Full text: 12.1934 (0012)

Allerlei dumm' Dinges aus frühere Zeide 
Von Dr. Oskar Barth in Gotha. 
Für: 
Wir waren im Elternhause unserer sieben Geschwister, und wenn das be- 
kannte Wort von der „bösen Sieben“ für uns nicht aufgekommen ist, so ver- 
danken wir das einzig und allein unserem Mittelstücke, der Schwester Lina, 
die zwar alle Vorzüge, aber keinen der unangenehmen Fehler eines Mutter- 
kindes besaß. Unzweifelhaft hat sie uns übrigen Geschwistern in unserer 
Jugend durc ihr stets gesittetes Betragen bei Eltern und Verwandten die 
Preise erheblich verdorben, aber wir haben ihr das nie übel genommen, und 
sie wird bis auf den heutigen Tag von allen, die wir no leben, als unsere 
Beste neidlos anerkannt. Und ich muß zu ihrer Ehre sagen, daß sie an keinem 
der nachstehend geschilderten Streiche beteiligt war; andererseits hat sie es sich 
nun selbst zuzuschreiben, wenn sie nicht im Saarkalender verewigt ist. Füge 
ich nod) hinzu, daß wir alle ausnahmslos Vater und Mutter auss Wort ge- 
horchen mußten, sonst aber -- Gott und den Eltern sei es heute noch gedankt! 
=- weitgehende Freiheiten besaßen, so bin ich mit meiner Einleitung fertig und 
kann mit dem Auskramen aus dem „Nähkerbche“ beginnen. Die hier geschil- 
derten Dummheiten fanden leider zu Hause nur zum allergeringsten Teile Ver- 
ständnis, und manche davon wurden erst nach Jahren ausgepackt. Nicht alles 
habe ich miterlebt; manches verdanke ich den Mitteilungen der älteren Ge- 
schwister. Und mit deren Streichen will ich nunmehr beginnen. 
Eines Tages hatten sie sich auf dem Hofe unseres großen Grundstückes in 
der Kanalstraße zusammen mit befreundeten Nachbarkindern aus Brettern und 
ausgestohenen Rasenstücken ein wunderhübsches Häushen gebaut mit Dach, 
Tür, Fenster und selbst einer hölzernen Sitzbank im Jnnern. Nur fand man 
diese Sitßgelegenheit etwas zu hart und beschloß daher, sie mit Heu zu polstern, 
stieß aber auf Schwierigkeiten wegen des Stoffbezuges. Da hatte einer der 
Brüder H . . . aus der Nachbarschaft einen feinen Gedanken: „Jhr Buwe, bei 
uns dehäm leit e Mass' alter Plisc<; de kinne mr holle.“ Gesagt, getan! Man 
holte den Plüsch herbei, schnitt ihn kunstvoll zurecht und nagelte ihn über die 
Heupolster. O diese Wonne! Nun hatte man ein Häuschen, das sich sehen lassen 
konnte. Und tatsächlich luden die jungen Baukünstler nach Feierabend die be- 
freundeten Mütter zur Besichtigung ein. Man bewunderte, man lobte. Plötlich 
fielen Frau H . . . 5 Blicke wie gebannt auf den Plüsch der Sitzbank: „Ei, der 
sieht ja fast aus wie unser abgetrennter Plüsch daheim!“ „Jje,“ fiel ihr üngjiter 
begeistert ein, „es is' unser alter Plisch, der wo immer hinne in der klän 
Sc<hdubb gelä hat.“ Frau H . . . sank fast in.die Knie. Es war der Plüsch der 
Möbel aus der guten Stube, den man vor 14 Tagen abgetrennt hatte. Die 
Möbel sollten aufgearbeitet werden und aus der Hand des Schreiners in die 
des Polsterers gehen und dort ihre alten Bezüge wiederbekommen. Das war 
nun niht mehr möglich, und die Brüder Albert und Ludwig H . . . bezogen 
böse Prügel, und die Freude am Häuscen erlitt einen argen Dämpfer. -- 
Welcher Saarbrücker Junge hätte nicht vor 30, 40 und mehr Jahren einmal 
eine „Fallbrücke“ gebaut? Der Bau war nur möglich und lohnte sich nur in 
Straßenteilen ohne Bürgersteig, wo also die gewachsene Erde ohne Zement- oder 
Plattenbelag den Fußgängerweg bildete und die Fußgänger auch wirklich hin- 
einfallen konnten. Ein sol<her Weg führte in meiner Jugend an dem damals 
noh nicht bebauten Teile der Kanalstraße entlang, in der mein Eltern- und 
Geburtshaus lag und in der man bekanntlich bis auf den heutigen Tag die 
Pfannekuchen nur auf einer Seite bäckt. Do hier soll nicht von Pfannekuchen, 
sondern von Fallbrücken geredet werden. Und eine solhe bauten meine zwei 
ältesten Brüder Louis und Julius gemeinsam mit ihren vorgenannten intimsten 
Freunden H . . ., indem sie quer über den Fußgängerweg eine breite Rinne 
von mäßiger Tiefe zogen, diese mit selbst angerührtem „Batsch“ ausfüllten, mit 
dünnen Papierstücken abdeckten und das Ganze weit über die Ränder der 
Rinne hinaus mit Sand bestreuten, so daß es aussah, als ob hier eine frische 
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