Full text: Der Saarbergknappe (3 [1922])

Seite 4. Nr. 27. 
8 begeben mußten. Als sie schließlich an ihre 
rbeilsstelle kamen, mußten sie drei Nächtte lLang 
zuf dem Fußboden hiegen, ehe Strohsäcke und 
Degen ausgegeben wucden. Usber, die Arbeit selbst be— 
richten die beiden, daß die Seilfahrt gruppenweise vor 
sich geht, und diejenigen, die vor Kohle arbeiten, zuerst 
rinfahren müssen. Die Einfahrt geschieht i 
Wagen zu je vier Mann, die auf den Korb 
—— werden. Waschgelegenheit 
ist ausf der Zeche nicht, vorhanden., In der 
Wrube gibt es keine Aborte. Diesem Zwecke müßsen 
die ——— dienen. Feiertage gibt es nicht 
Ostern und Pfingsten wird durchgearbeitet. Die zuge— 
wiesene Wohnung hat keinen Flur, man kommt von der 
Straße direkt ins Haus. Der Keller ist dunkel. Es sind 
in der Gegend 75 bis 8000 Zweifamilienhäuser dieser 
Art fertiggestellt worden. Wörtlich heißt es: „Es geht 
auch so wie in Westfalen: deutsches Kapital ver⸗ 
steht gut zu drücken, aber franzsösisches 
noch mehr, weil das Volkgu dumm ist“ Der 
Briefschreiber geht daun auf die Lebensmittelpreise eir 
und fagt: „Für das Geld, welches ich bis jetzt qusge 
cben dibe hätte ich auch in Deutschland gelebt. E— 
—8 nichts, nach dieser Zeit kommt eine andere, ers 
heißk es arbeiten, dann wird sich das andere finden. Ee 
ist nicht alles Gold, was sich die Menschen ins Blau 
vorkohlen. Nach der Valuta kauft man in Deutschlan 
mehr wie hier.“ — An anderer Stelle wird gesagt, daf 
in Frankreich der Arbeiter noch weniger Recht hat, 
als in Deutschland. Es hieße immer, der Fran 
zose wäre gegen Deutschland 50 Jahre vor, er sei abe 
im Gegenteil 50 Jahre zurück“ 
Dieser Bericht zeigt klar, welche Zustände in franzö 
—9 Bergbaugebieten herrschen und erhärtet auch unser« 
ehauptung, daß die sozialistischen Geiwerkschaften Frank 
veichs trotz ihres vadikalen Geschreies furchtbar wenig für 
die Arbeiterschaft leisten. Sollien auch im hiesigen Revier 
Werbeagenten gauftauchen, dann wissen unsere Kamerader 
ja, wie sie sich zu verhalten haben. 
— 
0 
Aus dem Vereinsgebiete 
Besteuerung der Lothringer Bergarbeiter 
aus der Pfalz 
Schon seit vielen Monaten hat sich unser Gewerkverein 
bemüht, für die pfälzischen Kameraden. soweit diejelben in 
den Lothringer Gruben in Arbeit stehen, bezüglich der Dop⸗ 
pelbesteuerungen Erleichterungen zu schaffen. Leider war 
bder Erfolg nicht so, wie dies für die Karreraden noiwendig 
ist. Auf Drängen dieser Arbeiter hatten wir urns in einer 
längeren Eingabe nochmals an das Finauzministerium in 
Berlin gewandt. Jetzt ist von dem stantlichen Finanzam! 
in Würzburg die nachstehende Antwort eingetroffen: 
„Mehrere Eingaben von pfälgischen Bergarbeiterver⸗ 
bãnden, in welchen darüber Klage geführt wurde, daß un— 
geachtei der Heranziehung der in Lotbringen arbeitenden 
im Reichssgebilet aber wohnhaften deutschen Vergorbeitern 
zu der französischen Lohnfteuer auch nach deren Veran— 
lagung zur Reichseinkommenfteuer beroirt: wurde, veran— 
laßte mich, beim Reichsfinanzministerium zu bean— 
tragen, es möge bis zur Herbeiführung einer Verein— 
barung mit der französischen Regierung einstweilen gemäf 
8 106 A. O. allgemein für diese Fälle die Aurechnung der 
in Lothringen aus dem in Deutschland steuerpflichtigen 
Arbeitseinfommen entrichteten Stenern auf die deutsche 
Steuerschuldigkeit genehmigen. 
