Full text: Der Saarbergknappe (7 [1926])

Nummer 29 
Saarbrücken, den 17. Juli 1926 
7. Sahrgang 
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
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krscheint jeden Samstag für die Mitgliedet gratis — Fur wirtschaftliche u. geistige Hebuna Geschäftsstelle des „Saar-Bergknappen“: Saarbrücken 2 
Preis für di hlstellenab ten 5.- Fre monakl. oh St. Johanner St — 
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12* 
0 95 
Zur Schagwetterexploston 
Gpuß deicn 
aun Grube Nathideschacht 
Wie wir schon in der Rummer 27 mitteilten 
lostete die Shhlaͤgwetterexplosion aui Grube Rathilde 
schacht drei Nenschen das Leben. Sechs weitere Ka— 
meraden sind mehr oder weniger schwer verbranni 
und werden für ihr Leben lang gesundheitlich ge 
schädigt und entstellt bleiben. Als die drei Todes 
opfer beerdigt wurden, bezeugten die Kameraden 
und die ganze Bürgerschaft ihre innigite Anteil⸗ 
nahme. Äuch Grubenverwaltung, Bergbehörde und 
Regierung waren vertreten. Das ist anerlennens— 
wert. Was wir aber schmerzlich vermissen, ist, daß 
bis heute noch nicht bekannt wurde, ob irgend eine 
Förperschaft auch etwas zur Unter 
ttütßung der betroffenen Sinterblie; 
benen der Verstoörbenen und der siech 
und krank darniederliegenden Ver— 
braunten getan habe. Die Unterstützungen. 
die heute auf Grund der geltenden Bestimmungen der 
Sozialversicherung gezahlt werden, sind so gering, daß 
sie nicht ausreichen, um bittere Not von den vom 
Unglück Betrossenen jern zu halten. Würe es da 
nicht am Platze gewesen, daß die Grubenver— 
waͤltung mit einer größeren freiwilligen Spende 
den Notleidenden beigesprungen wäre! Auch die 
Regierungskommission mußte das tun, zu— 
mal sie es doch zu verantworten hat, daß die Be— 
züge aus der Sozialversiczerung so erbärmlich gering 
sind. Noch ist es nimt zu spät, helfend beizuspringen 
um den Betrofsenen ihre Lage zu erleichtern. 
Möge man sich doch ein Beispiel nehmen an dem gro— 
jen Opferwillen der Bergleute. Obschon sie nur 
recht kärgliche Löhne erhalten, haben sie doch immer 
eine offene Hand. wenn Leid und vermehrte Nol 
über eine Kameradenfamilie hereinbrechen. Wochent⸗ 
lich können wir in unserm Organ Dantsagungen ver— 
öffentlichen, die Kunde geben von der großzen Opfer— 
willigkeit und Hilfsbereitschaft unserer Bergleute 
ihren vom Unglüdk betroffenen Kameraden oder 
deren Hinterbliebenen gegenüber. Wenn ein Kame— 
rad nur 1 Franken spendet zur Linderung der Not, 
dann bedeutet das sfür ihn mehr, als wenn die Gru— 
benverwaltung und die Regierungskommifsion viele 
Tausende geben. Lasse man sich also nicht beschümen 
durch den Opferwillen der Beraleunte 
In der angezogenen Nummer richteten wie auch 
fünf scharf formulierte Fragen an die zuständigen 
Stellen. Bis heute ist noch keine Antwort erfolgt. 
Die gesamte Bergarbeiterschaft und auch die Defsent⸗ 
lichteit haben aber das allergrößzte Inreresse an einer 
tlaren und unzweideutigen Beantwortung der ge⸗ 
stellten Fragen. Daher ersuchen wir er— 
neut die zustäundigen Stellen, die ge— 
jtellten Fragen bald beantworten zu 
wollen. Es geht nicht an, daß eine Verdunke⸗ 
lungspolitik befoigt wird. Klarheit und Wahcrheit 
muß geschakfen werden. Wir müssen darauf beitehen 
daß alles PRenschenmögliche geschieht, Leben und Ge 
jundheit unserer Kameraden zu schiitzen. 
