jemals bei unſeren Spielen ein Verkehrshindernis gebildet hätten. Die
Elektriſche gab es noch nicht, das Bismarck- ſowie das Ulanendenkmal waren
noh nicht errichtet, auch die Anlagen kamen erſt viel ſpäter. Wir herrſchten
fvei im weiten Raum und tollten uns nach Herzensluſt aus.
Der Herr „Schandarm“.
Im alten Rathhaus mit th ſaß unten in der Polizeiwachtſtube der Furcht
einflößende Herr „Schandarm“, aber wir ſtanden auf ganz gutem Fuße mit
ihm. Sein Hund „Wiedu“, deſſen witzigen Namen wir aber immer Widdu
ausſprachen, war ein harmloſer, hellbeigefarbener Kerl. Sein Herr winkte uns
manchmal gnädig heran, drückte uns einen Groſchen in die Hand, wofür wir ihm
im Wirtshaus an der Schloßbergeke beim Buleballerich einen Schoppen Bier
holen mußten. Wir empfanden das als beſonderes Vertrauenszeichen und
fühlten uns ſehr gehoben. Von höchſtem Jntereſſe war es uns immer, wenn
der „Schandarm“ einen Betrunkenen oder anderen Uebeltäter ins Kitthen nach
der Hintergaß abführte. Wir gaben dann alle dem armen Sünder das Ehren-
geleit und freuten uns beſonders, wenn die Sache durch Widerſeßlichkeit des
Abgeführten noh aufregender wurde. Nur einmal kam mein jüngſter Bruder
in Konflikt mit der Polizei. Er hatte eine beſondere Leidenſchaft zu „kokeln“, die
ſich, als er größer wurde, zum Abbrennen von Feuerwerk ſteigerte. Gewöhnlich
geſchah das an lauen Sommerabenden in unſerem ſchönen Garten hinter dem
Haus und verlief programmäßig mit bengaliſchem Licht in grün und rot,
Knallfröſchen, Rädern, Sternenregen und Raketen unter anerkennenden Ahs!
und Ohs! unſererſeits. Aber einmal flog eine Rakete ſo unglücklich davon,
daß ſie gerade ins Landratsamt durchs Fenſter ſauſte. Der Erfolg war ein
Strafmandat und das Verbot ſolcher feuergefährlichen Spielerei.
Viehmarkt auf dem Sc<loßplaß.
Viehmarkt und Krammarkt wurden noch in meiner Jugend auf. dem
alten Schloßplatz abgehalten, ſie waren für uns beſonders ſchön, und wir
bedauerten es nur immer ſehr, daß wir erſteven nur früh vor der Schule
beſichtigen konnten, denn mittags war er ſchon geräumt. Der Jahrmarkt
wurde dafür um ſo ausgiebiger nachmittags beſucht. Wie lange wählte man,
um die vom Vater bewilligten zwanzig Pfennige auch wirklich vorteilhaft
anzulegen. Und doh kam es zuweilen vor, daß man von den Geſchwiſtern
daheim gründlich ausgelacht wurde, wenn man auf ein wenig geſchmackvolles
Wertſtück hereingefallen war, das vorher in der Bude doch ſo verheißungsvoll
geglänzt hatte, oder wenn ſich das feine Zuckerwerk als Schaum oder Kleb-
ſtoff erwies. Da tat man doch beſſer daran, ſich im Laden bei Frau K. für
fünf Pfennig feinſte Schillerloken, Eicheln oder Kißchen zu erſtehen.
Die ſtolze Stunde des Schloßplaßtzes.
Die ſchönſten Stunden für den damals ſo ruhigen Sdchloßplaß und ſeine
Anwohner ſchlugen aber, wenn Paroleausgabe zu Kaiſersgeburtstag ſtattfand.
Alle guten Freunde ſtellten ſich dann dazu bei uns ein, um von unſeren
Fenſtern aus dieſes prächtige, farbenglänzende Schauſpiel mitzuerleben. Hei,
wie ſchmiſſen da bei den ſchmetternden Klängen des Preußenmarſches die
Herren Leutnants und die Mannſchaften die Beine beim Parademarſch zum
Schluß, und wie weh müſſen ſie ihnen dabei getan haben bei dem ſchauder-
haften alten Wackenpflaſter! Doch dieſe Erwägung kommt mir jeßt erſt,
Damals ſah man nur den Glanz und die Strammheit unſerer 70er und war
ſo ſtolz darauf, als wäre man ſelbſt der Kaiſer oder zum mindeſten der Kom-
mandierende General.
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