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Eine Zeit der Vormundschaft ist mit Neuerungen immer
zurückhaltender als eine Zeit unbeschränkten Selbstbesitzes.
Sie wird immer mehr darauf ausgehen, das vorhandene
zu erhalten und auszunützen als neues zu unternehmen.
Die Inangriffnahme grundlegender Neuerungen gehört immer
erst dem jüngeren Geschlecht, das selbst wieder volle Besitz—
rechte ausübt.
Karl August Bernhard Böcking trat 1848 als Teil—
haber an die Spitze der Firma, während der Besitz den
vier unmündigen Gebrüdern Stumm ausschließlich verblieb.
Er hielt als gewissenhafter Haushalter scharf diese Linie
inne und machte dem Werke alles nutzbar, was die Ver—
hältnisse irgend gestatteten. Der Bahnanschluß Neunkirchens
bedeutete in mehr als einer Hinsicht Vorteile. Es ver—
billigten sich wenigstens die Bezugskosten für Kohle von
Heinitz und Reden durch die Bahn. Die Kohle für die
Puddel- und Walzwerke kam bald unmittelbar von den
Wilhelmschächten auf einer Schmalspurbahn in Grubenwagen,
welche Pferde zogen. Der Koks von Grube König wurde
allerdings noch nach wie vor mit Pferdefuhren auf der
Landstraße angefahren, da die Grube selbst erst 1871
Bahnanschluß erhielt. Die Holzkohle wurde noch immer
mit Pferd und Wagen aus den näheren und ferneren
Wäldern geholt, wo gerade die Meiler standen. Die
Hochöfen aber bedurften kaum einen Bahnanschluß, solange
man keine eigenen großen Erzfelder besaß, von welchen
dauernd ein regelmäßiger Bezug zu erwarten war. Denn
noch fiel die Bahnverbindung mit Ludwigshafen für den
Erzbezug nicht ins Gewicht. Was der Erzkahn die Lahn
herab bis Lahnstein und den Rhein hinauf bis Ludwigs—
hafen brachte, das hätte jetzt die Ludwigsbahn und ihre
Fortsetzung dem Werke an sich wohl in kürzerer Frist