Sodann ist die „amtlhiche“ Untersuchung 
abgeschlossen. Ueberall ist es Brauch, daß das Er—⸗ 
gebnis den Bergarbeiterorganisationen und der 
deffentlichkeit mitgeteilt wird. Uns ist bis zur Nie 
derschrift dieser Zeilen seitens der amtlichen Stelle 
dem Saar-Oberbergamt, noch kein amtlicher Unter 
—X— 
man hier nicht nach der Methode haudeln will, die im 
nahen Lothringen beliebt wird. Dort ist, soweit wi 
unierrichtei sind, bis heute noch kein amtliches Un— 
tersuchungsergebnis über das schredliche Unglück vor 
mehr als Jahresfriit aui Schacht Remeaux der Grube 
Saar und Mosel bekannt gegeben worden, was sehr 
tief blicken läßzt. Um das amtliche Untersuchungser— 
gebnis herauszugeben, bedarf es keiner langen Zeit 
Schon seit Tagen ilt die Untersuchung beendet und 
dürfte es nicht langer Zeit bedurft haben, die RNie 
derschrift herzustellen. Es ist doch alles interejstee! 
daran, welchen Standpunkt der in Frage kommendt 
Sicherheits nann eingenowmen baft und zuwelchen 
Ergebnissen maun gekommen ist. Wir erwarten daher. 
dahß wir in der nächsten Nummer das Untersuch— 
angsergebnis veröffentlichen können und so in die 
Lage versetzt werden, auch unsererseits Stellung zu 
nehmen. ÄUülso bitte Saar-Oberberqamt! 
Zur Lohnfrage 
die Bergarbeiterorganisationen wenden sich an den 
franzöfischen Minister für öffentliche Arbeiten. 
Der Monat Juni ist vorbeigegangen, ohne daß die 
zergwerksdirekltion es für notwendig gefunden 
hätte, den Bergleuten gemäß den Forderungen der 
Tarisorganisationen eine höhere Lohnaufbesserung 
zu bewilligen. Sie ließ es bei dem Multiplikator 
hon 1,93 für Juni bewenden. Durch dieses Ver— 
halten der Bergwerksdirektion ist den Bergleuten 
nfolge der Teuerungssteigerung wiederum ein emp— 
findlicher Lohnverlust entstanden. Allerdings wusch 
die Bergwerksdirektion ihre Hände in Unschuld und 
verwies auf die französischen Grubenbesitzer als 
Karnichel. Auch eine VPethode, sich an einer er— 
kannten Notwendigkeit vorbeizudrücken! Nachher 
wird man schmunzelnd festgestellt haben, daß man 
mal wieder die Bergleute um den zustehenden Lohr 
zgebracht hat. In diesem Spiel der Bergwerks 
direktion scheint System zu liegen. Schon seit Jah 
und Tag haben wir festzuüstellen, daß die Bergwerks— 
direktion die Teuerungssteigerung nicht durch ent— 
sprechende Lohnaufbesserungen wett macht. So peu 
a peu höhlte sie die Kaufkraft der Bergleute inner 
halb dreier Jahre um mehr als die Hälfte aus. Eineé 
Operation, die an das berüchtigte Sprichwort von 
Totlecken erinnert. Wie lange soll dieses Spiel nock 
weiter gehen? — 
Mittlerweile haben die Tariforganisationen dre 
Schritte zu gleicher Zeit unternommen. Zunächs. 