Mit Erlaß vom 6. Juni 1922 III E 8371 hat hierau 
der Herr Reichsminister der Finanzen erwidert, die dent 
sche Botschaft in Paris habe bereits mehriach versincht, mis 
gehrten und früher aus der Grube wollten, da han 
man den Zugang zum Schachte verriegeli 
und auf anderen Gruben, wo man von Taq 
maus in die Grubegehenkann, die Eingänge 
miteisernen Torenversperrt hinter denen 
dann die Bergmänner wie eingesperrte 
Sträflinge solange verharren mußzten, bis 
der gewaltige Beamte den Schlüssel herum— 
dr ehte. Jetzt hat euer Varer und seine Kameraden ge— 
mug von dieser Sache, sie wollen auch Menschen und 
Familienväter sein, wollen daher nicht mehr so⸗ 
lange, 12 und manchmal noch mehr Stunden in der Grube 
fFein, damit sie auch etwas von der schönen Gottessonne und 
Ibren Kindern haben. Daher sind sie jetzt im Recht— 
schutzverein zusamnen gegangen, um durch ver⸗ 
einte Kraft das zu erreichen, wozu die Kraft des Ein— 
tzelnen nicht ausreichte. 
Das war die Erzählung der Mutter, die mich heute noch, 
wenn ich mich ihrer erinnere, tief erschüttert. Zwölf 
Stundeén in der Grube, 14 und mehr Stunden der 
Familie fern, das Heim nur Schlafstätte — das ist die trau— 
rige Lage der Beramänner und ibrer Familien aus der da 
maligen Zeit. 
Sie organisierten sich aber im Rechischutzverein. Das war 
nun der starke Bergmann, in dem die Kraft aller einzelnen 
Bergmäuner zusammengeflossen war. Und er half. Die 
Arbeitszeitverkürzung auf 316 Stunden wurde 
erktämpft! Welch ein Jubel herrschte im Elternhaus, bei der 
Mutter und uns Kindern, als der Vater jetzt schon um 4 
Uhr nachmittags nach Hause kam, der Mutter nun etwas 
zur Hand gehen konnte in Haus und Garten und auch 
uns Kindern mal Vater sein konnte! Wer möcht« 
liebe Bergmannsfrau, darauf wieder ver 
gichten? Es ist etwas Großes und Erhabenes, was im 
Zusammenschluß sich ausdrückt. Die Befreiung des 
Bergmannsstandes wurde dadurch errescht, der Berg 
mann seiner Jainilie erst geschenkt. Das ist nur eine 
Wirkung des Zusammenschlußes, die ich heute durch die Er 
ulung meiner Mutter dir nabe brin an wollte Lasse sie 
„BDer Saar-Bergknapper 
der französischen Regierung Verhandlungen über den Ab⸗ 
schluß eines Verktrages zur Vermeidung der Doppelbeitene 
rung, insbesondere bei den in den Grerzbezirken wohnen⸗ 
zen Arbeitern einzuleiten; die Bemihnngen bätten biehet 
feinen Erfolg gehabt. Vom Reichsfnanzministertum aus 
allein fönnien aber die aus der Doppelbesteuerung sich er⸗ 
gebenden Härten nicht beseitigt werden. Es bestände je— 
doch keine Erinnerung dagegen, wenn die Steuer in dieser 
Fallen bis auf weiteres gestundet werde, sofern die Ein 
siehung zu befonderen Schwierigkeiten Anlaß geben follte 
Demgemãß ermächtige ich das Finanzamt, in den frag— 
ichen Fällben bei Vorliegen der beze'chneten Voraus 
sehungen die Steuer bis auf weiteres zu stunden.“ 
gez. Fischer. 
Die Aniwort befriedigt nicht voll. Gewiß ist es gegen 
iber dem bitherigen Zustand eine Verdesserung. Der 
Kamerad kann jetzt, sobald ihm in Lothringen Steuern vorn 
Lohne abgehalten werden, bei seinem Finanzamt in Deutsch 
land eine Stundung beantragen. Unsere endgültige Forde 
rung nach einer Beseitigung der Doppelbestenerung wird 
aufrecht erhalten. Wie aus dem obigen Schreiben klar her⸗ 
vorgeht, liegt der Widerstand zur Zeit bei der ran zösischen 
Regierung. Es werden leider noch viele Arbeiten notwendig 
weiden, bis in Steuerfragen die Situsrtion für diese Kame— 
raden vollständig geklärt ist 
Samstaq. Ren 8. Juli 1022 
wichtig. Das Wesentliche muß deshalb unseren Kamerader 
minerein werden. 
