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ehendem von der Belegschaftsversammlung der Grube
Gebprewn pon die am 21. Juni stattfand, berichte!
ist, gilt auch für andere Belegschaftsversammlungen
Geringe Löhne.
Die Klagen der Belegschaftsmitglieder über geringe
Löhne waren allgemein Sauer löhne ohneZulagen
von 6 bis 7J Frank sind vielfach zu verzeichnen. Be—
legschaftsnitglieder führen den Nachweis, daß solche
Löhne zur Regel geworden sind. TDer Unterschied zwi⸗
schen den Hauerloͤhnen ist riesig groß. Bei vielen
Bergleuten verbleibt nach Abzug der knappschaftlichen
und sonstigen Gefälle, zumal, po richtige Wucherpreise
für Gezähe entrichtet werden müssen, der Miete und
anderer Veträge, die kleinste Summe für die Familie
übrig. Was das in einer Zeit, wo der Zentner neue
Kartofseln 1000 und mehr Mark, ein Pfund wäs⸗
serige Fleischwurst über 100 Mark kostet, ohne die un⸗
berschämten Preise für andere Lebensmitiel und täg⸗
liche Bedarfsgegenstaͤnde zu nennen, zu bedeuten hat
weiß der zu würdigen, der einen großen Haushalt als
Arbeiter durchbringen muß.
Autreiberei.
Nach Ausicht der Belegschaft — und alle Erfahrun
gen der Vergangenheit bestätigen das — herrscht zur
Zeit ein Antreibersystem wie noch nie. Der Keil wird
bon oben angesetzt, und alle nur möglichen Kräfte
hämmern darauf, um aqus dem Arbeiter das leble
herauszuquetschen. Eine Unmenge unprodukliver
Kräfte, ein ganzes Heer von Schmarotzern zehrt an
dem Ergebnis der Arbeitsbienen, weshald man diese
bis aufs äußerste ausnutzen will, um den viele
Schmarotzern das Dasein zu ermöglichen. Die fleißig
sten und erfahrenften Bergleute, die schon über
oder 80 Dienstijahre verfügen, den Saarbergbansunt
seine besonderen Eigenschaften von Grund 'ans und
aus Erfahrung kennen, werden unter dem Mindest.
lohn ausbezahlt und damit zu Faulenzern gestempeit
Probehauersyftem, schichtlange Ueberwachung der Koh
lenhauer bei der Arbeit durch Beamte, Praͤmenwitlk
schaft u. dgl. m. find in Anwendung und gellen al⸗
Mittel der schlimmfien Antreiberei.
Regelwidriger Gediugeabschlußz.
Von einem regelrechten Gedingeabschluß ist seit lan
gem keine Rede mehr. Der Herr Ingenieur dik.
tisert und, wehe dem, der dann fann Lohn nicht
verdient oder den Mut hat, den diktierten Gedinge
zeitelh abzulehnen. Entweder wird der Kameradschafts
älteste, der folches tut, abgesetzt, in eine andere Ar
beit verlegt oder es wird ihm mit der gänzlichen Ent
iassung gedroht. Solches nennt dann die „demokrati
sche“ frangbö fijche Bergwerksverwaltung Verein
barung“ des Gedinges laut Vorschrift der Arbeits
ordnung! VWeöglich daß chincfische, sudanesische oder
anamitische Kulis sich solches von ihren französischer
Bezwingern auf Grund der Devise „Freiheit, Gleich
heit, Brüderlichkeit“ (iberte, Egalite, Fraternite), wi
es pempös auf den Frankscheinen der Mines Do
maniagles de la Sarre“s heißt, gefallen lassen müssen
Die Saarbergleute sind es aber nicht gewohnt
derartiges unwidersprochen zu lassen und sindauéd
gar nicht gesonnen, solches noch längen
ruhig hinzunehmen.“ —Die angeführte Devise
guf den Frankscheinen der Grubenverwaltung wirt
wie blutiger Hohn angesichts des Verhaltens um
Vorgehens der derzeitigen Grubenverwaltung und der
unerhörten Zustände, unter denen die Saarberqar
beiter zu leiden haben.
Unerhörte Strafen.
