht die Folge einer falschen Vreis⸗ und 
Absatzpolitik der Bergwerksdireltion? 
Die Sonderaktion der Kommunisten im Anschlusse 
an die gewerkschaftliche Kundgebung, die „Demon— 
strationen“ vor der Bergwerksdirektion und vor dem 
Schloßplatze, die Streikparole und wüste Hetze gegen 
die Gewerkschaftsführer, alles das diente und dient 
nur zur Steigerung der Erregung unter der Berg— 
arbeiterschaft, damit diese umso ertragreicher für die 
kommunistische Partei werden soll. Das ist das wahre 
und einzige Motiv, das die Kommunistenführer lei 
tete und weiter leitet. 
Es ist tief zu bedauern, daß unsere Mitglieder 
allesamt das immer noch nicht einsehen können. An— 
dernfalls müßte es längst unmöglich sein, daß kom— 
munistische Jünglinge nach Gutdünken die ,RKäder 
zum Stillstand“ bringen könnten. Wenn ein Trupp 
aufgehetzter Kommunisten, die nicht mal organisiert 
sind, Riederlegung der Arbeit fordert, dann beugen 
die Gewerkschaftler sich diesem Ansinnen. Damit muß 
endlich Schluß gemacht werden! Wenn es nicht anders 
geht, dann mit dem Mittel der Selbsthilfe. Die Kom— 
munisten haben schon genug Unheil für die Saarberg— 
leute gestiftet, sodaß es höchste Zeit ist, daß unsere 
Mitglieder sich auf ihre Mannesehre besinnen. Be— 
sinnen sie sich darauf und haben sie den Mut zu— 
sammenzustehen im entscheidenden Augenblick, dann 
ist dem kommunistischen Treiben ein Ziel gesetzt. 
Bringen sie das nicht fertig, dann werden die Kom— 
munisten nur noch anmaßender, und unsere Mitali⸗ 
der haben auch die Folgen zu tragen 
AUm die Kaufetraft; 
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egnstrrrrketzg 
Seit dem Zusammenbruch im Herbst 1923 steht die mehr eingelegt wurden und die Lohneinkünfte stie— 
deutsche Wirtschaft im schwersten Konkurrenzkampf gen, auf die Steigerung der Kaufkraft eine günstige 
auf dem Weltmarkte. Dieser Kampf liegt nicht im Wirkung ausgeübt. Neben der Auswirkung des eng— 
Interesse der in Betracht kommenden Volker. Des, lischen Bergarbeiterstreits hat auch die Inangriff— 
jalb versucht man moglichst untereinander zu einer nahme des sogenannten Arbeitsbeschaffungsprogram— 
Verständigung zu kommen. Augenblicklich gibt es den mes auf die Belebung unseres Innenmarftes guünstio 
Hindernisse noch viele im internationalen Handels eingewirkt. 
verkehr. Reben der Preiskonkurrenz spielt die Ab— Die oben geschilderte Kaufkraftsteigerung hat sich 
schließung der einzelnen Staaten durch Schutzzölle die auf dem Markte für Haushaltswaren und Bedarfs— 
größte Rolle. Mit letzterer Frage wollen wir uns artikel sowohl als auch im Textilgewerbe bemerkba— 
udgt A den 8 J —A gemacht. Als Rückwirkung ist auch 
nsere Wirtschaftsführer haben früher über den 55715 in di 
schlechten Geschäftsgang viel gejammert. Die In eine bessere Veschteeenden dieen und anderen 
dustrie jammerte, daß keine Aufträge hereinkamen 
sie für die Arbeiter keine Beschäftigung mehr habe qzu verzeichnen Die Geschäftsleute haben einen Groß— 
usw. Die Folge des flauen Geschäftsganges war, daf teil ihrer Waren abgestoßen und sind in den letzten 
die Arbeifslosengiffer zeitweise 23 Wlillionen er Monaten zur Auftragserteilung an die Industrie 
reichte Die Wriichastsjführer versuchten dnoekliz übergegangen. Daher auch der teilweise aute Gang 
In dieser Industriezweige. 
Dieser gute Geschäftsgang wird nun wieder zu 
Verbilligung der Warenpreile durch die einer Preissteigerung benutzt. Die Tageszeitungen 
Rationalisie rung berichten in den letzten Tagen von Preissteigerungen 
der Betriebe usw. zu erzielen. Die Folge der Ratio n Dutzenden von Industriezweigen. Ist diese Preis— 
nalisserung war füt die Arbeitnehmerschaft die große leigerung in, Anbetracht der fich chear eden Auf— 
Arbeitslosigkeit. Für die in den Betrieben verblei— Fisteentwenlund unserer deutschen Wirtschaft gutzu— 
bende Arbeiterschaft brachte die Rationalisterung beißen? Nein! Diese Maßnahmen mögen, von 
nicht die von den Unternehmern versprochene Teil erivatwirtschaftlichen Gesichtspunkten aus betrachtet 
nahme am Betriebsgewinn. Durch Selbstimtigtipe einen Augenblidsvorteil versprechen; auf weite Sicht 
eitens der Unternehmer wurde für die Kauftraft betrachtet, wird eine derartige Handlungsweise sich 
teigerung der deutschen Arbeiterschaft nichts geian zum Rachteil auch des nur privatwirtschaftlich einge 
Nur unter dem Druc der Gewerischasten wuürden die tellten Unternehmers auswirken. Vollswirtschaftlich 
dohne, oft nicht mal im Verhaltnis zu den vorher st. diese Preissteigerung mit Rücsicht auf. die ver— 
gegangenen Preissteigerungen erhöht. Zzrößerte Nachfrage vollständig unverständlich. Die 
Troßdem macht sich eine starte Belebung unserer Folge dieser allgemeinen Preissteigerung bedeutet 
Indusirie demeribar Der englische Bergarbeiter, eine Schwächung der Kaufkraft des Geldes jm allge⸗ 
ireit mit allen seinen Rebenwirtungen hat'nicht nun Feinen. Wenn die in der Entwicklung begriffene 
auf die deunsche Kohlenindusirien nein auch auf Preissteigerung nicht durch eine Einkommenssteige— 
imnsere Hütten⸗ und Großeiseninduitrie eine guünstige ung der Lohnempfänger ausgeglichen wird, 
Wirkung ausgelöst. Wenn in diesen Gewerben auch dann wird die Preissteigerung eine Verringerung 
eine genügenden Lohnerhöhungen für die Arbeitet des Güterumsatzes 
janz allgemein im vorigen Jahre herausgekommen m Gefolge haben. Dazu ein Beispiel: 
ind. lo hat aber die Tatsache. daß keine Feierlchichten Nehmen wir an dak das Volkseinkommen jährli—e
	        
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