Full text: 1914 (0002)

Seite Jo02 ιιι vꝝ Siudwestdeutschland 
werden vor allen Dingen die zulässigen, bis zu 2 mm tiefen Vor— 
bauten zu gute kommen. 
Bei Straßen, wo Wagen mit Motor oder elektr. Kraft fahren, 
ist es zweckmäßig, die Straßenbahnen über einen Streifen Rasen 
laufen zu lassen, eventl. mit einem Fußweg auf jeder Seite. Dadurch 
vermeidet man Staubentwicklung, auch wird die Bahn mehr zum 
Straßenschmuck, in dem sie eine breite Kaseneinfassung in das Bild 
bringt. Die neueren Straßen von Groß-Berlin zeigen überall der— 
artige Anlagen; teilweise sind sie mit Baumreihen geschmückt, und 
bilden so abends, wenn der Verkehr nachgelassen hat, beliebte Prome— 
naden. 
Da solche Straßen sehr teuer, und ihre Unterhaltung sehr kost—⸗ 
billig ist, wird man sparsam damit umgehen; zudem erscheinen sie 
auch nur als hauptverkehrsstraßen berechtigt. 
vxch vs om Nr. 9 
Ein gutes Beispiel für Umbauung einer Kirche ist Worms, wo 
Professor Fischer mit feinem Empfinden das Cornelianum um die 
Dreifaltigkeitskirche gruppierte bezw. wieder umbaute. 
Der Begradigung sind auch schon sehr viele alte Straßen zum 
Ypfer gefallen; sie entsteht aus der Absicht, eine Straße zu ver— 
»reitern. Wo dies der gesteigerte Verkehr verlangt, muß es geschehen, 
iber es ist nicht immer gesagt, daß damit die Schönheit alter Straßen— 
züge vernichtet werden muß. In vielen Fällen würde es genügen, 
iur das Erdgeschoß zurückzuschieben oder mit Arkaden zu durch— 
»rechen und diese Laubengänge dann dem Fußgänger-Verkehr zu 
ibergeben. 
Auf diese Art könnte vielleicht hier die Marktstraße, bei 
trhaltung der eigentlichen Bauflucht reguliert werden. Von der 
Fürstenstraße ab bis zum Markt werden im Erdgeschoß, etwa auf 
ca. 3,50 m Breite Cauben ausgebrochen, dahinter könnten, wie dies 
uch heute der Fall ist, kleinere Geschäfte eingerichtet werden. Dieses 
daubenmotiv kann sich bei Umgestaltung des Obertors wiederholen. 
tin Beispiel ähnlicher Art führt z. Zt. Professor Erlwein in Dresden 
»eim Neubau der Löwenapotheke auf dem Altmarkt aus. 
Durch eine derartige Anlage wird das Platzbild auch nicht durch 
zu breite einmündende Straßen beeinträchtigt, auch ist der Fußgänger— 
verkehr geschützt. 
Es ist sehr zweckmäßig, alte Bauten von kKünstlerischer und ge— 
chichtlicher Bedeutung, wozu namentlich auch charakteristische Privat— 
säuser gehören, in den Sluchtlinienplänen als solche erkenntlich zu 
nachen. Damit wird bezweckt, daß eben schon bei Beginn der 
Nanung mit solchen Bauten gerechnet wird, und diesen ent— 
prechend werden sich dann die weiteren Maßnahmen zu richten haben. 
Ein wichtiger Bestandteil im Straßenbild ist die Ecke, die an der 
Kreuzung zweier Straßen entsteht. Ein großer Fehler unserer Seit, 
in städtebaulicher hinsicht ist es, die Ecke meistens ohne zwingende 
Gründe hervorzuheben. Auf alten Stadtbildern sehen wir das selten, 
weil hierdurch meistens die räumliche Wirkung aufgehoben wird. An 
der Ecke soll der Blick nicht aufgehalten, sondern nach der andern 
straßenseite übergeleitet werden. 
Wir finden an alten Gebäuden höchstens ein Erker, der sich aber 
in der Dachgestaltung nicht bemerkbar macht. 
Die Schauseite eines hauses kann nur in der Släche, also am 
Platze oder Straße entwickelt werden, nicht aber an der Ecke, wo 
uns der übliche Turmaufbau als aller Verlegenheit helfen soll. 
Solche Türme und Giebel sind mit dem Aufblühen der Renaissance, 
gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, in unzähligen Malen 
als schmückendes Motiv, ohne innere Berechtigung angebracht worden 
und haben für die Allgemeinheit die gleiche Bedeutung wie etwa 
ein Ornament erhalten. 
