wird und die erwünschte Wirkung für die Entwicklung der
Kindesseele verloren geht.
Die Behandlung dramatischer Dichtungen wird
dadurch vorbereitet, daß das Kind schon frühzeitig angeleitet
wird, seine darstellenden, mimischen Kräfte zu entwickeln;
es soll eigenen Erlebnisgehalt, wie er ihm aus seinem per—
sönlichen Leben, aus kindertümlicher Dichtung, aus Bibel
oder Geschichte entgegenkommt, dramatisch gestalten lernen.
So gewinnt das Kind durch eigenes Schaffen Verständnis
für Bühnenkunst und wird für die Aufnahme guter Bühnen—
werke vorbereitet. Die lebendige Erzählung der zugrunde—
liegenden Fabel durch den Lehrer soll der Klassenlektüre
einer dramatischen Dichtung vorangehen. Das möglichst
gesteigerte Erlebnis der einfachen dramatischen Handlung
ist das Hauptziel der Behandlung; literarische, geschichtliche
und moralische Erörterungen oder Aufsatzthemen können die
Erreichung dieses Zieles leicht in Frage stellen. Dem Kinde
soll, wenn irgend möglich, Gelegenheit geboten werden, die
ihm vertraute Dichtung auf der Bühne zu schauen. Immer
aber soll die Vermittelung einer dramatischen Dichtung in
der Schule zu Freude an guter Bühnenkunst hinführen.
Lernendes Lesen. Im Leseunterricht wird das Kind
zunächst zur kindertümlichen Dichtung geführt. In der
Bürgerschule soll aber auch zum lernenden Lesen angeleitet
werden. Es soll dem Schüler gezeigt werden, wie man aus
vorwiegend belehrenden Büchern Kenntnis gewinnen kann.
Als belehrende Schriften dürfen natürlich nicht Werke in
der trockenen, zusammenfassenden Darstellungsweise der
Realienbücher oder der Fachlehrbücher geboten werden,
sondern es müssen solche geschichtlichen, erd- oder naturkund—
lichen Darstellungen sein, die aus lebensvoller, empfindung—
gesättigter Anschauung heraus kraftvoll gestaltet sind und
im Leser mit zwingender Gewalt inneres Schauen wecken,
wenn seine Seele dazu vorbereitet ist. Die Anleitung zum
lieferen Ausschöpfen solcher Schriften wird in gemeinsamer
Arbeit in der Klasse gegeben. Diese Arbeit ist die gemein—
same Sammlung, Vergleichung und kritische Wertung des
erlesenen Stoffes. In ähnlicher Weise können die Kinder
auch angeleitet werden. die Lesung von Zeitungen oder Zeit—
schriften zum freien Kenntniserwerb zu benutzen.
c) Die Klassenlektüre.
Die gemeinsame Lesung größerer Schriftwerke, als sie
das Lesebuch enthält, soll dem Schüler den Sprung vom
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