turm“, „Sezenturm“, „PBulver“- und „Shießturm“ in den Erzählungen des
Volksmunides. So berichtet uns N. Obevtreis in „Stadt und Land des hl. Wendalin“
folgende ergößliche Geſchichte vom „Schuſter B 90r n im Hexenturm“:
„Es war im Jahre 1711. Der Schuſter Born hatte beim Kronenwirt etwas tief in
den Becher geſchaut und dann weidlich über iden derzeitigen Amtmann Damian D'Hame
vom Leder gezogen. Das kam dem hohen Herrn zu Ohren. Er ließ den Schuſter vor
Gericht laden. Das Hochgericht verurteilte ihn micht mur zu einer Geldbuße und den
Koſten, ſondern auch zur Abbitte. Da Born nicht widerrufen wollte, führte ihn der Büttel
ins Gefängnis im Hexenturm. Daß es darin nicht geheuer war, wußte jedermann, aber
der Meiſter vom Pfriem wollte dem allen trotzen.
Doch als der Büttel dem Riegel vorgeſchoben hatte, der Schuſter nun allein auf der
Holzbank ſaß und es Abend wurde, ſank raſch: ſein Mut. Es raſchelte und krabbelte,
polterte und kollerte unter ihm, über ihm; langſchwänzige Unholde regten ſich in der
dunklen Ecke, tummelten ſich zu ſeinen Füßen, die er entſeßt auf die Bank 3og, und
o weh! an der mondbeſchienenen bleichen Wand griff eine ſchwarze Hand nach ihm. Vor
Grauſen ſtanden dem Aermſten die ſtruppigen Haare zu Berge. Halbtot vor Angſt, auf
der Holzbank kauernd, fand ihm der Büttel, als er die Morgenſuppe brachte. Born ex-
klärte mun, alles tun zu wollen, aber keine Stunde mehr im Turm zu bleiben.“ . ..
Der Stolz der St. Wendeler iſt ihre Pfarrkirche, der Wendelinusdom. Wuchtig
reckt ſich der altehrwürdige Bau mit ſeinem Dreigetürm empor, das Wahrzeichen der Stadt
bildend und gleichzeitig ein ſprechendes Zeugnis des tiefen Glaubensſinns ihrer Bewohner.
Mit Ausnahme des Hauptturmes, deſſen zwiebelförmiger Helm der Barockzeit ent-
ſtammt, zeigt uns der Monumentalbau durchweg gotiſchen Stil, deſſen Bauperiode für
Deutſchland das 13., 14. und 15. Jahrhundert iſt. Genaue Angaben über die Zeit der
Entſtehung des Geſamtbaues laſſen ſich nicht machen; die einzelnen Hauptteile gehören
in ihrer Bauausführung verſchiedenen Perioden an. Der älteſte Bau des Domes iſt ver-
mutlich ider Unterbau ides Mittelturmes, der auf die erſte Zeit <hriſtlicher Bautätigkeit
ſchließen läßt. Für die Entſtehung des Chores nennen Kirchenhiſtoriker die Jahre 1315
bis 1320; die Einweihung fand nach „Broverius Pfingſten 1360 ſtatt. Das mit reichen
Skulpturen geſchmückte Hauptportal weiſt in die Zeit der Spätgotik. Die Chronik nennt
da das lette Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, da ſich um dieſe Zeit zwei Meiſter hier
in eine Zunft aufnehmen ließen. Beide kamen aus Andernach, wo ſie eine ähnliche Kirche
vollendet hatten.
Das Innere des Gotteshauſes ſchließt ſich in ſeiner künſtleriſchen Geſtaltung eben-
bürtig dem herrlichen Bau an. Unter den zahlreichen 'Sehenswürdigkeiten und Kunſt-
werken, die der Dom birgt, iſt der Sarkophag des hl. Wendalinus, zu deſſen Gebeinen
an iden Pfingſttagen 1924 etwa 230 000 fromme Wallfahrer pilgerten, das koſtbarſte.
Jahrhunderte ſind nun vergangen, Kriegszeiten brauſten vernichtend durch blühende
Landſchaften, Hungersnot und Seuchen rafften Generationen dahin -- aber immer noh
finden ſich verträumte Winkel, an denen dieſe Schreckenszeiten, faſt ohne größere Spuren
zu hinterlaſſen, vorübergeeilt ſind. Gerade dieſe ſind es, die uns weit beſſer als irgend
welche Bücher von Glanz- und Notzeiten, vom Ringen und Schaffen unſerer Vorfahren
erzählen. Setzen wir alles daran, dieſe „Ueoberlieferungen“ uns und ſpäteren, dankbaren
Generationen 321 erhalten.
Abendlied.
Sinkt die Sonne golden nieder, Rings verſtummen die Geſänge,
küßt zum Abſchied Mutter Erde, Heimchen zirpt nur leis und Grille
treiben müde Hirten wieder und der Abendglocken Klänge
heimwärts ihre ſtille Herde. weihen andachtsvoll die Stille.
Mutter -- ac<h -- auc ih bin müde,
komm' und bette meine Glieder,
ſing' mir, daß mich Gott behüte,
deine ſüßen Wiegenlieder.
Tiſ<lermeiſter C. Schumann,
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