wird die Bergwerksdirektion nochmals ersucht, in 
Lohnverhandlungen einzutreten. Sodann wurde ein 
längeres Schreiben an den franzosischen Minister für 
öffentliche Arbeiten gerichtet, in welchem die Lage 
der Saarbergleute geschildert und der Wunsch aus 
gesprochen wird, die Bergwerksdirektion Ju veran 
lassen, eine angemessene Lohnerhöhung zu barilligen 
Weiter wurde von beiden Schritten der Vorsitzende 
des Verwaltungsrates der Saargruben, Herr Arthur 
Fontaine, in Kenntnis gesetzt. Letzterer ist auch 
Vorsitzender der Internationalen Arbeitsorganisa— 
zion und genießt in der Welt den Ruf eines „So— 
zialpolitikers“. Lerder müssen die Saarbergleute 
eststellen, daß Herr Fontaine als Vorsitzender des 
Verwaltungsrates der Saargruben sich noch recht 
wenig von einer sozialen Seite zeigte. Die Saar— 
bergleute sind aber bereit, sich sofort zu einem an— 
deren Urteil zu bekehren. wenn der Vorstvende dey 
Internationalen Arbeitsorganisation und des Ver 
vwaltungsrates der Saargruben dafür sorat, daß end 
lich die Löhne im Saarbergbau nicht nur der jetzigen 
Teuerung angepaßt werden, sondern auch der in den 
letzten Monaten erlittene Verlust in etwa abge 
golten wird. Sie legen mehr Gewicht auf soziale— 
Zandeln, als auf internationale soziale Sprüche, die 
Frankreich nicht weh tun. — 
Nachstehend bringen wir die angezogenen dre 
Z„chreiben zur Kenntnis unserer Mitglieder. 
* 
Saarbrucken, den 2. Juli 1926. 
An die 
Bergwerksdirektion 
in Saarbräücken. 
Untetzeichnete Organisatronsvertretet gestatten sich 
achfolgendes zu unterbreiten: 
Bezuanchmend auf die im Monat Juni d. J. abge 
lehnte Lohnerhöhung gestatten wir uns, darauf hinzu— 
weisen, daß die Teuerungsziffer Ende des Vonats Jun 
weiter gestiegen ist. 
Wir erfsuchen die Generaldirektion, aus diesem Grund« 
zwecks Ethobuag der Löhne mit uns in Verhandlunge' 
zu tteten. 
Verband der Bergarbeiter Deutschlands. 
Fewerkoetein christl. Bergarbeiter Deutschlands 
Deukscher Melallatbeiterverband. 
Christaichet Meltallarbesterverband 
Saarhrücken, den 2. Juli 196. 
An den 
Minister für öffeutliche Arbeiten 
Herrn Daniel Vincent 
in Paris EFrankreich). 
Die unterzeichneten Organisationsveriretet als Ver— 
tragskontrahenten der Saarbergarbeiter gestatten lich, 
Ihnen, Herr Minister, nachfolgendes zu unterhreiten: 
Die Löhne im Saarberabau stehen in keinem Ver—⸗ 
hältnis zu der Entwertung des Franken und der 
Teuerung im Saargebiet. Im Juni 1823, bei der oviii—⸗ 
ziellen Einführung des Franken im Saargebiet, betrus 
die Teuerungsziffer 233 bei einem durchschnittlichen 
Tariihauerlohn von 21, — Ir. Nach drei Jabren, also 
im Juni 1926, beträgt die Teuerungsgiffer 573,7, während 
der durchschnittliche Tarifhauerlohn 31,84 Fr., gusmacht. 
Dieser Teuerungssteigerung von 145 Prozent steht eine 
Erhöhung der Löhne von 51,4 Prozent gegenüber. Im 
Juni 1923 kostete ein Dollat 15,90 Fr., am 30. Juni d. J. 
wurde der Dollar mit 34,85 Fr. gebandelt. 
Ueber die Ermittelung der Teuerungsziffer im Saar⸗ 
zebiet besteht zwischen der Generaldirektion der Saar— 
zruben, sowie den Organisationen, keine Meinungsver⸗ 
schiedenheit, da der frühere Minister für öffentliche Ar— 
beiten, Herr de Monzie, die Ermittelung der Teuerungs— 
ziifer durch das statistische Amt der Stadt Saarbrücken 
anerkannt bat. 
