Full text: 12.1934 (0012)

aufgehalten und da hätte ihn ein anderer Arbeitsloser aufgefordert, mit zum 
Werbebüro der Rheinischen Republik zu gehen. Hier hätten sie ein Handgeld 
und Zigaretten erhalten, seien also Soldat geworden. In einem Gasthause 
wären jie dann einem Trupp zugeführt worden und paar Tage später hätten 
sie unter den Augen französischer Soldaten ihre Waffen erhalten. Ein fran- 
zösischer Soldat, der deutsch sprach, habe ihm bei dieser Gelegenheit gesagt, 
daß das Geld und die Zigaretten von den Franzosen gestiftet werde. Acht 
Tage seien sie jezt unterwegs. Müde und hungrig wären sie gegen Abend aus 
Königstein hier eingetroffen, das Papiergeld hätten sie unterwegs requiriert. 
Es sei sehr schwer, rheinischer Republiksoldat zu sein, da die Bevölkerung sich 
feindlich zeige. Der Führer hätte sich in die Stadt (Hotel?) begeben und würde 
um 6 Uhr anwesend sein. Es sei angeordnet worden, daß sie im Wartesaal 
bleiben, andere Trupps würden am andern Morgen anlangen. 
Während des Gesprächs bemerkte ich, daß französische Soldaten durch den 
Saal schlenderten, ohne sich mit einem Tramp einzulassen. Jh dachte, daß es 
unauffällige Wachtposten seien. Auf meine Frage, wie sich das französische 
Militär ihnen gegenüber verhalte, sagte der Bursche: „Die gucken uns nicht an, 
nur der Führer redet mit den Franzosen, die Franzosen unterhalten aber die 
ganze Geschichte, wie wäre ich froh, wenn ich wieder überm Rhein wäre, die 
Sache kommt mir ganz brenzlich vor.“ 
Um 5 Uhr fuhr mein Zug nach Höchst, so daß ich die Ankunft des „Generals“ 
nicht abwarten konnte. Aber ich hatte do< noch Gelegenheit, die urmee zu 
sehen. Am Nachmittage fuhr ich zurück und benutzte einen Zug, der mich um 
4 Uhr nach Kaiserslautern brachte. In Neustadt wurden drei Wagen mit Teilen 
der Armee angehängt, und ich wohnte der Besezung von Kaiserslautern bei. 
Die esasUngsanmnee, ca. 200 Mann, nahm vor dem Bahnhofe Aufstellung. 
„Achtung, stillgestanden! (Worte in Grenzdeutsch, Metzergegend!) und aus der 
Mitte französischer Offiziere (müssen die sich geschämt haben, angesichts der 
Lumpaci) trat der Mann, von dem der Ruf ausgegangen war, ein. Kerl von 
ca. 50 Jahren mit aufgedunsenem Weingesicht. Er richtete, auf der obersten 
Treppenstufe stehend, eine kurze Ansprache an die in zwei Gliedern vor ihm 
stehende Schar, von der ich noh in Erinnerung habe, daß die Ausrufung der 
Rheinischen Republik nunmehr auch in Kaiserslautern erfolgen würde und 
daß zunächst das Rathaus zu besetzen sei. In Vierer-Gruppen schlich (so kann 
man es nennen) bald darauf unter den höhnisc< und verächtlich blickenden 
Augen der französischen Soldateska, aber auch unter den Augen einer das 
Lachen zurückdrängenden Bevölkerung der Zug in die Stadt. Auf den Bürger- 
steigen stand und in den Fenstern lag die Bevölkerung jedes Standes und 
Alters und sah diesem Einmarsch zu. Den zerlumpten Burschen in den grünen 
Müßen mag es nicht wohl zumute gewesen sein. Ahnte ihnen die erlösende Tat 
in Pirmasens? Jn dieser pfälzischen Stadt der Schuhmacher, in die sie einzogen 
unter den Klängen einer requirierten Musikkapelle (diese spielte beim Einzuge 
„Alle Vögel sind schon da“), erwartete sie die Bevölkerung, das Feuer des 
Rathauses beleuchtete das Ende des ganzen Separatistenspuks. H. 
(=... "nen 
Hirhenwahlen vor 77 Jahren 
Von A. Z. 
Am Sonntag, den 23. Juli 1933, sollten wie im Reiche jo auch im Saar- 
gebiet für die kirchlichen Gemeindekörperschaften der evangel. Landeskirche 
Neuwahlen abgehalten werden, um mit dem Vaterlande im Kontakt zu bleiben 
bei seiner völligen Umgestaltung des kirchlichen Lebens. Die Wahlen wurden 
ausgeschrieben durch das Reichsgeset über die Verfassung der deutschen evangel. 
Kirche vom 14. Juli 1933. Es setzte nicht allein in Saarbrücken, sondern im 
ganzen Saargebiet eine starke, erfreuliche Bewegung ein, die von dem erneut 
wachgerufenen Brudersinn eine Abkehr von vielfach leichtfertiger Lebensauf- 
4,2
	        
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