Sene 2 Nr. 4
Vergleichen wir nun das Jahr 1922 mit 1921 und
wir finden, daßz die Erfolge von 1922 ganz andere
nd, wie die Erfolge im Jahre 1921. Im vorigen
Jahr da standen wir im
zähen Abwehrkampf.
Zweimal mußten wir einen Lohnabbau hinnehmen
2 Feierschichten wurden eingelegt. Da mußten die
Organisationen angestrengt arbeiten, um weitere
Verschlechternngen abzuwehren. Wer will es leugnen?
Tie wirtjchastlichen Verhältnisse waren äußerit un—
giinstig. Ohne Gewerkschaft wäre das Jahr 1921 fuür
die Arbeiter des Saargebietes zu einer bösen Kata
rophe geworden.
Das Jahr 1922 fing für uns ebenfalls schlecht an.
Eine Willkürherrschaft der Verwaltung setzte
ein, viele Jugenienre gingen ganz selbstherrisch vor
Feierschichten wuürden eingelegt. Wir hallen
deinen Lohntarif mehr. Die Behandlung der
Arbeiter wurde von Tag zu Tag. schlechter, die
garantierten Mindestlöhne vielfach nicht ausbezahlt
Immer lauter, wurden die Klagen der Bergarbeiter
Der Absatz stockte.
Massenentlassnugen
wurden im Frühjahr seitens der Bergverwaältung
vorbereitet und alle Maßnahmen gefroffen, um
Tansende von Bergarbeitern, die qaußerhalb des
Saargebiets wohnen, zu entlassen. Die rganisa—
Nonen treten in Tätigkeit. In dem Augenblick, wo
die Bergleute außerhalb des Saargebietes noch ruhig
Ichliefen, sich des Ernstes der Lage nicht bewuß
waren, ja, die Maßnahmen der Verwaltung noch fün
einen Bluff hielten, da arbeiteten die Organijations
Jeitungen bereits mit Hochdruck, hatten Sorge um
die vielen Lente, die mit ihren Familien brotlos
werden sollten. Eine Besprechung mit der Bergwerks
direktion wurde angeregt und fand stett. Die diret.
tion bestötigte, daß sie gezwungen sei in der nächsten
Jeit annähernd 8000 Leute zu entlassen, da kein
Absatz vorhanden sei. Die Namen derer. die ent
Uassen werden sollten, seien bereits in Listen einge
tragen. Verhandlungen mit der bayerischen und
Preußischen Regierung wurden seitens der Organi⸗
Jationen gepflogen, nin im Ernstfall die betreffenden
Leute mit Hilfe der Regierungen vor der schimmister
Not zu schützen. Daneben wurden erneut Verhand
Jungen nachgesucht bei der Soor⸗Regierung, Ablei⸗
Jung Bergamt. Das saarländische Mitglied der
Regierung wurde um Vermittlung angerufen. Kurz
um krin Wen wurde unversucht geläfsen, um
des schuere Unkbeil
hon den VLergarbeitern abgiwenen. Neue Verhand
hnungen mit der Generaldirettion auf Vermittlung
des saarländischen Regierungsmitgliedes fanden stati
und von den Organisationen wurde die Frage ange⸗
nen, ob die Verwaltung anch dann noch auf
iindigung bestände, wenn in Deutschland größere
engen Kohlen abgesetzt würden. Die Bergwerks⸗
irektion gab eine schriftliche Erklärung ab, daß sie
von der Kündigung Abstand nehme, wenn es“ den
Organisatlonen möglich sei, für einen besseren Absatz
zu sorgen und sie etwa 200 000 Tonnen Kohlen in
Deutschland unterbrächten. Die Politik des Handels⸗
büros der französischen Bergwerksdireltion var zu⸗
dammengebrochen, der Gewerkverein hatte schon im⸗
mer getadelt, daß das Handelsbüro sich zurzeit des
Lohlenhungers von den natürlichen Absatzgebieten
losgesagt und sich vorübergehend andere Absatzgebiete
erschlessen bhobe. Und nun unßten mit Hine det Orga⸗
misationen die alten Rbsatzgebiele wizder gefucht
werden. Eine schallende Ohrfeige für die Politik des
Handelsbüros. Die Organisalonsvertretet reisten
wach Berlin. Durch Vermittlung des Oberbergrates
Jakobs, dem Leiter der Aicign Kohlenstelle, sanden
Rerbaadiugen beim, Reichskohlenkommissar statt
Verner im Verkehrsminifterinm' und der Verkehrs⸗
minister Gröner, mit dem persönlich Rücksprache
genommen wurde, sagte zu, daß die Eisenbahn in
Vukunft im Interesse der Saarbergleule Kohles
abnehmen würde.