Direktor Dermong hielt sofort bei Beginn der Sitzung 
eine längere Ansprache. Er tadelte zunächst sofort das 
Vorgehen der Organisationen insoweit, daß die Direktior 
nicht sofort von allen Vorkommnissen in Kenntnis gesetz 
wurde. Die Direktion sei bestrebt, mit der Belegschaft ir 
gautem Einvernehmen zu blesben. Die wirtschaftlichen und 
technischen Zustände der Grube mit den Tagesanlagen seien 
jedoch bei seiner Uebernahme in einem wenig erfreulichen 
Zustaud gewesen. Die notwendigen Vorbereitungen unt 
echnischen Verbesserungen verschlüngen zur Zeit große 
Opfer. Ein Zusammenarbeiten aller Beamten mit den Be— 
legschaftsmitgliedern sei notwendig, um den Betrieb aufvech 
erhalden zu können. Wenn in dem Vorhaben der Beamten, 
aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten herauszukommen 
der Arbeiter glaubte benachteiligt zu sein, solle er seint 
Beschwerden vortragen. Ein nationaler Haß seiner Beamter 
gogemüber den Arbeitern sei nicht vorhanden. Die Direktion 
erkenne die schwierige Arbeit der Ingenieure an und spreche 
diesen den Dank aus. Die Direltion sei jederzeit bereit, 
mit dem Arbeiterausschuß und den Organisatsonen über 
a Angelegenheiben sich auszusprechen. Hierzu se 
gegenseitiges Vertrauen unbedingt notwoendig. 
Zunächst wurde über die in der letzlen Zeit vorgenomme— 
nen Entlassungen von Arbeitern gesprochen. Die Direktion 
gibt an, daß sie zu dieser Maßnahme gezwungen worden 
2 r An an 58 nach Feiertagen würden 
2 sehr oft über A0 Arbeiter feiern. Dem wurde entgegen— 
Bon den Arbeitsstätten gehalten, daß nicht selten der Arbeiter durch dringende Ge— 
schäfe und durch sonstige Unistände der täglichen Apbeit 
d H ameraden erubleiben müsse, Dies als willkürliches Feictn anzusehen. 
er et en u längeren Aussprache betonte ge 
5 * Direktion, sie bereit jei, mit den Mitgliedern des Ar— 
Erholungsurlaub. Wird deer Erhbiol una, 4 
urlaub über den 1. J uli hinaus nod usgusprechen Zu diesem Zwed soll von diesen dase Ma 
Jewährt? Diese Frage wird von vielen Kame erial ngetend erbrachht werden. Die Wiedereinsteltung 
aden aus dem Revier an uns gestellt. Bei der Her soll dann erfolgen, wenn sich die Gründe der Entlassung 
Ifeßung des Lohnes ab 14. Wärz 1921 wurde be als nicht stichbaltig erweisen. In Zukunft soll auch der 
rauntlich der Erholungsurla unb gestrichen. Der Sicherheitsmann über eine bevorstebende Enblassung gehön 
Bemühnungen der Organisationen gelang es, denselber J ——— 
dieder zu erlangen, allerdinas mit der Einschränkung Fuüblt. sich weiter ein Hamerad aus irgend einem Grund; 
anedee bkomnen uüͤber die Gewährung des Urlaubß ga su Unre ant hetratar i er pon seunen Vewarrerzr 
—32 3 Gellung habe. Gekbrauch machen. Die Diretknon erklärt, einem Arbeiter 
nur für ein Jahr J aus diesem Grunde irgend eine Schwierigkeit zu machen 
Bei der Beratung des Manteltarifvertrages, in dem Wener soll der Steiger wieder so wie bizher berechtigg 
die ürlaubsfrage in 8 5 geregelt, ist, wurde das erste sein, ürlaub bis zu ein?n Tag zu gewähren. Die Urlaub⸗ 
Abkommen, durch das der Urlaub vorlänfig auf ein rteilung muß jedoch in ein git diesem Zweg angelegtes 
Jahr beschränkt bleiben sollte aufgeho bemin und Buch eingetragen werden. Die Direktion glaubt nicht, da 
ducch ein nenes ersezi. Durch dieses Abkommen von Abstärd nebmen zu fönnen, in bestimmnten Fällen von 
käuftder rlaubauf unbestimmte Seit dem Urlaubsnachsuchenden eine Bescheinigung über seinen 
weiter, sofern das Abkommen nicht unter Einhal · ¶ Verbleib aingisotarn * oll jedoch hier ein weites Ent⸗ 
ung einer Frist von 6 Monaten aufgekündigt wird. gegento nmen urdeige win en. Gh M, wied edun bedere 
Fine solche Aufkündigung ist natürlich ni cht erseigt Seee es der rein mög e 
sodaß alle Befsürchtungen über, eine — E* g de 5 euernbeam ge⸗ 
r —s a 8 rtaub gewährung D Abicing der Gebinge sol vor Dit h ger 
überfluüssig si Die Erweiterungen der Fahrradbuden u der Bade⸗ 
räume konnte leider nicht in der von der Belegschaft ge— 
forderten Weise erreicht werden. Zu diesem Zweck seien 
größere bauliche Veränderungen notwendig. Die Neche sei 
edoch durch die notwendigen baulichen Abänderungen zur 
Verbesserung der technischen Anlagen zur Zeit sehr stark be⸗ 
saiet Eine Abstellung der Miklstände soll iedoch im Aug 
behtlten werden. 
