Full text: Das Saargebiet und die Französische Revolution

des Staatsbürgertums“ *); es ging schließlich nicht mehr um 
UNützlichkeitsfragen, sondern um politische Prinzipien- und Macht- 
fragen *). Besonders deutlich zeigte sich dies in der Behandlung 
der Frage der kommunalen Verfassung. Der Wunsch nach Besserung 
war groß, Preußen bot weitgehende Selbstverwaltung, aber — 
nur den Städten. Deswegen wiesen die Kheinländer jahrzehntelang 
die preußischen Wohltaten ab; sie wollten nicht, daß das CLand zu 
einem Derwaltungsbezirk zweiter Ordnung herabgedrückt wurde. 
Die tiefe Wurzel ihres Widerstandes war die „richtige Erkennt— 
nis, daß es sich hier wiederum um den grundsätzlichen Kampf der 
staatsbürgerlichen Derfassung mit der ständischen handelte. Im 
letzten Grunde lief die von der Kegierung beabsichtigte Trennung 
zwischen Stadt und Land doch auf die Trennung der Stände 
hinaus“ »). — Diese politischen Spannungen erfuhren frühzeitig, 
in wachsendem Maße seit 1830, eine erhebliche Derschärfung durch 
die Derquickung mit dem konfesstionellen Gegensatz; aus ihm zog 
der preußenfeindliche Partikularismus neue Nahrung. Zwischen 
der Kegierung und der katholischen Kirche entbrannte bald der 
Streit um die Frage der Mischehen. Die Kurie wollte das preußische 
Therecht, das die Erziehung der Kinder im Bekenntnis des Daters 
forderte, nicht anerkennen, verlangte vielmehr unnachgiebig das 
Dersprechen katholischer Kindererziehung. Da Preußen es 1821 
erreichte, daß das Erzbistum Köln und das Bistum Trier mit 
toleranten Männern besetzt wurden, war es zunächst möglich, 
einen modus vivendi zu finden und die papalistische Strömung des 
erstarkenden Katholizismus zu dämpfen. Aber nach einem un— 
günstigen Personenwechsel kam der Konflikt im Jahre 1837 zum 
Austrag. Erst 1841 wurde er beigelegt; Friedrich Wilhelm IV. gab 
allen Ansprüchen der Kirche nach. Durch diese Auseinander— 
setzungen wurden zum ersten Male große Bevölkerungsgruppen 
dem politischen CLeben zugeführt. „Die Konfession wurde der UNerv 
einer politischen Parteibildung“ »). — Eine ganz neue Wendung 
erhielt das politische Leben der RKheinprovinz zu EAnfang der 
Wer Jahre durch das Auftreten des neuen rheinischen CLiberalis- 
mus, der getragen war von dem protestantischen Bürgertum, das 
im Wirtschaftsleben die Jührung innehatte. Die zielbewußte 
87) Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. 1879-94. 6b. Bd. 
S. 263. 
as) Zur Frage des rhein. Rechts: E. Landsberg, Das rheinische Recht und 
die rheinische Gerichtsverfassung. Die Rheinprovinz 1816—51915. 1. Bd. 
S. 149 ff. Croon, a. a. O. S. 1b2 ff.; Treitschke, a. a. O. 4. Bd. S. 561 ff. 
Zur Frage der Gemeindeverfassung: Jigen, a. a. O. S. 115 ff.; Croon, a. a. O. 
S. 127 -150. 
20) Croon, a. a. O. — 1845 wurde endlich eine f. Stadt und Land 
gemeinsame Gemeindeordnung gegeben, die aber nur Wahl der Gemein de⸗ 
vertreter gewährte; Bürgermeister und Gemeindevorsteher wurden weiterhin 
o. d. Regierung ernannt. 
0) Hansen, a. a. O. S. 686. 
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