Daß ein Turm und dergl. nur dann Sinn hat, wenn er eine 
gewisse Sweckbestimmung verfolgt, daran denkt man in vielen Fällen 
nicht mehr. Am tollsten sieht es aber aus, wenn an einer Straßen⸗ 
kreuzung alle 4 Ecken Türmchen mit Erker tragen, eine Anordnung, 
wie man sie auch hier vielfach sieht. 
Wir haben nun gesehen, daß es im 18. Jahrhundert die Fürsten 
waren, die den Städtebau zu einer hohen Kultur brachten. 
heute hat das Gemeindewesen die Aufgaben jener städtebauenden 
Fürsten zu übernehmen. 
Was die Alten von Fall zu Fall, häufig von glücklichem Impuls 
zeleitet, oft auch tastend hervorgebracht haben, müssen wir voraus— 
destimmend, bewußt, und mit überlegung machen. Bei dem Wachstum 
der Städte ist eine planmäßige, vorherige Bearbeitung unerläßlich, 
das gilt auch für Saarbrücken, wo aus früherer Zeit noch viel nach— 
zuholen ist. 
Mit unsern städtebaulichen Plänen und Vorarbeiten müssen wir 
o weit kommen, daß das beabsichtigte Bild, das Platz oder Straße 
iach ihrem Ausbau ergeben soll, wenigstens allgemein vorgezeichnet 
st. Ist dies der Fall, und es wird irgend eine Bebauung in Angriff 
jenommen, so kann der Architekt, womöglich schon vor Einreichung 
ines Baugesuches, mit der Verwaltung in Verbindung treten, wo 
hm dann an hand der Bebauungspläne und Stkizzen klar gelegt 
wird, was beabsichtigt ist. Ein derartiges Vorgehen würde auch 
die rascheste Erledigung eines Baugesuchs zur Folge haben. 
Für diejenigen, die den Ausbau bewirken, entsteht dann die 
dufgabe — hier ist wohl neben dem Bauherrn in erster Linie der 
etreffende Architekt zu nennen — ihre Werke dem Plangedanken 
inngemäß einzufügen. Geschieht dies in richtiger Weise, so wird 
iuch das Gesamtergebnis ein gutes sein; dann werden auch wieder 
ztadtgebilde entstehen, die im Außern harmonisch ihre Zweckmäßigkeit, 
»en Stempel unserer Zeit und der Bedürfnisse tragen, wie dies in 
rüheren Seiten der Fall war. 
Dieses Siel zu erreichen, erfordert aber das Interesse und die 
nNitarbeit aller Bürger, und ich will schließen mit dem trefflichen 
zatze von Professor Brinkmann, der sagt: 
„Unsere Städte werden nur dann eine architek— 
tonische Kultur ausdrücken, wenn sie aus sich heraus 
an sich arbeiten, und jeder Bürger in ihnen sein heim 
erkennend, auch verantwortlich für ihre Erscheinung 
sich fühlt“ 
Die Vorgärten machen teilweise einen guten, oder je nachdem sie 
geflegt werden, auch schlechten Eindruck. Der gute Eindruck wird 
erhöht, wenn man die hohen Gitter bei schmalen Vorgärten fort— 
fallen läßt, und nur ganz niedere Einfriedigungen wählt. 
Um die gute Wirkung eines Vorgartens zu fördern, ist man 
neuerdings mit Erfolg dazu übergegangen, den Streifen zwischen 
Straßen- und Baufluchtlinie zur Straße einzuziehen und ihn durch 
die Stadt, nach einheitlichen Gesichtspunkten, gegen entsprechende 
Entschädigung auszuschmücken und zu pflegen. 
Soviel mir bekannt, ist hier erstmals eine derartige Ausführung 
bei den häusern der St. Johanner Baugenossenschaft auf dem Hom— 
burg beabsichtigt. 
Mit der Stadtbaukunst steht die Denkmalspflege im engsten Zu— 
sammenhang. In der Denkmalspflege beschränkte sich bisher das 
Interesse meistens nur auf Erhaltung besonders reich und schön ge— 
bildeter, oder historisch merkwürdiger Einzelbauten. Damit wurde 
aber in vielen Fällen nicht viel gewonnen, denn die Verödung vieler 
unserer Städte entstand durch schematische Regulierungen, durch welche 
eben der ganze bauliche Zusammenhang vernichtet wurde. Am 
meisten ist aber wohl durch die Freilegungen gesündigt worden. Ich 
erinnere hier an Ulm, das vor Jahren eine Lotterie für die Frei— 
legung des Münsters brachte; heute ist eine Lotterie im Gange, die 
bezweckt, das Münster wieder zu umbauen. 
In Cöln trägt man sich ebenfalls mit dem Gedanken den Dom 
zu umbauen. 
200 
5200 
K 
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