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recht barsch ob des Unternehmens eines jungen
Fants in so heikler Sache. Nachdem aber auch der
Pfarrer die Sache gutgeheißen und alles zum
dutzenden Wale besprochen war, ist der gute grimme
Müller einverstanden. Unser Lehrer hat sich einen
Paß verschafft: Er sei Schuhmacher, der mit „seiner
Mutter“ (Marianne) zum Lederkauf nach Zwei—
brücken gehe. Die Gräfin macht entsprechend Toi—
lette, und morgens um 3 Uhr verläßt sie, nachdem
ihr Hausherr sie ausreichend mit Geld versehen,
mit „ihrem Sohne“ ihr gastliches Asyl. Der Müller
aber nimmt ein—- für allemal die Staatsaktion voll—
wichtig und erklärt beim Abschied dem jungen Lehrer:
Entweder Ihr rettet die Gräfin, und ich lohn' es
Euch mit Gold, oder Ihr laßt sie (so Ihr nicht beim
leisesten Verdacht zurückkehrt) verloren gehen, dann
Gott verzeih' mir die Sünd'! schlag ich Euch tot!
Das war derb, aber herzensehrlich, und Gott
wird es dem braven Müller Joh. Paul Kempf
nicht gar so schlimm nachgesehen haben.
Die Flüchtlinge gingen bliesauf, um 7 Uhr sah
Warianne ihr Blieskastel wieder, zum letzten Mal
im Leben. Um 9 Uhr waren sie in Zweibrücken —
sicher und geborgen. Die Fräulein von Böhmer
empfingen jauchzend die Totgeglaubte, und nach
erstmaliger wirklicher Ruhe seit 12 Tagen der Flucht
wird Maria Anna durch ihre Freundinnen auf
den — ebenfalls demolierten — Karlsberg zu
Oberst Szeckely geleitet, der sie nach Münchweiler
zu ihrem (erkrankten) Sohne eskortiert.