„Selte 2. Rir
Jede ungerechtfertigte Ausbentung der in der
Heimindustrie beschäftigten Arbeitskräfte ist durch
besondere Maßnahmen zu verhindern.
Die Arbeiter und Angestellten müssen gegen Krank
heit, Invalidität, Alter, Unsall und V. beitslosigkeit
persichert sein. Die Unternehmungen können sich nich
der Prämienzaählung entziehen..
Die Gesetzgebung zum Schutze der Sittlichkeit,
Gesundheit und Sicherheit des Arbeiters soll aus
gedehnt werden. Besondere Aufmerksamkeit ist den
Berufskrankheiten und der Bekämpfung der Tuber—
fulose sowie der Förderung der allgemeinen Hygien
und der Krankenfürsorge zit widmen.
Im Interesse der Gesundheit und der Sittlichkeit
ist die Volkswohnungsfürsorge kräftigst zu fördern.
Durch eine zweckmäßig geleitete und wissenschaftlick
begriindete Bernfswahl sollen jedem Berufe die geeig
netsten Arbeitskräfte zugeführt werden.
Die Durchführung der sozialen Gesetzgebung ist
durch kompetente Gewerbeinspektionen in Verbindung
mit den beruflichen Organisationen zu kontrollierer
und zu sichern.
Die Festsetzung der Löhne, welche möglichst durch
Taorif- und Gesamtarbeitsverträge erfolgen soll, haf
nach folgenden Grundsätzen zu geschehen:
a) Jeder erwachsene Arbeiter hat das Recht au—
einen Mäindestarbeitslohn, welcher ausreich;
für den Unterhalt seiner Familie; die Höhe desselber
joll in Uebereinstimmung mit den Lebenskosten be—
stimmt werden.
b) Ueber das unantastbare Minimum hinaus soll
der Anteil des Arbeiters an der Erzeugung der Lei—
lrung des Arbeiters entsprechen und einen Entgelt
lichern für besondere Gewandtheit und Tüchtigkeit wie
für besondere Anstrengungen, Gefahren und Risikos
Für die kinderreichen Familien sind
Einrichtungen zu schaffen, aus welchen
diesenentsprechende Zuschlägegewährf
werden.
Die Staatsgewalt soll durch objektive statistischt
Erhebungen über die Lebenskosten usw. die Lohn
gestaltung erleichtern.
In Industrien, wo keine genügende Gewerkschafts
hedvegung besteht, hat die Staatsgewalt durch Lohn
kommissionen und dergleichen für die wirtschaftlich
Eristenzsicherung der Arbeiter zu sorgen.
Die 8 Körperschaften haben bei
dem in ihrem Dienste stehenden Personal den oben—
genannten Forderungen im Einvernehmen mit den
zuständigen Organisationen Folge zu geben.
Durch den Völkerbund sowie durch die inter—
nationale Organisation der Arbeit oder durch andere
Institutionen, welche hierzu als geeignet erscheinen,
sollen die Vöolker im Geifte dieses Programms zusam—
menwirken.
Die internationale Organisation der Arbeit soll der
Arbeiterschutz durch Uebereinkommen und Ratschläg
fördern.
Die bisherigen Uebereinkommen und Ratschläg
der Konferenzen von Washington, Genua und Geni
bedeatten erst einen bescheidenden Anfang für der
wirksamen Arbeiterschutz, welchen die Arbeiterklasi
ihrerseits erwartet.
Sie soll sich nicht darauf beschränken, Einfluß zu
iiben auf die Länder, wo soziale Gesetzgebung nicht
besteht oder ungenügend ist, sondern sie soll ihre Wir—
kung ausdehnen auf alle Länder im Sinne einer fort
währenden Verbesserung dieser Gesetzgebung.
Die Nustvanderung der Arbeiter soll organisiert
werden auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der
sozigien Gesetze und der Gleichberechtigung der Ein—
wanderer und der Landesangehörigen. Die Auswan—
derung ganzer Gruppen soll nur ermöglicht werden
im Einvernehmen mit den intereisierten Wirtschafts
verbänden.
Damit die in den internationalen Arbeitskonferen—
zen festgestellten Uebereinkommen und Ratschläge die
kräsftiast mögliche Wirkung haben, werden die dem
Internationalen Bunde der christlichen Gewerkschaften
angeschlossenen Landeszentralen sich darum bemühen
in den betreffenden Ländern ihre Anwendung durck
zusetzen.
