Nummer 30
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daß stundenlange Förderpausen, denen nachher ein
Uebethasten folgen muß, eintreten. Aus demselber
Grunde sollen alle Fördereinrichtungen, Bremsen
Seile, Förderschlitten, Fördergerippe usw., ständig
in gutem Zustande gehalten und zeitig erneuert wer—
den, damit man beim Arbeiter nicht das bekannte
Wort hören muß: „Wir verhungern auf der
Kohlen.“
Zum Schlusse sei auch noch auf
die Brauchbarkeit und gute Instandhaltung des
Geleuchtes
hingewiesen; denn ein dunkler Bergmann ist eir
armer Mann, d. h. er kann nicht viel leisten, abge—
sehen von allen möglichen Gefahren, in die er ge—
raten kann. Die Grubenlampe muß genügend Leucht
effekt geben; sie muß handlich und nicht überemp—
findlich sein, damit sie nicht bei der geringsten Er—
schüttetung erlischt, sse muß eine genügende Brenn
dauer haben, damit nicht mehrere Arbeiter, wie schon
oft vorgekommen, bei einer Lampe im Halbdunkel
arbeiten müssen. Daß ein solches Arbeiten der
Leistungs- und Lohnbildung nicht förderlich lein
kann, liegt auf der Hand.
In Vorstehendem ist nur eine Reihe von Umstän
den aufgezählt, die mehr oder weniger ungünstig au'
die Lohnerzielung des Bergarbeiters einwirken
Aber auch auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes
sind die Punkte von Einfluß. Und es dürfte wohl
auch im Interesse der Verwaltung und Betrieb—
leitung liegen, solche Mängel weitmöglichst abzu—
stellen. Was wollen alle Rationalisierungsmaß—
regeln bedeuten, wenn man selbst diese durch allerle
Fehler und Mängel sabbotiert. Nikel.
Belehung des Binnenmarktes
durch Steigerung des Regleinzommens
Verlängerung der Arbeitszeit und Senkung der
Nominallöhne, so lautet die These des Unternehmer
tums zur Hebuͤng der wirtschaftlichen Schwierigkeiten
Die Arbeilervertreter setzen die Antithese entgegen
Belebung des Binnenmarktes durch Steigerung des
Realeinkommens bei verkürzter Arbeitszeit. Es ist
nicht hinwegzuleugnen, daß durch Verlängerung der
Arbeitszeit weitere Arbeitslosenscharen entstehen und
durch Senkung der Nominallöhne keine Belebung des
Binnenmarktes erfolgen kann. Setzt man noch in
Rechnung, welche Vorteile die Rationalisierung dem
Unternehmertum bringt, dann machten site zwar bei
Verwirklichung ihrer Forderungen ein gutes Geschäft
aber die breiten Massen des Volkes hätten das Nach
sehen und der Binnenmarkt fände nicht die notwen—
dige Belebung, weil die breite Masse neben dem
allernotwendigsten nichts kaufen könnte. Die Rück—
wirkungen auf die übrigen Erwerbszweige des Vol—
kes brauchen nur angedeutet zu werden. Es ist schor
richtig, daß bei einer gut rationalisierten und techni
siesten Wirtschaft, die bei verkürzter Arbeitszeit
ein weit größeres Produkt wie früher zu
stande bringt, nur durch die Erhöhung des Real.
lohnes die notwendigen Absokmöalichkeiten auf dem
·
Vischof von Ketteler und die Arheiter
Zum Gedenken an seinen 50. Todestag.
