Full text: 12.1934 (0012)

Erdarbeit stattgefunden habe. Dann legte man sich an der Böschung der zur 
Saar gehenden Gärten auf die Lauer, zu sehen, wer als erstes Opfer die Fall- 
brücke passierte. Und sieh da, dies Opfer war der würdige, aber gestrenge Vater 
besagter Brüder H . . ., der nach beendetem Dienste gravitätischen Schrittes 
den Ge nisenen Penaten zu- und in die Fallbrücke hineinsteuerte. Da er sommer- 
lich helle Hosen, die „burzellinene“ (porzellanenen), trug, war nun für ein hüb- 
sches Flekenmuster und kochenden Aerger gesorgt. Vom sc<lechten Gewisjen 
getrieben, standen plötzlich seine zwei edlen Sprößlinge vor ihm und fagten, 
nach Atem japsend: „Guten Tag, lieber Papa!“ Der Gegengruß lautete: „So- 
fort nach Haus!“ Was sich dann weiter abgespielt hat, verriet bald ein jämmer- 
liches Heulen aus der H . . . schen Wohnung. -- 
Von sechs ihrer sieben Kinder behauptete meine Mutter, wir seien zwar 
immer ungezogen, aber nie ungezogener als in Gegenwart Fremder, also gerade 
dann, wenn sie gern Ehre mit uns eingelegt hätte. Dafür folgende Beispiele. 
Einmal besuchte eine sehr beliebte, aber selten gesehene auswärtige Tante 
die Saarbrücker Verwandtschaft und war an einem der Tage Gast unserer 
Eltern zum Mittagessen. Uns Kindern war ein gesittetes Benehmen besonders 
streng eingeshärft worden. Während der Suppe ging auch noch alles gut. Der 
Tante Lieblingsgemüse waren junge Erbsen, „Zuckererbsjer, kä Kanonekucheln“, 
und diese wurden ihr selbstverständlich vorgesetzt, und selbstverständlich wurde 
ihr auch die Schüssel zuerst gereicht. Mochte sie nun wirklich gut zugreifen oder 
mochte meine älteste Shwester Emilie am entgegengesetzten Tischende bei 
gleicher Vorliebe für dies edle Gemüse fürchten, zu kurz zu kommen, kurzum, 
letztere rief ziemlich vernehmlich in die gedämpfte Unterhaltung hinein: „Au, 
die nemmt se all'!“, worauf sie sich unter Hinterlassung großer Verlegenheit bei 
Eltern und Tante im Hausflur wiederfand. 
Diese selbige Schwester gehörte zu den vielen Lieblingen des alten, präch- 
tigen Pfarrers Zickwolf, der sie getauft, konfirmiert und getraut hat. Eines 
Tages gab sie ihm in der Rte hn“ folgendes Rätsel auf: „Herr Parre, 
was ist denn das: Von vorne ist's ein zahmes Tier, von hinten ist's ein wildes 
Ties 905 Ganze ist ein Parre von hier?“ Mit herzlichem Lachen quittierte der 
alte Herr. -- 
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So verkündete es ein S<hild an ihrer Wohnung. 
Als aus dieser Shwester nach 
Jahren eine Braut geworden war, 
machte ih als Achtjähriger das 
Verlobungsessen mit, zu dem erst- 
malig Eltern und Geschwister des 
Bräutigams bei uns erschienen. 
Wiederum hatte unsere gute 
Mutter uns Jüngsten eine Fülle 
vortrefflicher Ermahnungen ge- 
geben und betont, mehr als sieben 
dürften niht zu gleicher Zeit 
sprechen. Nun hatte sich in jenen 
Tagen nicht weit von unserem 
Hause eine Frau niedergelassen, 
die den ebenso ehrbaren wie nüß- 
lichen und menschenfreundlichen 
Beruf einer Hebamme ausübte. 
So verkündete es ein Schild an 
ihrer Wohnung. Diese Betätigung 
war mir bis dahin völlig un- 
bekannt gewesen; ich hatte meine 
Mutter shon immer danach fragen 
gewollt, es aber immer wieder 
vergessen. Jetzt beim Verlobungs- 
essen schien mir der richtige 
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