ſtetig geringer und ſo ſieht Frankreich ſeine bisherige Kohlenbaſis immer mehr ſchwinden.
Mit dieſer Einſicht wächſt das Intereſſe am Ausbau 'der eigenen Kohlenbaſis. Es iſt
deshalb durchaus 'kein Zufall, daß gerade jetzt die erſten ernſtlichen Verſuche unternommen
werden, das neue Kohlenrevier aufzuſchließen. In den nächſten Jahren werden bei
Folſchweiler und Lauterfangen die erſten Schächte entſtehen. Schon im Jahre 1910 wurde
bei dem Dorfe Folſchiveiler eine Schachtanlage in Angriff genommen, die aber infolge
des außerordentlich ſtarken Waſſerdruckes bei einer Teufe von etwa 200 Meter zum
Erſaufen kam. Weitere Verſuche wurden dann nicht mehr unternommen, Jetzt werden
von einer franzöſiſchen Geſellſchaft die Arbeiten bei Folſchweiler wieder in Angriff
genommen, Die Wiederinſtandſezung der Grube erfolgt mit Hilfe deutſcher Sachlieferungen.
Geplant iſt eine Doppelſchachtanlage, deren Koſten mit allen Nebenanlagen auf
47 Millionen Mark veranſchlagt ſind. Die techniſchen Sdhwierigkeiten, die das vorkriegs-
zeitliche Unternehmen zum Stillſtand brachten, dürfen heute als überwunden gelten.
Auch für die zweite Anlage, die bei Lauterfangen nördlich Falkenberg ſtehen wird,
ſind bereits Sachlieferungsverträge abgeſchloſſen. Mit der Erſtellung dieſer beiden großen
Anlagen iſt die Entwicklung aber noh nicht abgeſchloſſen. Das Erſ<Hhließungs-
programm wird in den nächſten Jahren ſicher großzügige Erwed-
terung erfahren, denn der franzöſiſc<e Staat übt in dieſer Hin-
ſicht einen gewiſſen Druck aus. Die Pachtverträge mit den kon-
zeſſionierten Geſellſ<aften beſtimmen, daß vor dem Jahre 1935
Shachtanlagen in Angriff genommen werden müſſen, wenn durch
Bohrungen die Abbauwürdigkeit feſtgeſtellt iſt. Hierbei ſoll auf
jede einzelne Konzeſſion eine Schachtanlage mit einer Mindeſt-
leiſtung von 1000 Tonnen je Shiht entfallen.
Die bisherige Kohlenpolitik des franzöſiſchen Staates, durc<4 die gegebenen BVer-
hältniſſe wenig aktiv, beginnt plößlich ſtarke Belebung zu zeigen. Das Saargebiet mit
ſeinen Kohlengruben gilt als endgültig verloren. Um aber die Abhängigkeit von der
Saarkohle zu beſeitigen, wird durch eine großzügige Aktion die Erſchließung des neuen
lothringiſchen Kohlenreviers in jeder Weiſe und ſchnellſtens gefördert. Die treibenden
Kräfte ſind einesteils die franzöſiſchen Hüttenwerke, die ſich vom ausländiſchen Brennſtoff
möglichſt unabhängig machen wollen, andernteils der franzöſiſche Staat ſelbſt, der das
neue Revier erſchloſſen haben will, ehe ſpäteſtens mit dem Jahre 1935 die Rückgabe der
Saargruben Tatſache wird. Bei einer vorzeitigen Rückgabe des Saargebiets werden
beſtimmte Kohlenabnahmeverträge geſchloſſen werden müſſen, deren Wirkſamkeit von
Frankreich bis zu dem Zeitpunkt feſtgeſetzt ſein wird, an dem ſeine eigenen Neuanlagen
in Lothringen 'die Saarkohlenlieferungen erreicht haben werden. Schon jetzt haben die
lothringiſchen Gruben ihre Vorkriegsförderung um 50 Prozent überſchritten, während
der Saarbergbau auf dem Stande von 1913 ſtehen geblieben iſt. So wird durdy) die
Aufſchließung des neuen Kohlenreviers in Lothringen die von Jahr zu Jahr ſich ſchärfer
ausprägende Verſchiebung des Kräfteverhältniſſes zwiſchen Saarbergbau und lothringt-
ſchem Bergbau weſentlich beſchleunigt werden. Dieſe Entwicklung hat eine beträchtliche
Minderung des Saarkohlenabſates in Frankreich im Gefolge und die Kohlenabſatzbaſis
der Saargruben wird weiter geſ<hmälert. Die Ausſichten für den Saarbergbau ſind für
die weitere Zukunft nicht ſehr roſig. Es kann nur eine Umſtellung in der Elektrizitäts-
wirtſchaft und weiterhin der Kohlenverbrauch dur<h Neuanlage von Ferngaswerken einen
Ausgleich für den verringerten Verbrauch der Saarkohle bieten. GG. K.
„Das franzöſiſche Dolk iſt ſtolz darauf, der Welt die Menſchenrechte gebracht
zu haben, aber im Saargebiet regieren die franzöſiſhen Machthaber ſo, als ob
Das Saarvolk nur aus Heloten beſtehe . . . Eine dauernde Belaſtung, dur< die der
deutſche Tharakter der Saar verfälſcht werde, müſſe bei den ſjhwebenden Derhand-
lungen abgelehnt werden. Das iſt die Forderung der geſamten Bevölkerung. Mit
dem Uamen des Dölkerbundes darf nicht etwas gede>t werden, was eine Schande
nicht nur für Europa, ſondern für die ganze Welt iſt.“
Abg. Sh<melzer (aus der Rede zu Mannheim am 22. März 1930).
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