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νι Sudwestdeutschland
*ανα Nr.
einer Stalltüre zum Einschlupf in den warmen Stall benutzte, wo er
in einem Schlupfwinkel nächtigte, den ich allerdings nicht ausfindig
zu machen vermochte. Die Zutraulichkeit des Tierchens ging so weit,
daß es, als es einmal das gewohnte Schlüpfloch bereits verschlossen
fand, lange unschlüssig umherschwirrte, dann aber, wenige Minuten
nachdem ich dasselbe geöffnet hatte, aus der nahen Hecke herbeiflog
und ohne Zaudern einschlüpfte.
Zur Ruhestätte wählt der Zaunkönig mit Vorliebe die alte Nist—
stätte, das kugelige, mollig mit Federchen ausgepolsterte Nest mit
dem engen Schlupfloch, so daß die sonst so grundfalsche Ansicht des
Nächtigens der Vögel in ihren Nestern tatsächlich bei ihm zutrifft.
Auch bauen sich die SZaunkönige eigene Schlafnester aus Moos. In
diesen, in alten Nestern kleinerer Vogelarten, in Mauer- und Erd—
löchern sowie in hohlen Bäumen vereinigen sich die Artgenossen der
Umgebung zu gemeinsamer Nachtruhe. Strenge Winterkälte scheint
jedoch im Verein mit dem Kaubgesindel alljährlich einer großer Sahl
von Zaunkönigen verderblich zu werden; denn trotz der zweimaligen
zahlreichen Brut ist keine merkliche Vermehrung der Vogelart wahr—
zunehmen.
Es mag dem kleinen Insektenfresser allerdings nicht immer leicht
werden, im Winter die nötige Nahrungsmenge aufzutreiben. Wie
bei allen Insektenfressern ist seine VPerdauung äußerst lebhaft, und es
bedarf bedeutender Mengen an Kerfen, Spinnen und ähnlichem
Kleingetier, um die Magenansprüche des beweglichen Burschen vollauf
zu befriedigen. Der Suche nach Nahrung gilt sein rastloses Umher—
schlüpfen und sein geschäftiges Tun vom frühen Morgen bis zum
Abend des Wintertages. Daß ihm jedoch auch bei der verdoppelten
vorge der kargen Winterszeit noch Zeit bleibt zu seinem aufmunternden
und in der Winteröde um so auffälligeren Singen, sichert ihm die
Hunst des Vogelsfreundes in besonderem Maße.—
In seiner allzeit unverdrossenen fröhlichen Lebhaftigkeit wird der
Zaunkönig jedoch noch übertroffen von einem anderen Wintersänger
unserer heimischen Vogelwelt, der im platten Lande allerdings kaum be—
kannten Wasseramsel (Cinclus merula), auch Wasserstar und Wasser—
schmätzer genannt. In ihrem possierlichen Wesen und ihrem schwirrenden
Flug erinnert sie nicht wenig an den Zaunkönig, doch ist ihr Reich
nicht die starre Hecke, sondern der lebendige, sprudelnde Bach. In
Gestalt und Größe kommt sie der bekannten Schwarzdrossel nahe
doch ist ihre Gestalt kurz gedrungen, ihr Benehmen lebhafter und
kecker. Der Rücken ist fahlbraun bis schwarzbraun, der Kopf lichtbraun:
Kehle und Brust sind reinweiß.
Sicherlich bietet die Wasseramsel eine der auffallendsten und an—
ziehendsten Vogelgestalten. Erquickend wirkt das Bild ihres Treibens
am winterlichen Gebirgsbach. Dort, an den kristallklaren, kalten
Forellenwassern ist ihr Revier, das sie nicht leicht verläßt und aus
3ubis 4 Kilometer Bachlauf vor dem Eindringen von Artgenossen
sorgsam hütet. Die hohen, waldigen Wände der felsigen Talschlucht
starren in Frost und Schnee. Mit gedämpftem Gurgeln eilt der
eisverbrämte Bach durch die Einsamkeit des weltfernen Talgrundes
Von dort, wo dem wilden Waldbach sich das übermooste Steinwehr
entgegenstemmt und die Silberwellen mit lautem Rauschen hinabstürzen
in den Wirbel und über den weißen, tanzenden Schaum hinsprühen,
von da grüßt der Wasseramsel anmutiges Singen als ein froher
Cebenslaut in die einsame Winterstille und in die tote Winterstarre.