Damit die christliche Gewerkschaitsbewegung wirk.
sam an dieser Aufgabe mitwirken kann, muß sie in
der internationalen Organisation der Arbeit einen
pollen und direkten Einfluß haben und in den inter
nationalen Arbeitskonferenzen wie im Verwaltungs
rat des internationalen Arbeifsamtes oine angemessen«
Lertretung haben.
Anf dem Gebiete der rechtmäßigen gewerkschaftlichen
Forderungen ist der Internationale Bund der christ—
fichen Gewerkschaften bereit, mit allen interessierten
Organisationen zusammenzuwirken
C. Ausbildung der Arbeiterschaft.
Der Internationale Bund der christlichen Gewerk
schaften fordert eine allgemeine wirtschaftliche und
lechnische Ausbildung der Arbeiterjiugend. Sie be
krachtet diese als eine Voraussetzung, um der Arbeiter—
cchaft die sittliche, familiäre und soziale Wohlhfahrt zi—
ermöglichen und die rationelle Entwicklung der Pro—
duktion zu fördern.
An die bis zum 14. Alterjahr verpflichtende Volks
schuls soss ein Berufsunterricht angeschlossen werden
Der Zutritt zum mittleren und köheren Unterrich
loll iedem itrebsamen und talentvollen Menschen ohn
„Der Saar⸗Bergknapbpe‘
— e e
NVücksicht auf die finanzielle Lage seiner Eltern ermög
icht werden. n
Die Voraussetzung für den sozialen und wirtschaft
ichen Aufstieg der Arbeiterschaft bildet das gründliche
Studium aller Zusammenhänge und Verhältnisse des
ozialen, wirtschaftlichen und staatlichen Lebens, eine
gesteigerte Arbeitsfreudigkeit und ein vertieftesPflicht
bewußtsein und Verantwortlichkeitsgefühl gegenübe
Gesellschaft, Staat und Familie.
Eine glänzende Rechtfertigung.
Wie das bei solchen Anlässen immer geschieht, setzte
m Ruhrgebiet seitens der Linksradikalen gegen den
Sewerkverein eine scharfe Hetze wegen seiner jüngster
daltung anläßlich der Ruhrbergarbeiterbewegung ein
diese Kreise sind sehr erbost darüber, daß der Gewerk
berein von seiner Selbständigkeit nicht abzubringer
war und sich nicht vor den Karren linksradikaler Ele
mente spannen ließ. Das Urteil dieser Kreise kanr
den Gewerkverein ja auch furchtbar kalt lassen. Seine«
Mitglieder standen geschlossen hinter der ausgegebener
Parole und hießen die Stellungnahme des Gewerk
vereins in Konferenzen und Versammlungen gut
Eine Stichprobe diesbeßüglicher Entschließunger
haben wir ja schon zur Kenntnis gebracht. Sogar
sozialdemokratische Zeitungen verurteilten einen
etwaigen Streik aufs schärfste, womit sie dem Gewerk
verein die Richtigkeit seines Handelns bestätigten. Er
reulich ist aber, daß auch die Jungmannen de—
Fewerkvereins sich in seltener Einmütigkeit hinter di—
Maßnahmen des Gewerkvereins stellten und die Hetz
bersuche der Linksradikalen mit einer, eifriger
Werbetätigkeit für den Gewerkverein
»eantworten. Das ist die richtige Antwort! Sonst is
nan ja leicht geneigt, die Rigend eines besonder?
Samstag, den 19, Nugust 1023.