Nachdem noch eine Reihe sonstiger Angelegenheiten be 
sprocken. erreichte die Sißung nach mehr als vierstündigen 
Ddauer ihr Ende. Wir sind weit davon entfernt, in irgent 
einer Augelegenheit Vorschußlorbeeren zu geben; wird aber 
der in der Verbandlung vorhandene Geist weiter auf der 
Jeche walven, glauben wir an eine Minderung der jetz 
horbandenen Kiagen. Es würde uns leid tun, wenn wie 
unz getäuscht sähen 
auf deine Secle wieten, dann wirst du nimmermehr über dit 
Mitarbeit deines nnes oder Sohnes in der Organisa— 
tion, in unserem Gawerkverein, schenpien, wirst auch nicht 
aufgebracht sein über die Beitragsentrichtuug; denn bedenke 
mmer: die Freiheit des Bergmaunsstande? 
wurde durch den Zusammenschluß erkämpff 
und erst durch den Zusammenschluß wurd 
der Bergmann seiner Frau und seinen Kin 
dern neu geschenkt. 
Wie es wird, wenn der Zusammenichluß in die Binsen 
geht, lebrt uns die Zeit nach Verkrachen des Rechtschutzver⸗ 
dins. Die besseren Löhne, die erkämpft wareu, sanken recht 
bald auf den alten Stand zurück obschon di⸗ Gruben riesige 
dewinne machten. Not und Elend wurde wieder täalicher 
Gast im Bergmannshause. Die Behandlung wucde so ichlecht 
wie nie zuvor. Das dauerte so lange, bis die Bergmänner 
sich wieder in einer Organisation, im Gewerkverein 
zusammen fanden und durch diesfen sich wieder Licht und 
duft verschaffhen. 
Und weil auch die 838stündige Arbents zeit in den Berg— 
mann zu laug war, kämpfte der Gewertaerenn, ois die 74. 
ttündige Schicht erreicht war. Aber dieie möce nan dem 
Bergmann wieder gerne rauben. Alle mön' cben Feinde 
des Bergmannes arbeiten an diesem Ziel. Tas dari nich' 
gelingen. Und es wird nicht gelingen, wenn die Berg 
männer, jung und alt, treu zu ihrem Gewerkveren stehen 
es wird nicht gelingen, wenn die Bergmannsiruten und 
Muönter zum Gewerkverein halten und gern die Beiträge ent. 
richten, die zum Durchführen all' der schwe ren urnd wich 
igen Aufgaben gebracht werden müssen. 
Liebe Knappenfraul Möchtest du schuld daran sein, daß 
deiner Familie, deinem Manne und Sohne wieder ein sol⸗ 
hen Los bereitet wird, von dem meine Wutter so lebendig 
zu erzühlen waßzte und das auch du viele:cht noch erlebt 
hastz Neint Recht so. Dann stehe aber auch tren mit den —— 
anderen Bergmannszfrauen zum Gewerlverein und erleich⸗Für die Redaltion verantwortl.: Peter Kiefer, Saarbrũcken. 
tere dem Vertrauensmann sein schweres Amt. das er * Druck der Saarbrücker Druckerei und Verlag A. G. 
alte Bergmanngfamilten auf sich genouimen hal Saarbrücken. 
U8⸗A des Gelberkoereins christl. Bergarbeiter Deubichlande
	        
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