Full text: 1914 (0002)

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νι Sudwestdeutschland 
*ανα Nr. 
einer Stalltüre zum Einschlupf in den warmen Stall benutzte, wo er 
in einem Schlupfwinkel nächtigte, den ich allerdings nicht ausfindig 
zu machen vermochte. Die Zutraulichkeit des Tierchens ging so weit, 
daß es, als es einmal das gewohnte Schlüpfloch bereits verschlossen 
fand, lange unschlüssig umherschwirrte, dann aber, wenige Minuten 
nachdem ich dasselbe geöffnet hatte, aus der nahen Hecke herbeiflog 
und ohne Zaudern einschlüpfte. 
Zur Ruhestätte wählt der Zaunkönig mit Vorliebe die alte Nist— 
stätte, das kugelige, mollig mit Federchen ausgepolsterte Nest mit 
dem engen Schlupfloch, so daß die sonst so grundfalsche Ansicht des 
Nächtigens der Vögel in ihren Nestern tatsächlich bei ihm zutrifft. 
Auch bauen sich die SZaunkönige eigene Schlafnester aus Moos. In 
diesen, in alten Nestern kleinerer Vogelarten, in Mauer- und Erd— 
löchern sowie in hohlen Bäumen vereinigen sich die Artgenossen der 
Umgebung zu gemeinsamer Nachtruhe. Strenge Winterkälte scheint 
jedoch im Verein mit dem Kaubgesindel alljährlich einer großer Sahl 
von Zaunkönigen verderblich zu werden; denn trotz der zweimaligen 
zahlreichen Brut ist keine merkliche Vermehrung der Vogelart wahr— 
zunehmen. 
Es mag dem kleinen Insektenfresser allerdings nicht immer leicht 
werden, im Winter die nötige Nahrungsmenge aufzutreiben. Wie 
bei allen Insektenfressern ist seine VPerdauung äußerst lebhaft, und es 
bedarf bedeutender Mengen an Kerfen, Spinnen und ähnlichem 
Kleingetier, um die Magenansprüche des beweglichen Burschen vollauf 
zu befriedigen. Der Suche nach Nahrung gilt sein rastloses Umher— 
schlüpfen und sein geschäftiges Tun vom frühen Morgen bis zum 
Abend des Wintertages. Daß ihm jedoch auch bei der verdoppelten 
vorge der kargen Winterszeit noch Zeit bleibt zu seinem aufmunternden 
und in der Winteröde um so auffälligeren Singen, sichert ihm die 
Hunst des Vogelsfreundes in besonderem Maße.— 
In seiner allzeit unverdrossenen fröhlichen Lebhaftigkeit wird der 
Zaunkönig jedoch noch übertroffen von einem anderen Wintersänger 
unserer heimischen Vogelwelt, der im platten Lande allerdings kaum be— 
kannten Wasseramsel (Cinclus merula), auch Wasserstar und Wasser— 
schmätzer genannt. In ihrem possierlichen Wesen und ihrem schwirrenden 
Flug erinnert sie nicht wenig an den Zaunkönig, doch ist ihr Reich 
nicht die starre Hecke, sondern der lebendige, sprudelnde Bach. In 
Gestalt und Größe kommt sie der bekannten Schwarzdrossel nahe 
doch ist ihre Gestalt kurz gedrungen, ihr Benehmen lebhafter und 
kecker. Der Rücken ist fahlbraun bis schwarzbraun, der Kopf lichtbraun: 
Kehle und Brust sind reinweiß. 
Sicherlich bietet die Wasseramsel eine der auffallendsten und an— 
ziehendsten Vogelgestalten. Erquickend wirkt das Bild ihres Treibens 
am winterlichen Gebirgsbach. Dort, an den kristallklaren, kalten 
Forellenwassern ist ihr Revier, das sie nicht leicht verläßt und aus 
3ubis 4 Kilometer Bachlauf vor dem Eindringen von Artgenossen 
sorgsam hütet. Die hohen, waldigen Wände der felsigen Talschlucht 
starren in Frost und Schnee. Mit gedämpftem Gurgeln eilt der 
eisverbrämte Bach durch die Einsamkeit des weltfernen Talgrundes 
Von dort, wo dem wilden Waldbach sich das übermooste Steinwehr 
entgegenstemmt und die Silberwellen mit lautem Rauschen hinabstürzen 
in den Wirbel und über den weißen, tanzenden Schaum hinsprühen, 
von da grüßt der Wasseramsel anmutiges Singen als ein froher 
Cebenslaut in die einsame Winterstille und in die tote Winterstarre. 