die Haltung des Gewerkvereins bringt diese Abhand
lung folgendes:
„Die Konknrrenzorganisation des Alten Verbandes
der Christliche Gewerkverein, hatte die
vorherigen Schwierigkeiten des Verbandes am eigenen
Körper (Erschüttterung des Vertrauens und der Auto—
rität, was durch tattische Manöver — Vorbereitung
er Kündigung — wieder gut gemacht werden sollte
D. Red.) nur in sehr viel geringerem Maße erfahren;
er geriet aber dann durch seine Ablehnung der Kün—
digungsaktion selbst in eine sdavierige Situotion. Es
bestand für ihn die Gefahr, daß die mit der Streik-
agitation verbundene Radikalisierung der Massen auch
seine Auhängerschaft ergreifen und damit die Position
seiner Führer überrennen könnte. Die Haltung der
Christlichen war sachlich ganz unanfechtbar; denn der
insatz bei dem Spiel des Alten Verbandes war sehr
ziel größer als seine Chance; aber auch in taktischer
Hinsicht war der Gewerkverein nicht in so ungünstiger
Stellung, wie die These des Verbandes, daß nur durch
die Streikdrohung die Unternehmer zum Nachgeben
gezwungen worden seien, es behauptete. Unmittelbar
nach der Ermordung Raäthenaus hatte sich nämlich,
bevor der Alte Verband seine Kündigungsaktion
eingeleitet hatte, noch ein anderer Vorgang im Ruhr—
gebiet zugetragen: der Führer der Christlichen Im-
busch hatte den psychologischen Moment, den die
erste Erregung über den Mord geschaffen hatte, schlag
fertig benutzt, um bei den Zechenbesitzern eine Lohn
erhöhung durchzusetzen, die für den damaligen Gegen⸗
stand sehr beträchtlich und jedenfalls weitergehend war,
als man es vorher für möglich gehalten hätte. Da für
den Bergarbeiter wie für alle Lohnempfänger die effek—
tive Lohnhöhe schließlich wichtiger ist als alle im Tarif
geregelsen Fragen der Lohnberechnung und Aehn—
liches, so gab dieser ohne jede Kündigung und ohne
Streikdrohung erzielte Erfolg dem Gewerkverein eine
starke Karte in die Hand; außerdem hatte der Gewerk—
verein danach eine positive Grundlage für seine Be—
hauptung, daß der Zechenverband vermutlich auck
ohne Streikdrohung für neue Zugeständnisse in der
Tariffrage zu haben gewesen waͤre. Tatsächlich scheint
denn auch der Gewerkverein die gefahrdrohenden
lebten Wochen gut überstanden zu haben, und es wäre
im Interesse der Gesamtbewwegung der Bergarbeiten
und der Arbeitsgemeinschaft zu wünschen, daß die
von neuem eingetretene Verfeindung zwischen der
beiden Verbänden sich nicht weiter entwickelte.“
Das ist das Urteil eines Blattes, das noch nit
freundschaftliche Regungen für die christlichen Gerverk—
schafteu verspiirte. Eine glänzendere Rechtfertigung
der Haltung des Gewerkvereins konnte gar nicht ge—
geben werden. Wir freuen uns insbesondere der Fest—
J daß die Leitung des Gewerkvereins schlag⸗
fertig für die Bergarbeiter, als es galt, zur
Stelle war. Das ist für die Bergleute nützlicher, als
wenn ihre Leitung mit dem Feuer spielt. Daß auch
die Behauptung des Gewerkvereins, alle Verhand—
lungsmöglichkeiten in der Manteltariffrage seien nock
nicht erschöpft und es sei mit einem Nachgeben der
Zechenbesitzer zu rechnen, richtig war, bewiesen die
sochfolgenden für die Bergleute recht erfolgreichen
Verhandlungen unter dem Voriitz des Reichsarbeits-
ministers.
Diese Ruhrbergarbeiterbewegung wäre abgeschlof—
sen. Die Haltung des Gewerkvereins war einzig rich⸗
tig und hat sich für die Bergleute aut bewährt. Diese
Zeugnisse sind von unbeteiligter Seite ausgestellt.
Wir wollen nun alle so handeln, wie es die Jung—
knappen des Ruhrgebietes beschlossen haben: durch
eine Generalagitation möglichst viele
Jameraden dem Gewerkperein z2ufüh
r*o 171
Durchs Kornfeld
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4
Das ist ein köstlich Wallen,
Durchs hohe Korn zu geh'n,
Wenn weit und breit die Felder,
In goldnen Aehren stehn.
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Die Lerche steigt zum Himmel,
Horch, wie sie fröhlich singt!
Sie lobet Gott mit Inbeln,
Daßz weithin es erklingt.
Georg Christian Dieffenbach.
starken Hanges zum Radikalismus zu bezichtigen
Das Verhalten unserer Jungrnannen zeugt aber von
Begenteil. Sie haben den Beweis erbracht, daß sie
sich sehr wohl der Verantwortung schon bewußt sind
die auf der Gewerkschaftsjugend von heute gegenübe
der Volksgesamtheit ruht. Die Erzichungsarbei
unserer Jugendabteilungsbewegung hat damit einen
großen Erfolg zu verzeichnen. Das sollte die Kreise
umstimmen, die immer noch versuchen, unserern
Jugendbeiwegung Knüppel zwischen die Beine zu
werfen, und vor allem die Eltern der Bergmanns
jugend aneifern, ihre Jungen, soweit das noch nicht
geschehen, dieser Bewegung zuzuführen.