Die Verhandlungen in Berlin
waren äuerst schwierig, da zu gleicher Zeit gerissene
englische Vertreter in Deutschland waren. um eng ·
hische Kohlen an Deusschland zu verkaufen. Dog
angesichts der Notlage des Saargebiets und Dam
dem Einflußz der Organisalionen un deutschen Reich
entschloß sich das Verkehrsministerium, die Kohlen
aus dem Sagargebiet zu beziehen trotz des Entgegen
arbeitens füddeutscher Industriellen die dieseg
eiteln wollten.
Eigentlich ist es ja Wahnsinn, daß Deutschland aus
dem Saargebiet Kohlen kaufen muß, wo anderseits
Deutschland die großen Mengen Reparationskohlen
nach Frankreich zu schicken gezwungen wird. Doch wir
leben nun eimnal in einer anornigsen NLeit und antch
piele Woeltvolitiker, die die Geschie der wt“
händen hoben und den „Friedens“vertrag diktierten
können nicht als normal bezeichnet werden.
Jedenfalls war angesichts der mirklichen Lage der
Erfolg der Organisauuen ein aroßer. — Zur selben
Seit, wo dicse Verhandsungen gepflanen wurden, lag
noch eine schwere Wolke über dem Saarberabau. Es
wurde agemunkelt vom Kobnabban
»Der SaarDergenapper
die Verwaltung schriftlich bekannt, daß sie, falls die
Leistungen nicht gesteigert würden, den Lohn ab—
auen müsse. Fieberhaft arbeiteten die Organisa
lionen. Sie brachten den Nachweis, daß die Berg—
arbeiter an dem Rückgang der Jörderung unschuidie
seien. Die Leistungen seien deshalb zurückgegungen
weil auf vielen Gruben nicht rentabel gewirischaftet
das nötige Matericl nicht vorhanden und durch
ziel- und planlose Verlegungen J
die Förderung beecinträchtigt würde.
Ferner traten sie den Einwendungen der Direktion,
als wenn die Bergarbeiter jetzt, nachdem sie für den
Franken mehr Mark wie fruͤher bekämen, besser kau—
fen könnten, mit aller Entschiedenheit entgegen und
wiesen an Hand von einwandfreiem Material nach
daß die Bergarbeiter, je mehr Mark sie für ihren
Franken bekämen, je weniger dafür kaufen könnten
Veittlerweile häufte fich im Revier Klage auf Klage
Mißstände über Mißstände wurden aufgedeckt. die
Bergarbeiter kamen in Massen in die Versammlun—
gen. Ein Protest nach dem andern erfolgte und die
Erregung der Bergleuie wuchs ins Unendliche. Ange⸗
sichts der drohenden Haltung der Bergarbeiter und
der verschiedenen Klagen der Gewerkschaften kam es
zu neuen Verhandlungen, die von Erfolg gekrönt
wurden. Eine Anzahl von Mißständen wurden sofor!
beseitigt, Entlassungen zurückgenommen. Es kam
wieder aum
Abschlusj eines Tarifvertrages
mit wesentlichen Verbesserungen. Der angesagte Lohn
abbau unterblieb, ja, der Mindestlohn wurde sogar
erhöht und ein Tarifausschuß vereinbart. Es
wurden Erfolge ergielt, an die die optimiftischen
homer im vergangenen Jahre nicht gedoch
ten.
Dank der Schwungkraft der Organisation, der
Rührigkeit der Mitglieder und der regen Mitarben
der Funktionäre unserer Bewegung konnten soilch
Erfolge gebucht und dem Arbeitgeber derarfige Zuge⸗
ständnisse abgerungen werden
Sametag, den 18. November 1023.
und mehr aufwiegen. Bedauerlich ist, daß diese
Erfolge nicht gebührend gewürdigt und von den
Kameraden nicht genügend herausgestellt werden.
