Weder die französische Julirevolution, noch die radikal-politische
Bewegung in der Pfalz in den Jahren 1831 und 1832 fanden bei der
benachbarten preußischen Bevölkerung irgendwelchen Widerhall.
Die von dem nahen Zweibrücken aus verbreiteten slugblätter
gegen die preußische Regierung blieben ohne Wirkung “). Zwar
nahmen drei Saarbrücker Kaufleute am hambacher Fest teil. Der
eine war aber nur auf einer Geschäftsreise vorbeigekommen, die
anderen hatte reine Neugier hingetrieben, wie v. Bodelschwingh,
damals Regierungspräsident in Trier, berichtete, indem er betonte,
daß seine Behauptung von der geringen Anteilnahme der Saar—
länder an diesen Dorgängen dadurch nicht widerlegt sei ). Saar—
brücken galt in den Z0oer Jahren bei den Behörden, denen die
unruhige Nachbarschaft viel Sorgen bereitete, für die bestgesinnte
Stadt des Regierungsbezirks. Sei im allgemeinen die Stimmung
gut zu nennen, so herrsche in Saarbrücken der „bessere Geist“, nur
„im Saarbrückischen“‘ könne von „positiver Anhänglichkeit“ an
Preußen gesprochen werden ').
Trotzdem hatten auch die Saarbrücker die allen Rheinländern
eigene Dorliebe für alles Französische. Als die Unternehmer 1843
über die Bildung einer Handelskammer berieten, griffen sie bet
der Ausarbeitung der Statuten auf eine 1815 während der hundert
Tage für Saarbrücken gegebene Derordnung zurück und zogen
die neue französische Handelsgesetzgebung heran. Deren Grund—
sätze spielten sie gegen die von der Regierung gegebenen Kicht—
linien aus). Die einzige erhebliche Störung der öffentlichen
sa) G. St. A. R. 77 tit. 605 Nr. 5 vol. J. fol. 168 (Ber. v. 3. 3. 1832), fol.
179 (Ber. v. 4. 6. 1832), fol. 213 (Ber. v. 12. 8. 32), fol. 254 (Ber. v. 8. 182.
1832). St. A. K. Abt. 477 Nr. 102 fol. 87 (GJahresber. des Landrats v. Ott—
veiler v. 24. 1. 1832).
us) St. A. K. Abt. 403 Nr. 2458 fol. 86. — Zwei Saarbrücker wurden
1838 b. d. Polizeiminister polit. Interessen verdächtigt, der eine, Kaufm.
d. Rolls aus St. Johann, ein Mann, der sich 1848 b. allen mögl. Gelegen—⸗
heiten betätigen zu müssen glaubte, ein Unikum m. verschrobenen Ansichten
u. sehr minimalen Fähigkeiten, wurde wegen s. „französ. u. ultraliberalen“
Brundsätze überwacht; über d. anderen, d. damaligen Oberpfarrer, späteren
Superintendenten Follenius, schrieb v. Bodelschwingh: „Er hat wohl in
früheren Jahren d. deutsch-demagogischen Partei angehört u. mag auch jetzt
in seiner politischen Gesinnung zu d. Liberalen gezählt werden, welche d.
baldige Einführung einer Verfassung wünschen, sich auch vielleicht ein ein⸗
zelnes Mal darüber in einer Weise geäußert haben, d. sich besonders f. s.
Stand nicht schickt; übrigens aber ist er, dies glaube ich n. sorgfältiger Er—
kundigung versichern zu können, ein rechtlicher, der Regierung treu er⸗
gebener Htann und nichts weniger als ein Anhänger d. Franzosentums, der
überdies als Pfarrer u. Schulinspektor mit ausgezeichnetem Erfolg wirkt.“
B. St. A. R. 77 tit. 305 Nr. 5 vol. J. fol. 179 (Ber. v. 4. 6. 1838).
ce) q. a. O. vol. J. fol. 31 (Ber. v. 9. 11. 80), fol. 108 (Ber. v. 5. 58. 31),
fol. 159 (Ber. v. 1. 2. 32), vol. MI fol. 87 (Ber. v. 2. 11. 34). — Unter dem
„Saarbrückischen“ ist wohl das Gebiet der ehemaligen Grafschaft Nassau—
Saarbrücken zu verstehen.
o7) St. A. K. Abt. 442 Nr. 1440. S. o. S. 142.
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