Lebhafte Klagen wurden über die zu hohen un
unangebrachten Strafen geführt. Insbesondere übe!
die, die wegen angeblich zu leicht oder unrein beladener
Fördergefäße verhängt werden, Gegen die Bestrafung
wegen zu leicht beladener Fördergefäße erhebt die
ganze Belegschaft Protest. Sie fordert die
Aufstellung von Wagen, auf denen das Gewicht der
zeförderten Kohlen einwandfrei festgestellt werden
lann. Bei den auf Grube Altenwaid in Gebrauch be
findlichen Wagen ist solches nicht möglich, weil sie ent
weder mangelhaft oder gar nicht funktionieren. Die
Aufstellung von auébomataischen Wagen forder
daher die Belegschaft mit aller Entschiedenheit sowie
die Feststellung und dauerhafte Kennzeichnung des
Eigengewichtes der Fördergefäße. ¶Den Wagen—
kontrolbleuren über Tag wird die Durchführung
jhrer eigentlichen Aufgabe unmöglich gemacht, inden
sie zu Arbeiten verwendet werden, für die sie nich
da sind. Ihre Aufgabe ist es, zu kontrollieren, daf
den Berglenten nicht zu Unrecht Strafen aufgehalf
werden wegen angeblich unrein oder zu leicht belade
ner Fördergefäße und daß die Kameradschaften da⸗
in Wirklichkeit geförderie Gewicht angeschtieben er
halten;
Mangelhafte Materialbelieferung.
Die Belegschaft fordert eine bessere und ausreichend
Belieserung mit Naterialien aller Ari. Ein empfind
licher Mangel befteht an allen Materiaglien, besondert
an Schienen, Rohren, Pfeilerhoig Schienennägeln
Schwellen. Die Bergleute sind gezwungen, stunden
lang nach diesen Naterialien in der Gruͤbe herumzu
huchen, wodurch empfindliche Lohnverluste entstehe
und die Förderung ungünstig beeinirechtigt wird
Dieses Material müßte sür die Üünterlagearbeiter i
pöslichst größzter Naͤhe der Arbeilsslellen zur Ver
ilgung liegen
„Der Saar⸗Bergknappe“
Unnütze Gefährdung von Arbeitern.
Auf das entschiedenste wird Einspruch erhoben gege
die Beschäftigung einze lIner Arbeiler an gefähr
ichen Punkten, gang besonders vor Ort uͤnd am Nach
eißen. Solches ift verboten. Sonderbar, daß di
Bergpolizeibehörde, die in letzter Zeit so
iberaus rege ist, um Bergleute mit dem Strafrichter
in Berührung zu bringen, hier, wo es ihre besondere
pflicht wäre, nicht einschreitet. Sie als staatliche Be
hörde muß doch über den Parleien slehen unß zors
zweierlei Maß nicht kennen. Oder handhabt sie doch
zweierlei Maß? (Am 233. Juni ift, wie uns ein
päter zugegangene Zuschrift meldet, der Kameral
Weintraut auf Grube Altenwald tödlich verunglückt
Atuch dieser Kamerad hat allein an'einet gefährlicher
Stelle arbeiten müssen und wird dessen tödlicher ün
jall von den Arbeitern, die die Arbeitsstelle kennen
dem AIle inarbeiten zugeschrieben. Vie Erbitterung
der Arbeiter kam auch anlaßlich der Beerdigung dieses
Kameraden dem kteilnehmenden Beamten gegenüber
zum Ausdruck. Sodann wird in dieser Zuschrift dar
auf hingewiesen, daß die neu eingeführte Verbauungs
methode zu kurze Streckenbänke vorfehe, die guf der
Holzpfeiler aufgelegt werden müßten und mit Stscke
unterschlagen würden mit sogenannier Quetschkeile
Diese Verbauungsmethode habe auch an dem Arbeits
punkte. wo Weintraut arbeitete, angewandt werden
müssen und seien bei Auswechselung einer beschädigten
Bank fünf Hölzer zu Bruch gegangen, unter den
Weintraut geraten sei, der erft nach drei Stunden aus
einer unglücklichen Lage befreit werden konnte. Im
dazarett ist dann der Kamerad während einer Ope
ralion gestorben. Wegen dieses Vorfalles herrsche
moße Erbitterung unter der Belegschaft)
— ————
Wir wollen vorwärts
Und mögen mich Tausende töricht auch nennen,
Ich muß für die Heimat, die liebe, entbrennen,
Ich muß für die Ordung, die heilige, streiten
Im Dunkel der Tage, im Wirrwarr der Zeiten;
sch muß für das Wohl unseres Volkes erglühen,
Tugtäglich im Schweiß mich des Angesichts mühen,
ind rüsten muß stets ich und ringen und streben,
Ind wenn mir zur Seite so manche auch leben,
Eh gehe ihn weiter, den Weg, den beftaubten,
Durchdrungen vom Willen mich siolz zu behaupten,
Mich nimmer verstlavendem Machtspruch zu beuge⸗
Mit letztem Hauch für die Wahrheit zu zeugen.