Doch Kameraden, setzt wo wir einen Rückblick ge—
worfen haben und wo wir vor der Winterarbeit
stehen, da ist es unbedingt notwendig, diese Erfolge
richtig zu würdigen und sie bei der Agitation in den
Vordergrund zu stellen. Wir können mit Recht stolz
sein auf unsere Erfolge und augenblicklich ausrufen
„Wir haben reichliche Ernte gehalten und große
Fuhren von Vorteilen und Errungenschaften im
Interesse der Saarbergleute und ihren Familien in
die Gewerkschaftsscheune gefahren.“ Freuen wir uns
dieser Erfolge. Legen wir aber die Haͤnde nicht müßig
in den Schoß, sondern machen wir es, wie der Land
mann es im Herbst macht, bereiten wir den Boden
schon wieder vor, damit wir neue Erfolge erzielen
tönnen. Wir müssen jetzt den Gewerkschaftsboden
zackern, d. h. die Lauen und Mutlosen aufrichten und
den Unorganisierten sagen, was wir hereingeholl
haben und letztere für unsere Soche zu gewinnen
suchen.
Treue müssen wir der Organisation bewahren und
praktisch mitarbeiten. In der Zukunft müssen wir
genan wie in der Vergangenheit einen starken Gewerk
verein mit opferwilligen Mitgliedern haben. Der
Winter umß besonders gut ausgenützt werden. Soe
wie der Landmann den Winter benutzt und alles für
das Frühjahr vorbereitet, wie er sich bildet und schult,
um seinen Betrieb rentabel zu geftalten, so müssen
auch wir im Winter Wert darauf legen, an uns selbst
zu arbeiten, damit wir nicht nur ein zahlendes son⸗
dern auch ein geschultes Mitglied der Organisation
werden. Opferwillig müssen wir sein und nicht nur
unseren Pflichtbeitrag zahlen, sondern darüber hinaus
freiwillig einen höheren Beitrag entrichten. Und
wenn hier und da dann mal ein Mißerfolg zu ver—
zeichnen ist, dann wollen wir nicht verzagen, sondern
mit neuem Mut an die Arbeit gehen im Interesse der
Saͤrbergalente und ihrer Fammien. F. K.
Wirhchaftlicteit der Saurgruhen unter
franz. Verwaltang
Worte sind nur blinde Gchüsse,
Etwas Rauch und etwas Dampf;
Taten nur sind echte Treffer
In des Volkes Daseinskampf.
11.
Neulich kommt ein Mann, der jahrelang in einem
Blechwalzwerk gearbeitet hai und wird wohlbesialiter
Hauer. Obwohl er den Innenbetrieb einer Grube
nur vom Hörensagen kennt, steht er nmim plötzlich vor
dem Stoß, und ist voll dankbarer Freude, daß er
„VBergmomnn“ ist. Noch nicht mal imftande, eine Lampe
richtig zu halten, funktioniert er im Etagenbauals
Hanuer, der weglänuft, wenn ein Stückchhen Kohle
herabsallt oder wenn ein Verzugspfahl gehrochen, jtiert
das ungeheure Verbrechen an uͤnd geht in weitem
Bogen drumhermm, damit nichts auf hn fällt. Kann
man einer Kameradschaft in diesem Falle zumulen,
mit solchen Leuten eine normale Hauerleiftung zu
erzielen? Rein. Erst müissen die Leute lernen. Daqu
gehören wieder alie ersahrene Bergleute und Beamte,
die keine Tonnenjäger uͤnd Angschasen find. Dozu
gehört vor allen Dingen die noötige Zeit im Betrieb
und diese fehlt om meisten. So üt der arme Teufel
sich seibst überlassen und äfft nach, was er von anderen
gutes und schlechtes sieht. (Im Ruhrgebiet hat man
besondere Lehrkamergadschaften eingderichtet,
deren Ausgabe in erster Linie die Heranbildung von
tachtigen Hauern ist, die alle bergmännische Areiten
von Grund guf geiehrt werden. D. Redd)) Für
VLeute mit 80 und mehr Dienstjahren hat man eine
andere Methode, ficn ihnen „wohlwollend“ zu zeigen
und ihren alten Fleiß und Eifer zu belohnen. Man
versetzt sie — um den Berginannsausdruck zu ge—
brauchen — zur Kavallerie, d. h. man läßt sie den
Pferdejungen machen, um dort, die Tiere am Kopf
fitrhrend, ihren alten Tag zu verbringen und dem
