Full text: Das Saargebiet und die Französische Revolution

Seiten mit großer Zähigkeit durchgefochten wurde. — Die maß— 
gebenden Kreise in Preußen wollten die ständische Gesellschaft mög- 
lichst Konfervieren. Die historischen Gesellschaftsschichten des Ostens 
mit abgestuften politischen Rechten, Adel, städtisches Bürgertum 
und Bauernstand, sollten erhalten und am Rhein, wo sich mit den 
veränderten wirtschaftlichen CLebensbedingungen die Kräfte im 
Gesellschaftskörper schon wesentlich verlagert hatten, sogar wieder— 
geschaffen werden. So wurde in den altpreußischen Landesteilen 
die Bauernbefreiung unterbrochen und in der Rheinprovinz der 
Adel wiederhergestellt, die Fideikommißbildung wieder erlaubt und 
auch hier das Recht der Standschaft zum Provinziallandtag an 
Grundbesitz geknüpft, obwohl dieser hier seine beherrschende RKolle 
im Wirtschaftsleben verloren hatte. — Die Bevölkerung am Rhein 
dagegen hatte sich in der Zeit ihrer Zugehörigkeit zum demokrati— 
sierten französischen Staat mit den neuen Dorstellungen von Staat 
und Gesellschaft durchdrungen und sich als einheitliches Staats- 
bürgertum fühlen gelernt, das nur den für alle geltenden Gesetzen 
unterworfen ist und dem Staat in allen seinen Gliedern gleich— 
berechtigt gegenübersteht. Das Prinzip der staatsbürgerlichen 
Kechtsgleichheit erschien den Rheinländern als „die unerläßliche 
Srundlage des Staatswesens“ 
Bis zur Revolution war der LCandtag der wichtigste Faktor im 
politischen CLeben der Provinz *). Obwohl die Regierung selbst bei 
der Einrichtung der rheinischen Provinzialstände (1823) den Der— 
hältnissen des Candes nicht Rechnung trug und dem beweglichen 
kKapital keine seiner Bedeutung entsprechende Dertretung zu— 
kommen ließ, die geistigen Berufe und den Klerus sogar völlig 
von den politischen Rechten ausschloß), und obwohl die Kompe— 
tenzen des Candtags sehr eng begrenzt wurden, war er bis 1848 
mehr als eine Interessenvertretung. 
Die ersten politischen Anstrengungen der Rheinländer galten 
der Derteidigung zweier französischer Einrichtungen, des französi— 
schen Rechts und der französischen Munizipalperfassung, gegen die 
Bemühungen der Regierung, sie durch preußische zu ersetzen. Aus 
diesen Kämpfen gegen verschlechternde Regierungsmaßnahmen er— 
wuchs ein ausgesprochener Partikularismus, gekennzeichnet durch 
blinde Dorliebe für alles Kheinische und durch Mißtrauen und 
Widerstand gegen alles Preußische. In beiden Streitfällen handelte 
es sich letztlich um die Aufrechterhaltung „des kahlen Begriffes 
ss) Fast die gesamte politische Literatur münzte nur seine Verhandlungen 
aus. Croon, a. a. O. S. 17. — Der Landtag war versammelt: 1826, 1888. 
1830, 1833, 1837, 1841, 1843, 1846. 
ss) Zu den Provinzialständen vgl. Gust. Croon, Der rheinische Provinzial— 
landtag bis zum Jahre 1874. Düsseldorf 1918 S. 19 ff.; Th. Ilgen, Organi— 
sation der staatlichen Verwaltung und der Selbstverwaltung. Die Rhein— 
provinz 1815- 1915. J. Bd. S. 87 -148. 
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