Es ist ein leises Schwätzen, wie Wellengeriesel eines sanft über 
Kieselgrund dahineilenden Wässerleins, das sich zu einem lauten 
Schnurren und Schnalzen steigert, in einem metallisch klingenden, 
kräftigen Zwitschern den höchsten Ausdruck findet und von zierlichem 
Wippen des Kopfes und Schwanzes begleitet wird. Der Sang 
verstummt. Da löst sich von dem aufragenden Pfahl am Wehr die 
behende Vogelgestalt. Mit der Schnelligkeit einer Bachstelze eilt sie 
über die Steine des Wehres, watet in das Wasser hinein, immer 
tiefer, bis sie darin verschwindet, schießt blitzschnell eine Strecke auf 
dem Grunde hin, taucht wieder auf und wirft sich dann in keckem 
Uebermut kopfüber in den tollsten Strudel der eisigen Flut, wirbelt 
in gewandtem Schwimmen einigemal mit den tanzenden Wellen rund 
und schwingt sich dann zu lustigem Singen auf ihre Warte am 
Steinwehr. Doch nur wenige Augenblicke duldet es sie dort. Jählings 
wirft sie sich wieder in den senkrecht abstürzenden Wasserstrudel, 
läßt sich mit hinabreißen und von dem Wasser tragen, indem sie 
taucht, mit den Slügeln rudert, übermütig singt und immer wieder 
mit Wohlbehagen ihr Gefieder von dem eisigen Wasser bauschen 
uud blähen läßt. Nur ein sehr dichtes und reichlich eingefettetes 
Gefieder befähigt sie zu diesen Badekünsten auch bei der strengsten 
Winterkälte, die ein ergötzliches Bild unverdrossenen Frohmutes bieten. 
Den Mißmut und Trübsinn drückender Nahrungssorgen kennt 
die Wasseramsel nicht. Kerbtiere und Wasserinsekten aller Art sowie 
deren Larven, an denen das Wasser immer reich ist, bilden ihre 
Jahrung. Und wenn diese fehlte, so birgt der Bach Jungfische in 
Menge, die das hauptsächlichste Jagdwild der Wasseramsel bilden. 
In der Art der Jagd auf kleine Fische unterscheidet sie sich von 
Nest des Zaunkönigs 
hrem Genossen im Sischereigewerbe, dem Eisvogel, jedoch wesentlich 
dieser ist ein Stoßfischer, der, von seinem Lauerposten herabstürzend, 
ein Opfer erhascht. Die Wasseramsel hingegen stöbert die Fische auf, 
ergreift sie in pfeilschnellem Nachschießen auf der FSlucht, vorwiegend 
iuch, wenn sich dieselben in Schlupfwinkeln an Steinen oder am 
hbrunde des Gewässers andrücken wollen. Sie hält das erbeutete 
zischlein quer im Schnabel und tötet dasselbe, bevor sie es verschlingt 
urch Aufschlagen auf einen Stein oder auf die Oberfläche des Wassers 
ztarker Winterfrost zwingt die Wasseramsel an Stellen das Bachlaufes 
ie stets eisfrei bleiben, so an die Bachquellen, Wehre und stark 
ließende Schnellen. Zu dieser Zeit ist der sonst ziemlich scheue Vogel 
auch an Bächen in der Dorfnähe oder selbst inmitten des Dorfes 
ertraut. Lange KRegenzeit und die Schneeschmelze des Frühjahres, 
die das Wasser trüben, bringen der Wasseramsel oft bittere Nahrungsnot, 
n der sie shwimmend die Uferränder absucht und hier die überhängenden 
hälmchen und Ranken des Rasens nach Wassertieren umwendet. 
Wenige solcher Tage genügen, die Wasseramsel alle ihre sonstige 
Beweglichkeit und ihren frohen Sang vergessen z3u lassen. 
V. Sch.
	        
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