Aber auch sonstige gewichtige Stimmen haben den
Gewerkverein die Richtigkeit seiner Haltung beschei
nigt. Die „Soziale Praxis“, das Organ des Verein,—
für Sozialreform, die sich großen Ansehens in de
sozialen Welt erfreut, bringt in ihrer Nunnier von
19. Inli d. J. eine übersichtliche Darstellung über die
von uns eingebend beleuchteten Vorgänge im Ruhr
gebiet. Ihr Urteil faht sie wie folat zusammen:
„Tiese angesichts der gespannten Stimmung in
Riührgebiet doppelt mannhaften Worte und die unbe
irrte Stellungnahme des christlichen Bergarbeiterver
bhandes, der gerade in den letzten schweren Woche
Jeugnis von hervorragender Geschlossenheit der Auf
fassung von Führern und Massen gegeben hat, werdern
der christlichen Arbeiterbewegung unvergessen bleiben.“
Man beachte wohl, daß es sich hier nicht um die
rstbeste Zeitschrist bandelt, sondern um das Organ
einer sozialen Gesellschaft, die sich Zeit ihres Bestehens
nit aller Kraft für den sozialen und wirtschaftlicher
Fortschritt der Arbeiterschaft einseßt, gewisser maßer
als Bahnbrecher und Wegweiser in dieser Hinsicht
virkt. Tarum ist auch das Urteil ihrer Zeitichrifj
doppelt gewichtig.
Gewichtig ist auch die Feststellung der „Frankfurter
Zeitung“, die gewiß nicht zu den Freunden der christ
ichen Gewerkschaftsbewegnung gezählt werden kann
im Gegenteil, die freien Gowerkschaften wo nur ange
bracht herqusstreicht. In ihrer Nummer 553 (27. Juli
st eine längere Abbandlung erichienen, die sich mit
dem Verhalten der beiden Bergarbeiterorganisgtioner
nläßlich der Rubrbergbaubewegqung beschäftint. Uebe
Indexziffern
Indexzijfern spielen in den letzten Jahren, desonders in
Zelen fstarker Schwankungen, eine große Rolle. Ihr Erx—
Lühnen bei Tartsverhandlüngen und dergleichen läßt viele
in ihnen eine Art gehermutsvoilen Schlüfsel zu den Gehäl—
tern erblicken, deisen Ursprung und Mitandekommen di—
meistsen jedoch nicht agenau kennen
Die deutschen Bezerichnungen jür Inderzijfern „Teue—
rungszahlben, Meßgiffern, Verhältniszahlen“ façgen, worum
es sich handelt. Sie stellen einen Verjuch dar, die Lebens—
baltung in Zahlen festzulegen und diese mit dem Feledens,
stande 1914 zu vergleichen. Die Festitellung der Inderzif—
fern geschiebt folgendermaßen: Der Ausgangspunkt, in den
nreisten Fällen 1814, wird gleich 100 gesetzt. Der jeweilige
Preis wird dann im Verhältnis zu 100 in der entsprechen⸗
den Zahl ausgedrückt, z. B. 1 Pfund Mehl kostete 1914 20 8
also 20 — 100,1 int Mehi kostete (Mai 1922 aus
Brotkarte) 750 9, 750 — 8750. Mebl kostete also (Mai
1922) das 37,3fache des Friedenspreises, begw. der Preis
ist um 3650 Prozent gestiegen. In der Weise werden an—
hand bestimmier Berechnungsmethoden die Inderziffern für
verschiedene Lebensmittel, bezw. für die Lebenshaltung auf
Fen Die auf diese Art exrrechneten Zahlen sind stets
crhältnis zahlen. Ebenso ist selbstverständiich die
Feststellung der Kosten in Markbeträgen, also in absoluten
Zahlen, möglich. Der Ausgangspunkt ist dann der tat—
ächliche Preis in Friedenszesnen Außer diesen Inderzif—
fern, die einen Maßstab für die Teuerüng darstellen sollen,
aibt' cs ein sogenanntes Ericenminimum, d. h. die Zu—
sammenstellung der Kosten side dai zur Erbaltung des Kör—
vers Rud der Urbeilähiatae notwwendiaen Unterbalt