Die Teuerung ist im Laufe dieses Jahres (1926) bis 
Ende Juni um 20,1 Prozent gestiegen. Dieselbe betrug 
im Dezember 1925 477,5 gegenüber 573,7 im Monat 
Juni. Dieser Teuerungssteigerung steht eine Lohn—⸗ 
erhöhung der Hauer, also der bestbezahlten Gruppe, von 
150 Fr.ab 1. Aprii d. J. und eine solche von 1,341 Fr. 
für Mai und Juni, oder 9,7 Prozent, verteilt auf die 
PMonate April, Mai und Juni gegenüber. 
Zur Zeit befinden wir uns im Saarbergbau in einem 
tariflosen Zustand, da die Organisationsvertreter, beauf⸗ 
tragat von den Belegschaften, nicht in der Lage waren, 
das niedrige Angebot, das in keinem Verhältnis zur 
Teuerung stand, anzunehmen. Die Kauftraft der Berg— 
arbeiter ist durch die vollständig ungenügende Ent— 
lohnung immer mehr zum Schaden der VProdullion und 
Wirtschaft zurückgegangen. 
Die Organisationen haben unterm ti. Juni d. J. an 
die Generaldirettion der Saararuben ein Schreiben ge— 
richtet, in welchem sie, gestützt auf die geftiegene Teurung, 
eine Erhohung der Lohne beantragten. In den am 
18. Juni stattgefundenen Verhandlungen ertlärte die Ge— 
neraldirektion, nicht in der Lage zu sein, die Löhne zu 
erhöhen, da eine Kohlenpteiserhöhuug nach Ansicht der 
franzosischen Grubenbesitzet zur Zeit nicht möglich sei. 
Diese Entscheidung loste eine starke Ert«xaung bei den 
Zaarbergleuten aus. Die wirtschaftlichen Verbältnisse im 
Saargebiet werden nach unserer Ansicht von den fran— 
zösischen maßgebenden Stellen nicht berücsichtigt. 
Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, daß sich im 
Saarrevier als Grenzgebiet die Teuerung iniolge der 
Heldeniwertung viel ftarker und früher wie im Innern 
Frankreichs auswirkt. Wir haben ernent angcsichts der 
unbaltbaren Zustände imn Saargebiet am 2. Zulin d. J 
an die Generaldirektion anliegendes Schretben gerichtet. 
Wir bitien den Herrn Ministet, dafur Sorge fragen zu 
wollen, daß die Generaldirektion mit uns in Verhand— 
lungen tritt, damit durch Bewilligung einer angemesienen 
Erhöhung der Lohne der tariflose Zustand befeitigt wird 
Wir gestatten uns noch den, Hinweis, daßz die Lohne 
der übtigen Arbeiter, det Eisenbahner und Metall 
arbeitet. ebenfalls eine Erhöhung ersahren haben. 
Mit vorzüglicher Sochachtung! 
Verband der Bergarbeiter Deutschtands. 
Gewerkverein christl. Bergarbeiter Deutschlands 
Deutscher Metallarbeiterverband. 
Cbristlicher Metallarbeiterverband 
Sacurbrücken, den 2. Juli 1926 
An den 
Verwaltunasrat der Saargruben 
3. H. des verrn Präsidenten Fontalne. 
in Paris (Grankreich) 
16 Voulevard-Roapail. 
Die unterzeichneten Organijationsvertreter gestalten 
sich. Ihnen, Herr Präsident, dir Abschrijt, eines 
Schreibens, welches wir an den Seren Ministes für 
offentliche Arbeiten geschickt haben, zu unterbreiten, 
Gleichzeitig übersenden wir Ihnen noch die Abschrift 
einer Eingabe, die an die Bergmerksdirektion abginaga. 
Miät votzüglicher HSochachtung! 
Verband der Vergarbeiter Deutschlands 
Gewerkverein chrisil Vergarbester Deutschlands. 
Deutscher Metallarbeiterverhand. 
Christlicher Metallarbeuverband,
	        
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