AInd läßt es im Staub und im Dunfie der Zechen
Ermattet mich einmal zusammenbrechen,
Es reißet eimpor mich der heilige Glaube,
Es grühtt mich der Engel der Hoffnung im Staube,
Und wicder in Liebe mit Schweiß und mit Schwiele
Ich jolge den Fahnen zu herrlichen Zielen.
L. Kessing.
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Unwürdige Behandlung.
Ueber schlechte Behandlung klagte die Belegschaf—
am meisten. Wenn auch schlechte Löhne eine Beleg
schagt aufbringen, dann aber doch niemals so als un—
wünrdige Behandlung. Wo diese herrscht, lehnt sich
der verletzte und beleidigte Mensch auf, der auf
Grund göttlicher und staatlicher Gesetze eine ander⸗
Behandlung zu erfahren hat, als eine tote Sache. Dit
Seele des Menschen Arbeiter leidet unter der un
würdigen Mißachtung, weshalb sie mit aller Mach
sich aufbäumt und nach Gerechtigkeit schreit. Und es
war ein einziger Aufschrei nach men
schenwürdiger sund gerechter Behand
dung, deraus,dem Mundeder Sprecher in
der Altenwalder Belegschaftsversamm
lbung kam, als sie Behandlungsmethor
denkennzeichneten und geißelten, die
jeztaufdenSaargrubengangundgäbe
sind. Ein einziger großer und wuchtiger Aufsschre
geht durch die ganze Belegschaft al ler Saargruben
dringt hinaus über die Grenzpfähle des Heimatlande⸗
und gibt der Welt Kunde von der ungerechtfertigten
Behandlung, die hier einer bodenständigen, ruhiger
und fleißigen Arbeiterschaft zuteil wird von Vertretern
einer Nation, die auf das rühmende Wort „Grande.
Nation“ einen geschichtlichen Anspruch erheben zu dür—
fen glaubt. Was die Sgarbergleute in Belegschafts.
persammlungen, in allen Gesprächen, die man mit
ihnen führt und in Zuschriften an uns äußern, gibf
aber nur Zeugnis davon, daß Angehötige deir
„Grande⸗Nation“ furchtbar kleinlich, engheirt
zigund sogar recht brutalhandeln. Wahr—
lich, diese Herren leisten der Geschichte ihres Landes
keinen Tienst. Tie gegenwärtige Periode ihrer Herr
schaft über die Sgargruben spricht der Devise, der sran-
zösischen Republik nur Hohn. Recht erbärmlich ist es
aber, daß die unteren Beamten, in manchen
Fällen sich als nur zu willfährige Handlanger erwei—
sen. In jedem Saar-Bergknappen könnten wir den
halben Raum mit Zuschriften ausfüllen, die sich mit
der Art und Weise des Vorgehens unterer Begiien
den Arbeitern gegenüber beschäftigen. Mag auch deren
dos keineswegs beneidenswert sein oder mögen auch
sie dem Drucke von o ben scharf ausgesetzt sein — sie
dürsten niemals vergessen, daß der Arbeiter ein
Menich ist, und daß eine Zeit wieder fomnmen wird
Samstag, den 15. Juli 1022.
wo die Geschichte über solch' anpassungsfähige Men—
schen den Stab brechen wird. Wir wollen mit der Be
legschaft hoffen, daß oben und unten in der Ban
tung recht bald ein, an derer Geist eingeht dannt
derartige wuchtige Anklagen, wie sie jetzt die Beleg—
schaft erheben muß, will sie ihr Menschlum nicht selbst
aufgeben, unnötig werden und damit der überspannte
Kessel sich nicht entlädt und dem Saargebiet eine böf—
Katastrophe erspart bleibi.
Unberechtigte Vorwürfe.
Scharf protestierte die Belegschaft gegen die Vor
würfe, sie würde künstlich mit ihrer Leistung zurück
holten, und dadurch das Produklionsegebnis und di
Rentabilität der Saargruben beeinträchtigen. Sie for.