Vor nunmehr 50 Jahren schloß der große soziale Main—
zer Bischof, Wilhelm Emanuel v. Ketteler, seine Augen
für immer. Große Trauer erfaßte das deutsche katholische
Volk, dem sein hervorragendster Führer gestorben war
Aber auch die Arbeiterschaft trauerte schmerzbewegt um
den Heimgegangenen, der in der Zeit seines bischöflichen
Wirkens in Wort und Schrift für ihre gerechte Wertung
und Anerkennung gekämpft hatte. Tiefe Ergrifienheit er—
faßt einen, wenn man seine Predigten und Schriften
studiert, die er der sozialen Frage, die er den am Boden
liegenden Menschenbrüdern, den Arbeitern, widmete. Scho
nungslos geißelte er die Zustände, die eine falsch orien
tierte Wirt'chaftslehre jür die Arbeiterschaft im Ge—
folge hatte. Er verwies darauf, daß das Abwenden der
modernen Wissenschaft von den ewigen Heilswahrheiten
des Christentums die Grundursache des Elends sei, unter
dem die Arbciterschaft litt. Der tatkräftige Bischof lief
es aber nicht bei einer Kritik der Zustände bewenden
Er zeigte auch die Wege und Mittel, wie der am Boder
liegenden Arbeiterschaft zu helfen ist. Als Grundjunda,
ment für alle Besserungsbestrebungen bezeichnete er das
Christentum, das im ewigen Gott selbst fundiert ist. Ohn⸗
Religion und Sittlichkeit wird es keine wahrhafte Besse
rung für die Arbeiterschaft geben. — Das ist sein Testa—
ment an die Arbeiter, die er so sehr liebte. Dieses Testa—
ment enthält die Wahrheit. Darum wollen wir christ
liche Arbeiter es besolgen unser ganzes Leben hindurch
Als Christen der Tat wollen wir im Leben wirken, und
jo dem hochseligen Vorkämpfer für Arbeiterrecht und
VTrsReiterehre Unsern Donf darhringer
Kertelers Predigien und Schriiten hat Johannes Mum—
dauer ausgewählt und in drei schmuden Bändchen im
Verlag der Kösel'schen Buchhandlung in Kempten und
Ptünchen berousdgeaben. Dem dritten Rande, der di—
Jor S M
Zinnenmarkte geschaffen werden können. Aus diesem
Grunde führen die christlichen Gewerkschaften sei—
längerer Zeit einen zähen Kampf für Steigerung de—
Realeinkommens. Dieser Kampf hat zwei Ziele
direkte Erhöhung des Realwertes des Lohnes durck
Lohnsteigerung und indirekte Erhöhung durch Preis—
senkung. Auf dem ersten Gebiete wurden Fortschritte
erzielt, die aber wieder verloren zu gehen drohen
durch Preissteigerung. So wird denn zur Zeit ein
ziemlich heftige Kampagne von den christlichen Ge—
werkschaften gegen die Vreisbildung und Preishöh—
geführt.
Zu den schwebenden Fragen nahm auf einer Kon—
erenz des Gewerkvereins in Gladbeck, die am 26. 6
tattfand, unser Vorsitzender Im busch eingehend
Stellung. Die Hauptpunkte seiner Ausführungen
wollen wir nachstehend bekannt geben, damit unser«
Mitglieder wissen, worum der Kampf in diesen und
den kommenden Tagen sich dreht
Wirtschafts und sozialpolitische Fragen
Im Wirtschaftsleben bestehen seit Jahren Schwie—
rigkeiten. Die Produktionsmöglichkeiten sind gestei—
zert, dagegen ist der Absatz beschränkt, wobei die Ver
armung der Verbraucherkreise eine Hauptursache ist
Wenn die Millionen kaufen könnten, hätten ander—
Millionen Arbeit. Außerdem haben wir in Deutsch
land nach einer Schätzung des Reichsarbeitsministe
riums heute vier bis viereinhalb Millionen Arbeite
mehr als vor dem Kriege. So erklärt sich die Arbeits
ssiakeit. und eine der wichtigsten Fragen ist:
Wie bringen wir die Leute in Arbeit?
Das Rezept vieler Unternehmer, weniger Lohn und
nehr arbeiten, schafft das Uebel der Arbeitslosigkei
nicht aus der Welt. Miteinanderarbeiten der Völ—
ker, Beseitigung der künstlichen Hemmungen de—s
Weltwirtschaftsverkehrs, Einschränkung der Zoll
schranken, Abschluß guter Handelsverträge, Regelung
und Beseitigung der internationalen Kriegsverschul—
den, Beseitigung der Reparationslasten, Verbesserung
und damit Verbilligung der Produktion ist not
vendig. Vor allem müssen die breiten Massen kauf—
lkräftig gemacht werden. Daß der innere Markt die
Hrundlage für die gesamte Wirtschaft ist, wird heute
auch schon in anderen Kreisen mehr eingesehen wie
1924, wo die Unternehmer in niedrigen Löhnen da—
JIIReismittel erblickkten. Troßdem
auf dem Gebiete der Sozialpolitik vieles erreicht
wurde, ist noch manches zu tun. Für die Hilfsbedürf—
tigen müssen wir sorgen aus Menschlichkeit, aber auch
oon wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus. Dabei sind
Grenzen gezogen in der Aufbringung der Mittel
Man darf den arbeitenden Teil der Arbeiterschaft
nicht so belasten, daß er zugrunde geht. Vor allem
aber müssen die Beiträge sachlich und pflichtgemäß
erwendet werden. So auch besonders in der Knapp—
chaft. Weiter sind als
nächste Aufgaben
zurchzuführen die Arbeitslosenversicherung, das Ar⸗
eiterschußgeset. besonders das Bergarbeitergesetz ist
ozialen Schriften und Predigten umfaßt, entnehmen wi—
olgende Abschnitte, die wir dem besonderen Studium un—
erer Mitglieder empfehlen.