Es ist ein leises Schwätzen, wie Wellengeriesel eines sanft über
Kieselgrund dahineilenden Wässerleins, das sich zu einem lauten
Schnurren und Schnalzen steigert, in einem metallisch klingenden,
kräftigen Zwitschern den höchsten Ausdruck findet und von zierlichem
Wippen des Kopfes und Schwanzes begleitet wird. Der Sang
verstummt. Da löst sich von dem aufragenden Pfahl am Wehr die
behende Vogelgestalt. Mit der Schnelligkeit einer Bachstelze eilt sie
über die Steine des Wehres, watet in das Wasser hinein, immer
tiefer, bis sie darin verschwindet, schießt blitzschnell eine Strecke auf
dem Grunde hin, taucht wieder auf und wirft sich dann in keckem
Uebermut kopfüber in den tollsten Strudel der eisigen Flut, wirbelt
in gewandtem Schwimmen einigemal mit den tanzenden Wellen rund
und schwingt sich dann zu lustigem Singen auf ihre Warte am
Steinwehr. Doch nur wenige Augenblicke duldet es sie dort. Jählings
wirft sie sich wieder in den senkrecht abstürzenden Wasserstrudel,
läßt sich mit hinabreißen und von dem Wasser tragen, indem sie
taucht, mit den Slügeln rudert, übermütig singt und immer wieder
mit Wohlbehagen ihr Gefieder von dem eisigen Wasser bauschen
uud blähen läßt. Nur ein sehr dichtes und reichlich eingefettetes
Gefieder befähigt sie zu diesen Badekünsten auch bei der strengsten
Winterkälte, die ein ergötzliches Bild unverdrossenen Frohmutes bieten.
Den Mißmut und Trübsinn drückender Nahrungssorgen kennt
die Wasseramsel nicht. Kerbtiere und Wasserinsekten aller Art sowie
deren Larven, an denen das Wasser immer reich ist, bilden ihre
Jahrung. Und wenn diese fehlte, so birgt der Bach Jungfische in
Menge, die das hauptsächlichste Jagdwild der Wasseramsel bilden.
In der Art der Jagd auf kleine Fische unterscheidet sie sich von
Nest des Zaunkönigs
hrem Genossen im Sischereigewerbe, dem Eisvogel, jedoch wesentlich
dieser ist ein Stoßfischer, der, von seinem Lauerposten herabstürzend,
ein Opfer erhascht. Die Wasseramsel hingegen stöbert die Fische auf,
ergreift sie in pfeilschnellem Nachschießen auf der FSlucht, vorwiegend
iuch, wenn sich dieselben in Schlupfwinkeln an Steinen oder am
hbrunde des Gewässers andrücken wollen. Sie hält das erbeutete
zischlein quer im Schnabel und tötet dasselbe, bevor sie es verschlingt
urch Aufschlagen auf einen Stein oder auf die Oberfläche des Wassers
ztarker Winterfrost zwingt die Wasseramsel an Stellen das Bachlaufes
ie stets eisfrei bleiben, so an die Bachquellen, Wehre und stark
ließende Schnellen. Zu dieser Zeit ist der sonst ziemlich scheue Vogel
auch an Bächen in der Dorfnähe oder selbst inmitten des Dorfes
ertraut. Lange KRegenzeit und die Schneeschmelze des Frühjahres,
die das Wasser trüben, bringen der Wasseramsel oft bittere Nahrungsnot,
n der sie shwimmend die Uferränder absucht und hier die überhängenden
hälmchen und Ranken des Rasens nach Wassertieren umwendet.
Wenige solcher Tage genügen, die Wasseramsel alle ihre sonstige
Beweglichkeit und ihren frohen Sang vergessen z3u lassen.
V. Sch.