dere ein Gedinge, das die bestehenden Verhaltnisse und
die Leistungen berücksichtige, und wollte kein Prämien;
gedinge, sondern ein sosches, das einen gerechten Lohn
garantiere. Wenn die Rentabilität der Saargruben
heeinträchtigt würde, daunn nicht durch die unter und
über Tage beschäftigien Arbeiter der Betriebe, sondern
durch das große Heer von Bedienten, Lakaten und an—
deren Leuten, die zur Bequemlichkeil anderer zu Hum⸗
derten herumliefen und allesamt aus dem Ertrage der
produktiv tätigen Arbeiter unterhalten würden, wo—
durch die Rentabilität zum Teufel gehen müßte. In
die Millionen gehende Beträge würden doch veraus
gabt für Personen, die bei oberen Beamten Garten⸗
arbeiten, Hausdienste, Stall- und Garagedienste ver—
sähen, ohne die riesigen Ausgaben für ein sonstiges
Heer dienstbarer Geister, die in den Verwallungen umd
sonstwo rein überflüssig seien. Hier hätte der Ver—
waltunasrat der Saargruben ein reiches Betäti—
gungsfeld vor sich, um durch Beseitigung all der
Schmarotzer die Rentabilität der Gruben zu bessern —
Wir haben vorstehend nur den hauptsächlichsten Kla
gen der Belegschaft Raum und Ausdruck gegeben.
Wenn wir alle anführen wollten, hätte der Raum die
ser Nummer nicht ausgereicht. Die Belegschaft ist qus
der Zurückhaltung, die sie bislang geübt hatte in der
Hoffnung, eine Besserung wäre auch ohne Anrufung
der Deffentlichkeit zu erreichen, herausgetreten, wei
sich diese ihre Hoffnung als falsch erwies. Nunmehr
ist es Sache der Bergwerksverwaltung, durch Beseiti—
gung der Mißstände dem gestörten Arbeitsfrieden wie⸗
der eine sichere Grundlage zu schaffen. Daß dies am
besten durch eingehendes Verhandeln mit den Bera⸗
arbeiterorganisationen und gerechter Berücksichtigung
deren Wünsche geschehen kann, hat die Erfahrung zut
Genüge gelehrt. Möge man daher baldigst diesen Weg
beschreiten, da nur er allein zum Besten aller Beten
ligten führt.
n
Was beabsichtigt die
Bergverwaltung?
Ein unverständliches Schreiben.
Die beiden vorausgegangenen Berichte unterrichten
zur Genüge über die Lage im Saarbergbau und die
Lage der Saarbergleute. Daß die wirtschaftliche Lagé
der Bergleute keine rosige ist, haben wir ausreichend
bewiesen. Auch der Geift ist genügend gekennzeichnet,
der sich in den Verwaltungsorganen der Saabgruben
auswirkt. Nun erhielten die Organisationen von der
Bergwerksdirektion ein Schreiben, das in mehr als
einet Hinsicht sehr begeichnend ist. Wir lassen dasselb⸗
nachstehend im Wortlaute folgen:
Saarebruck, 4. Juli 1928
M. Cubinot, Chef du Service Ouvrier.
a Gewerhschaft christlicher Bergarbeiter Deutschlands,
Saarbrücken.
Die Administration beabsichtigt die Dienstanweisung
über den im Gedinge verdienten durchschnittlichen Richt
lohn, der nach der bisherigen Bestimmung nicht weniger
als 10 Frank beträgt und für jedes Vierteljahr für die
Gesamtheit der Vollhauer und für das gesamte Gebiet
berechnet werden soll, abzuändern. Ich bitte Sie, den
12. ds. Mis. vormittags einen Vertrelet Ihrer Organi—
sation nach hier zu entsenden, um von dem neuen Wort⸗
laut der Beitimmungen Kenntnis zu nehmen.
geg. Cubinot.
Welche Aenderungen plant die Verwaltung? Was
orbirgt sich hinter dieser geheimnisvollen Ankündi—
gung? Konnte die Bergwerksverwaltung in ihrem
Schreiben nicht auch sofort die von ihr geplante Aen
derung bekannt geben, damit die Organijationen so⸗
fort über die Absichten derselben im Bilde waren und
ihre Gegenvorschläge einreichen konnten. Das Schrei—
hen atmet verflucht wenig demokratischen Geist. Die
Organisationen werden einfach her zitiert, um die
schon vollzogene Aenderung der wichtigen Be—
timmungen zur Keuntnis zu nehmen. In einer
Zeit, wo ein vereinbarter und von beiden Kontrahen—
ten Erbeitgeber und Bergarbeiterorganisationen) un—
terzeichneter Panteltarif Rechtsgültigkeit hat,
werden wichtige Bestimmungen des Lohnwesens
einfach einseitig festgesetzt u. die Organisationen ledig—
lich zur Kenntnisnahme herbeibeordert, wo doch nost⸗
wendig gewordene Aenderungen nur auf dem Ver—
handlungswege und am Verhandlungstische von bei—
den Kontrahenten geschaffen werden dürften.
Glaubt einer der Kontrahenten, daß eine Aenderung
noiwendig ist, dann soll doch so vorgegangen werden,
daß entweder der Arbeitgeber, wenn er eine Aende—
rung haben will. den Arbeiterorganisationen lein—