Full text: Memorandum zur Bergarbeiterstreikbewegung im Saarrevier 1912 - 13

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gesagt: niemand wird einen Unfall suchen. Das weiß ich; übrigens kommen 
Ünfaͤlle nicht bloß im Betrieb vor, sie passieren auch anderen Menschen, und 
jeder wird wissen, wie viel der Wille eines Menschen dazu beitragen kann. 
die körperlichen Folgen eines Unfalls zu überwinden. Es liegt geradezu im 
Interesse der öffentlichen Moral, daß dieses Interesse des Verletzten an seiner 
Gesundung bestehen bleibt. Nur von diesem Gesichtspunkte betrachte ich die 
Frage, nicht vom Standpunkte einer geringen fiskalischen Geldersparnis. Ich 
habe mich im Reichsversicherungsamt umgetan, wie dort die Auffassung ist, 
und habe mir dort von autoritaliver Stelle sagen lassen, daß man es auch im 
Reichsversicherungsamt nicht für berechtigt anerkennt, daß jemand, der die 
volle Arbeitsbezahlung verdient, daneben noch eine Unfallrente beziehen kann. 
Besonders kraß ist es ja, wenn Leute, die im Bergbau invalide geworden 
sind und nach Maßgabe ihres im Bergbau erzielten Verdienstes eine Rente 
beziehen, nun wieder im Bergbau beschäftigt werden. Ich halte es unter 
allen Umständen für durchaus unzulässig, daß ein gesunder Arbeiter nicht 
mehr oder gar weniger verdienen kann wie ein Unfallrentner. Sollte die 
von der Bergwerksdirektion in der Sache getroffene Regelung so ausgelegt 
werden, als ob sie aus fiskalischen Absichten getroffen wird, so müßte 9 das 
sehr bedauern. Dann wäre ich schließlich vor die Frage gestellt, ob ich nicht 
besser täte, Anordnungen dahin zu treffen, daß solche Unfallrenter überhaupt 
nicht mehr im Betriebe beschäftigt werden, um den Fiskus der bösen Nach— 
rede zu entziehen, als benutze er die armen Leute, um Geld zu sparen. Also 
hier muß ich an der bestehenden Praxis festhalten.“) 
In derselben Sitzung begründete der Zentrums— 
abgeordnete Psfarrer Dr. Glattfelte eingehend die 
Notwendigkeit der Erhöhung der Löhne der Berg— 
arbeiter des Saarreviers. Auch für die Renten— 
empfänger verlangte er den vollen Lohn für die 
geleistelke Arbeit. Die Deputatkohle möge auf 
so Zentnererhöht werden. Zum auskömmlichen Lohn solle 
eine gute Behandlung hinzukommen. Wenn diese ausschlaggebenden 
Zustände (auskömmlicher Lohn und gute Behandlung) an der Saar 
XF werde der Saarbergmann, der sich gegen Disziplin nicht 
träubt, zufrieden sein. Der sozialistische Ansturmwerde 
scheitern an dem Bollwerkeiner national-fühlen— 
den, religiös-gesinnten Arbeiterschaft des Saar— 
reviers. 
Der Zentrumsabgeordnete und chhristliche Ge— 
werkschaftsführer Giesberts wuͤnschte in derselben Sitzung, daß der 
Bergfiskus an der Saar sich ernstlich überlege, wie er die ver— 
hältnismäßig große Lohnspannung zwischen dem Saargebiet und dem 
Kuhrgebiet vermindern könne; es müsse versucht werden, eine An— 
passung der Löhne an die wirtschaftlichen Verhältnisse durchzuführen; 
das sei ein berechtigter Wunsch der Bergleute. Dann sprach er: „Ich 
wünsche ...weiter, daß bei beiden Teilen, zwischen 
den Saarbergleuten und der Benahtune wie⸗ 
der das Vertrauen zurückkehrt, 3 früher be— 
standen hat. Wir werden unsererseits nichts tun, 
umdieses Vertrauenzuerschüttern, Uund wirwerden 
auch unsererseits Maßnahmen, selbst wenn sie von 
unseren eigenen Leuten ausgehen, nicht billigen, 
die daraufhinwirken, künstliche Gegensätze zwischen 
der Verwaltung und den Bergleuten zu schaffen. 
1) Viele Unfallrentner wären froh, wenn sie mit Einschluß ihrer Unfall⸗ 
rente den Verdienst bekämen, den sie vor dem Unfall hatten.
	        
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