Die erste Forderung des Arbeiterstandes ist:
eine dem wahren Werte der Arbeit entsprechende
Erhöhung des Arbeitslohnes.
Diese Forderung ist im allgemeinen höchst billig; auck
die Religion kordert, daß die menschliche Arbeit nicht wie
eine Ware behandelt und ledialich durch An- und Abaebo
ebgeschäst wird.
Dahin hatten es die vorhin erwähnten volkswirtschaft—
lichen Grundsätze, die von jeder Sittlichkeit und Religion
abstrahierten, gebracht. Die Arbeit wurde nicht nur als
Ware, sondern der Mensch mit seiner Arbeitskraft über—
haupt als Maschine betrachtet. Wie man die Maschine
so billig als möglich gekauft und sie dann Tag und Nach
ausnutzt bis zu ihrer Zerstörung, so wird der Mensch mi⸗
seiner Kraft nach diesen Systemen gebraucht. Diese Ent
wicklung hatte in England bereits eine erschreckende Höhe
erreicht. Dagegen entstanden vor allem die englischer
Trade-Unions, welche bald eine sehr große Ausdehnunt
gewannen.“ Nachdem der Bischof deren Erfolg auf den
Lohngebiete geschildert, jährt er wie folst fort:
„Dieses Bestreben nach rechtmäßiger Erhöhung de—
Lohnes ist gewiß nicht verwerflich. Das die menschlich
Arbeit auch entsprechenden Lohn empfange, ist eine For
derung der Gerechtigkeit und des Christentums.
So sehr aber das Bestreben berechtigt ist, für die
Menschenarbeit einen anderen Lohn zu erringen als für
Maschinenarbeit, was gleichbedeutend mit dem ist, der
Menschenarbeit und dem Arbeiter seine Menschenwürde
zurückzugeben, die ihnen die Grundsätze der libetalen
Volkswirtschaft geraubt hatten, so sehen wir doch schon
hier, biebe Arbeiter, daß dieses Bestreben nur dann euck
wahren Nutzen bringen und nur dann von bleibendem
Erfolge gekrönt werden wird. wenn es im innigen Zu—
ammenbange mit der Religion und Sittlichkeit bleibt
—
Di- 3Wit⸗- Xorderung desg Arbeiterstandes H
Seite 3
rötig. Die Arbeiter müssen bei der Verwaltung der
Verficherungen mehr zur Geltung kommen, besonders
n der Unfallversicherung. Die ganze Arbeiter⸗ und
Angestelltenversicherung kann von den Arbeitern und
Angestellten allein verwaltet werden. Die Arbeit—
zeber brauchen wir nicht dazu. Sind doch die Bei—
kräge zu den Versicherungen ein Teil des Arbeits—
lohnes.
Wir wollen mehr praktische Gleichberechtigung
und auskömmliches Einkommen
sowie mehr Beteiligung am Besitz. Zur Hebung des
Reallohnes müssen wir uns energisch regen. Die
Spanne zwischen Erzeuger- und Verkaufspreisen ist
viel zu hoch. Die Rationalisierung muß eine Verbil—
igung der Produkte bringen, sonst ist sie sinn- und
wecklos. Preiserhöhungen erfolgen viel zu leicht—
ertig. Das gilt auch für die angestrebte Kohlen—
reiserhöhung sowie die Erhöhung der Postgebühren
Arbeiter und Angestellte müssen sich ganz anders
zur Geltung bringen.
