Full text: Das Saargebiet und die Französische Revolution

Jesuit ein eifriger Verfechter der Bestrebungen seines Ordens ge⸗ 
wesen und übte jetzt in diesem Geiste sein Amt aus. Sein VUach- 
folger W. J. Castello hingegen, der als begeisterter Anhänger des 
Febronianismus und der Rufklärung während der Reaktionszeit 
im Kurfürstentum bei Beginn der Revolutionsjahre nach St. 
Wendel verfetzt wurde, hatte später einen großen Einfluß auf das 
politische Leben der Bürger 8). 
Ueberblichkt man die Gesamtphysiognomie des Saargebietes am 
Dorabend der Revolution, so begreift man, daß sich die staats- 
umwälzenden Ereignisse in Frankreich auch in diesem Grenzlande 
auswirken mußten. Obwohl es in jenem Jahrhundert einen nicht 
unbedeutenden industriellen Aufschwung nahm, waren die da— 
maligen Dertreter des Ancien Régime der kleinen Jerritorien 
nicht mehr imstande, alle Mißstände zu beseitigen, die wir an— 
getroffen haben. 
War schon der Saarbrücker Hof im Gegensatz zu vielen anderen 
deutschen Höfen wenig von dem französischen RKultureinfluß durch⸗ 
drungen worden, so blieb das Saarvolk selbst von jeglicher Ein⸗ 
wirkung der französischen Kultur unberührt. Es hatte seinen deut- 
schen Charakter — auch in der Enklave Saarwerden — in völliger 
Keinheit bewahrt. Das politische CLeben des Dolkes war noch nicht 
erwacht, und da, wo es sich zu regen begann, wie in den Städten 
Saarbrücken und St. Johann, noch wenig entwickelt. Ein Uatio- 
nalbewußtsein im heutigen Sinne war wie im ganzen Rheinlande 
nicht vorhanden. 
Bevor wir in die Zeit der Revolution eintreten, ist es für das 
Derständnis der Dorgänge im Saargebiet notwendig, die Stellung, 
die Saarlouis in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein- 
nahm, ins Auge zu fassen. Saarlouis war eine Schöpfung der 
aggressiven Expansionspolitik Frankreichs und infolgedessen mit 
dem Derlaufe der Entwicklung dieser Politik auf das innigste ver- 
knüpft. Unter dem Gesichtswinkel der Siedlungsgeschichte gesehen 
war Saarlouis eine künstliche, nicht organisch gewachsene Stadt 
inmitten der Kulturlandschaft des Saargebietes. Es war unmög— 
lich, daß eine so groß angelegte Festung und Siedlung in einer 
sumpfigen und unfruchtbaren Umgebung sich ohne weiteres im 
berlaufe der kurzen Frist von einem Jahrhundert dem LKultur- 
gebiet der Saar angleichen konnte. Sie vermochte nur so 
lange der ihr zugedachten EKufgabe, nämlich ausschließlich der 
politischen, gerecht zu werden, wie der Machtbereich Frankreichs 
sich über dieses Gebiet erstreckte. Nur durch außerordentliche Privi⸗ 
legien war sie lebensfähig zu erhalten. Da die aggressive Politik 
Frankreichs mit dem Tode Cudwigs XV. zusammenbrach und 
as) Bettingen, Geschichte der Stadt und des Amtes St. Wendel. 1866 
S. 424 f. 
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