Pferdejungen zeigt mon einen Türstock und sagt: So
du bist jeßt chremverter Verbauer; min werf keinen
Biuch, sonst o weh! Maschinenmenschen, gelernte
Handwerker, müssen Kohlen graben und solche, die
dies erlernt, müssen Maschinen dirigieren. Das alles
sind technische Vollkonmenheiten, von denen man
früher nichts geträumt, deren es aber heute noch viel⸗
mehr gibt
Wer heute in Strecken kommt und sieht, wie gangt
Wälder in der Grube untergebracht werden, darf nicht
kopfschheu werden. Mehr Stempel, Mittelriegel mit
Stempel, Seitenviegel, Spreizen und Pfähle können
tatsächlich nicht mehr verarbeitet werden. Hinter
diesen Wald von Stenupel sitzen Holzpfeiler und
dahinter ein guter Ausbau. Ja, fragt man, es gehl
wohl nicht mehr einfacher zu inachen deshalb mach
man es eben doppelt, der Holzhandel kann ja auch mal
was verdienen. Aber das ist noch nicht alles. Nach
14 Tagen kommen Verbauer und machen den ganzen
Zimmfenen und wehe dem Steiger, wenn ein Unter—
zug sahlt und wehe dein Knappen, wenn eine Spreize
nur 935 Zentüneter über Schienenkante sitzt. Diefe
. ganze Methoden erfordern nicht nur viel Kraft und
Kameraden! Wohin wir blicken, sehen wir Erfolge. Arbeitszeit, sondern auch unheimlich viel Material
Sunderte könnten noch angeführt werden. Erfolge,,Wieriel billiger Fkönnten die Saar kohlen
die die Beiträge, welche unsere Mikglieder zohlen nind sverk uft und wieviel höher könnten
iber welche so viels Kameraden oder kurzfichtine die Köhneder Saarbet gleute fein, wenr
Frauen ichimpfen, nicht nur einmal, nein zehnfoch non diese Meshaden vich nur vun ien «erinde
Auch anf anderen Gebieten wurden Erfolge ergielt
Denken wir nur an
die Steuer
jener Kameraden, die außerhalb des Saargebiets
wohnen. Der Franken sollte für die Steuerbercch—
nung ziemlich hoch eingesetzt werden. Dank der
Tätigkeit der Organisationen wurde als Durch
schnittskurs aber nur 6 Mark berechnet. Es fiel den
Finanzämtern schwer, dieses zuzugestehen, da der
Alte Verband, unglücklicherweise in seinem Geichäfts—
bericht, um sein Vermögen hoch erscheinen zu laffen,
eine Verrechnung seines Frankenvermögens mit WA
gebracht hatte. Pfiffige Beamten der Steuerbehörden
wollten diesen Betrag eigentlich auch für die Steuer
einsetzen.
Geplante Verschlechterungen im Krankengeld
bezug konnten ebenfalls abgewehrt werden. Der
Arbeitgeber wollte die Kinder und Franenzuloge für
krankfeiernde Mitglieder um die Hälfte kürzen doch
dem Einfluß der Organisationen gelang es, dieses
hintansirhalten. Wenn heute im Saargebiet trotz
der Kapitalnot Hunderte von Bergarbeitern eir
Häuschen gebaut haben, dann ist das mit ein
nherh der Organisationen, die darauf drangen
daß die
Mittel des Knappfchaftsvereins für Bauzwecke
den Mitgliedern zur Verfügung gestellt wurden.
Betreffend,. Versorgung des Saargebiets mit
Lebensmitteln hdus Demschland konnte der
Gewerkverein große Erfolge buchen und zwar nich
nur für die Bergarbeiter, sondern für die Gesamt
bewohner des Saargebiets. Eine Anzahl Eingaben
an das Reichsernährungsministerium hatten zut
Folge, daß das Kontingent für Früh- wie Spätkar.
toffeln wesentlich erhöht wurde und eine Angahl
andere Lebens sowie Futtermittel hereinkamen. —
Auf die Forderungen und Wünsche des Gewerkver
eins hat das Reichsernährunasministerium stets Rick
sicht genommen.
Eine Reihe von Zollbeschwerden, worunten
janz besonders die Bergarbeiter zu leiden hatten.
wurden seitens des Gewerkvereins an die richtige
Stelle geleitet, mit dem Epfola, daß diese Sckuvierig
fkeiten behoben wurden.