Schulung und persönliche Opferwilligkeit ist notwen—
dig. Wir müssen uns zur Verfügung stellen für unsere
Bewegung. Auf wirtschaftlichem wie politischem Ge—
biete gilt es, die Ellbogen zu gebrauchen. Wir wol⸗
len gleichberechtigt sein und müssen auch dafür sorgen,
daß wir in jeder Beziehung gleichwertig sind. Ja,
wir müssen tüchtiger sein als die anderen, weil wir
uins den Platz, den jene inne haben erst erkämpfen
nüssen.
Durch Gesetze allein ist es nicht zu machen.
Die Vergangenheit hat dieses bewiesen. 1907 wur—
den in Elsaß-Lothringen erst, als dort der Gewerk⸗
verein seine Macht entfalten konnte, die Bergarbei⸗
terschutzbestimmungen und -versicherungen eingeführt,
nachdem diese Gesetze schon 30 Jahre bestanden. Wie
waren früher die Revisionen der Bergbehörden? Die
Revierbeamten wurden durch die Zeche abgeholt, und
vo sie hinkamen, war natürlich alles in Ordnung.
Nicht auf die Gesetze können wir uns verlassen,
nicht auf andere, sondern auf uns selbst!
Durch Mitarbeit und Pflichterfüllung erreichen
wir. was uns noch fsehlt.
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Kassenhericht des Gewerkrereins
hristlicher Vergarbeiter für das Jahr 1926
Titel Einnahmen Betrag
Mark
Barbestand am 31. Dezember 1925 1028 152,12
Zinsen 55 417,66
Nitgliederbeiträge 868 348,57
Beitrittsgelder 10 258,12
Abonnementsgelder 17 023,83
Inserate —A
Sonstige Einnahmen 24 95470
Summe der Einnahmen: 3 28 28
die Verlürzung der Arbeitszeit.
Ich kann nicht beurteilen, inwieweit ihr in dieser
Segend über die Dauer der Arbeitszeit zu klagen habet.
Gewiß ist es aber, daß es mit der Arbeitszeit gerade so
zegangen ist wie mit dem Arbeitslohn. Die Grundsätze
der modernen Volkswirtschaft, die alle fittlichen und reli—
aiösen Seiten des Menschenlebens, also das wahrhait
Menschenwürdige, gängzlich auber acht ließ, haben es
dahin gebracht, daß, wo immer das Kapital in ihren
Diensten stand, nicht nur der Lohn bis zur äußersten
Grenze herabgeboten, sondern auch die Arbeitsseit gleich⸗
zeitig bis zur äußersten Grenze ausgedehnt wurde. Tag
und Nacht, wie bei der eigentlichen Maschine ging es
nicht; aber so weit, wie es gins, wurde es dieser Men⸗
schenkraft, die im Geiste dieses Systems lediglich mensch⸗
liche Maschine war, zugemutet. Wo also immer die
Arbeitszeit über das in der Natur und in den Rück—
sichten auf die Gesundheit gegründete Maß ausgedehnt
ist, da haben die Arbeiter ein wohlbegründetes Recht,
durch einheitliches Zusammenwirken diesen Miübrauch der
Geldmacht zu bekämpfen. Aber auch hier, geliebte Ar—⸗
beiter, hängt der wahre Nusen solcher Bestrebungen
wenn sie Erfiols baben sollen. von dor Sittlichkeit und
Religiösität ab. ...“
So beleuchtete Bischof Ketteler alle damaligen Forde⸗
tungen der Arbeiterschaft in seiner berühmten Anspracht
ruf der Liebfrauen-Heide bei Offenbach am 25. Juli
1869. Er stellte sich bewußt auf die Seite der Arbeiter⸗
schaft, bewies ihnen aber auch, daß ihre Bestrebunger
nur dann Dauererjsols haben werden, wenn sie vom
Boden des Christentums aus erfolgen. Leider baben
weiteste Arbeiterschichten diese Mahnung Kettelers in den
Wind geschlagen, indem sie sich dem Sozialismus ver⸗
schrieben, der Geisteseinstellung, die mit der liberalen
Heisteseinstelluna, die Ketteler bekämpite, eines gemein
hatte: die Wurzel Materiagalismus. Wir abert
wollen so wie bisher unsere Bestrebungen vom Boden
des Christentums aus tätigen, so wie Ketteler es wollte
hund für den Arheiteristand von Segen ist