Full text: 1932 (0010)

jemals bei unſeren Spielen ein Verkehrshindernis gebildet hätten. Die 
Elektriſche gab es noch nicht, das Bismarck- ſowie das Ulanendenkmal waren 
noh nicht errichtet, auch die Anlagen kamen erſt viel ſpäter. Wir herrſchten 
fvei im weiten Raum und tollten uns nach Herzensluſt aus. 
Der Herr „Schandarm“. 
Im alten Rathhaus mit th ſaß unten in der Polizeiwachtſtube der Furcht 
einflößende Herr „Schandarm“, aber wir ſtanden auf ganz gutem Fuße mit 
ihm. Sein Hund „Wiedu“, deſſen witzigen Namen wir aber immer Widdu 
ausſprachen, war ein harmloſer, hellbeigefarbener Kerl. Sein Herr winkte uns 
manchmal gnädig heran, drückte uns einen Groſchen in die Hand, wofür wir ihm 
im Wirtshaus an der Schloßbergeke beim Buleballerich einen Schoppen Bier 
holen mußten. Wir empfanden das als beſonderes Vertrauenszeichen und 
fühlten uns ſehr gehoben. Von höchſtem Jntereſſe war es uns immer, wenn 
der „Schandarm“ einen Betrunkenen oder anderen Uebeltäter ins Kitthen nach 
der Hintergaß abführte. Wir gaben dann alle dem armen Sünder das Ehren- 
geleit und freuten uns beſonders, wenn die Sache durch Widerſeßlichkeit des 
Abgeführten noh aufregender wurde. Nur einmal kam mein jüngſter Bruder 
in Konflikt mit der Polizei. Er hatte eine beſondere Leidenſchaft zu „kokeln“, die 
ſich, als er größer wurde, zum Abbrennen von Feuerwerk ſteigerte. Gewöhnlich 
geſchah das an lauen Sommerabenden in unſerem ſchönen Garten hinter dem 
Haus und verlief programmäßig mit bengaliſchem Licht in grün und rot, 
Knallfröſchen, Rädern, Sternenregen und Raketen unter anerkennenden Ahs! 
und Ohs! unſererſeits. Aber einmal flog eine Rakete ſo unglücklich davon, 
daß ſie gerade ins Landratsamt durchs Fenſter ſauſte. Der Erfolg war ein 
Strafmandat und das Verbot ſolcher feuergefährlichen Spielerei. 
Viehmarkt auf dem Sc<loßplaß. 
Viehmarkt und Krammarkt wurden noch in meiner Jugend auf. dem 
alten Schloßplatz abgehalten, ſie waren für uns beſonders ſchön, und wir 
bedauerten es nur immer ſehr, daß wir erſteven nur früh vor der Schule 
beſichtigen konnten, denn mittags war er ſchon geräumt. Der Jahrmarkt 
wurde dafür um ſo ausgiebiger nachmittags beſucht. Wie lange wählte man, 
um die vom Vater bewilligten zwanzig Pfennige auch wirklich vorteilhaft 
anzulegen. Und doh kam es zuweilen vor, daß man von den Geſchwiſtern 
daheim gründlich ausgelacht wurde, wenn man auf ein wenig geſchmackvolles 
Wertſtück hereingefallen war, das vorher in der Bude doch ſo verheißungsvoll 
geglänzt hatte, oder wenn ſich das feine Zuckerwerk als Schaum oder Kleb- 
ſtoff erwies. Da tat man doch beſſer daran, ſich im Laden bei Frau K. für 
fünf Pfennig feinſte Schillerloken, Eicheln oder Kißchen zu erſtehen. 
Die ſtolze Stunde des Schloßplaßtzes. 
Die ſchönſten Stunden für den damals ſo ruhigen Sdchloßplaß und ſeine 
Anwohner ſchlugen aber, wenn Paroleausgabe zu Kaiſersgeburtstag ſtattfand. 
Alle guten Freunde ſtellten ſich dann dazu bei uns ein, um von unſeren 
Fenſtern aus dieſes prächtige, farbenglänzende Schauſpiel mitzuerleben. Hei, 
wie ſchmiſſen da bei den ſchmetternden Klängen des Preußenmarſches die 
Herren Leutnants und die Mannſchaften die Beine beim Parademarſch zum 
Schluß, und wie weh müſſen ſie ihnen dabei getan haben bei dem ſchauder- 
haften alten Wackenpflaſter! Doch dieſe Erwägung kommt mir jeßt erſt, 
Damals ſah man nur den Glanz und die Strammheit unſerer 70er und war 
ſo ſtolz darauf, als wäre man ſelbſt der Kaiſer oder zum mindeſten der Kom- 
mandierende General. 
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