Full text: 10.1932 (0010)

unter der Bedingung, daß idas Stück bis zur Nagelprobe geleert werde. Mkt 
lautem Jubel nahmen die Bauern dieſe Verpflichtung auf ſich und bald begann 
ein fröhliches Pokulieren. Noch einmal wurde, diesmal in gemülicherer Weiſe, 
der ganze Streit aufgerollt. Beide Parteien wetteiferten darin, ihre Fehler 
einzugeſtehen. Wirkungsvoll wurden dieſe klugen Reden durch Vivatrufe auf 
den Landesvater unterbrochen. Schließlich ſang man im Chor einen fröh- 
lichen Kantus. Als ſich die Stimmung ihrem Höhe- 
punkt, der Weinſpiegel im Faß ſich bedenklich dem 
Tiefſtand näherte, ſtand der Herr Notarius mit 
weinfrohem Geſicht auf, ging in das Schreib- 
zimmer, machte ſich am Protokoll zu ſchaffen und 
kehrte nach einer Weile wieder. 
Herr Graf, ich habe noch eine Nachſchrift unter 
das Protokoll geſetzt, die mir gar trefflich exr- 
ſcheint!“ Und unter dem lauten Beifall der Trink- 
geſellen und vergnügtem Kopfnicken des Grafen 
las der brave Endres Sher vor, was er dem 
Verhandlungsprotokoll hinzugefügt hatte: 
„Post nubila Phoebus!“ 
zu deutſch: 
„Auf trübes Wetter folgt Sonnenſchein!“ 
Der ſaarländiſche Bergmannsbauer. 
Von Claus Schmaucd. 
Die Nachtſchicht fährt zu Tage. Die Förderkörbe flitzen, das Drahtſeil 
ziſcht, die Maſchinen ſtampfen. Weißer Rauch bläſt über den Boden. Gruben- 
lampen leuchten düſter aus engem Gitter und Drahttüren kreiſchen auf. Ge- 
bückte Menſchen treten ans Tageslicht. Aus ſchwarzen Geſichtern blißt das 
Weiß der Augen. Murrend gibt der Berg ſein Leben her und ſchluckt wieder 
neues hinunter in den ſchwarzen Rachen. 
Müde Knappen bringen ihre Lichter zur Lampenbude. Eintönig klappern 
die Blehnummern vom Haken. Eine ſchwarze Menſchenwoge windet ſich erſt 
dünn, dann immer dicker aus dem Grubentore, wirft einen dankbaren Blick in 
die leuchtende Sonne und verſchwindet zwiſchen den grauſhwarzen Häuſern. 
Die Bahnhofsunterführung nimmt ſie auf. Auf dem Geſtänge ſtampft der Zug, 
um ſie fortzuführen in die Heimat, in den Schoß der Familie. 
Steif und ſchwer fallen die müden Knappen auf die harten Sitze der Holz3- 
bänke. Ein Zuſammenrücken -- ein Aneinanderkuſcheln = ein paar kurze 
Reden, und weiter keucht der Zug an den Sc<hlackenhalden vorbei, durch ge- 
lichtete Buchenwälder, durch graue Dörfer. Seine Räder ſingen den Söhnen 
der Arbeit ein Shlummerlied, hart und rauh, nach der Art ihrer Arbeit in den 
Eingeweiden der Erde. 
Zu den vielen, welche der Zug in den Schlaf ſingt, gehört auch der Winkel- 
franz, der Bergmannsbauer aus dem Primstal, der Vater von ſechs Kindern, 
die ihre Mutter verloren haben. Halbzerdrückt ſitzt er in der hinterſten Wagen- 
eke. Sein Kopf hängt über der Bruſt, nickt auf und ab und ſchlägt an den 
Griff des Grubenſte>kens. Dann preßt er ſich an den durchſchwitzten Knopf 
des Ruckſacks und iſt unempfindlich gegen die Mucken des Zuges. Wie einer, 
der viel nachzuholen hat, ſchläft der Winkelfranz. Jede Minute muß er dem 
Schlafe abſtehlen, damit er aushält bei der vielen Feldarbeit, die zu Hauſe auf 
ihn wartet. Bis zur letzten Umſteigeſtation hängt er wie ein Lebloſer in ſeiner 
eig
	        
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