Full text: 1931 (0009)

Bei der Verteidigung Saarbrükens am 2. Auguſt 1870 brach, fhwer ver- 
wundet, in der Nähe unſeres Hauſes (Schulze Ek) am Scloßberg ein 40er 
Füſilier zuſammen. Furchtlos eilte unſere Katharina troß der ſauſenden Kugeln 
zu Hilfe und brachte den Leidenden auf ihren kräftigen Armen in das zunächſt 
gelegene Haus der Geſchwiſter Glaſer. Leiſe bat der Sterbende, der nach den 
Tröſtungen ſeiner Religion verlangte, um geiſtlichen Beiſtand. Sofort erklärte 
ſich die Samariterin bereit, den Wunſch zu erfüllen. Sie ging ungeachtet eines 
beftigen franzöſiſchen Kleingewehrfeuers, das die Alte Brücke beſtrich, über 
dieſe hinweg nach St. Johann, einen katholiſchen Prieſter zu holen, die es damals 
in Alt-Saarbrücken noh nicht gab. Im Kugelregen kehrten beide glücklich 
zurück, und der Geiſtliche konnte, aſſiſtiert durch Katharina, die heilige Hand- 
lung vornehmen. 
Bei der nach dem Gefecht folgenden kurzlebigen Invaſion wußte die Hüterin 
des Hauſes den aufdringlichen Franzoſen zu imponieren, ſie hielt ſie energiſch 
im Zaume und drängte einige Frechlinge kurzer Hand zur Wohnung hinaus. 
Sculße Kathrins Tapferkeit am 6. Auguſt 1870 iſt allen bekannt. J<h will 
daher ihr Verhalten nur kurz berühren. Sie ging wiederholt mit einer großen 
Bütte Waſſer ins Kampfgetümmel, labte die Verwundeten und ließ ſich auch 
nicht aus der Gefahr vertreiben. Ein höherer Offizier bemerkt ſie und herrſcht 
Sie an: „Frau, machen Sie ſich von hier fort, ſieht ſie denn nicht, daß hier ge- 
ſchoſſen wird?“ Mit einer unbewußten Miſchung von Naivität und Furchtloſig- 
keit entgegnete die Unerſhrokene, die den hohen Rang des Offiziers verkannt: 
„Ei jo, Herr Leutnant, awwer ſie ſchieße jo nit uff mich!“ Er ſah ihr Samariter- 
tum und mit anerkennenden Worten ließ er ſie gewähren. Mancher Verletzte 
dankte ihr für Labung des brennenden Durſtes und gütigen Zuſpruch. Eine 
ganze Anzahl Verwundeter, deren Lage ihr gefährdet ſchien, fanden, auf ihren 
kraftvollen Arm geſtüßt oder gar aufgenommen, eine ſchüßende Deckung oder 
beſchattete Zufluc<ht. Der Offizier meldete ſpäter dem alten König Wilhelm von 
dem Heldenmut dieſer Saarbrückerin. Er ließ ſofort Nachforſchungen anſtellen 
und überſandte der Erſtaunten das Eiſerne Kreuz mit dem roten Kreuz im 
Mittelſchild, ſpäter auch als der einzigen Frau in Saarbrücken die Kriegsdenk- 
münze für Nichtkämpfer. Jhvem beſcheidenen Sinne waren dieſe Ehrungen 
eigentlich entgegen, aber die allſeitige Anerkennung bereitete ihr doch ſtets 
große Freude. 
Als Anton von Werner, der Direktor der Akademie der Künſte zu Berlin, 
den Auftrag erhielt, auf Koſten des Kaiſers aus Dankbarkeit gegen die 
Schweſterſtädte den Rathausſaal mit Gemälden zu ſchmücken, wünſchten die 
Bürger, die Geſtalt der Katharina Weißgerber im Bilde feſtgehalten zu ſehen. 
Sie war nur mit Mühe zu bewegen, dem Künſtler zu einer Porträtſkizze zu 
ſiken. Er ſtellte in rechtem und gerechtem Empfinden ihre Geſtalt in den Vorder- 
grund ſeines Entwurfes zu dem Gemälde: Kaiſer Wilhelms Einzug in Saar- 
brücken, 10. Auguſt 1870. Seltſamerweiſe bekrittelte die für die Beurteilung 
des Kartons eingeſetzte Kommiſſion dieſe ihr vom Maler gegebene bevorzugte 
Stellung. Anton von Werner bekundet, verdrießlih und mißmutig hierüber, 
in ſeinem Buche „Erlebniſſe und Eindrücke 1870-1890“: „Die in der Volks- 
menge angebrachte Frau im Vordergrund hatte Anſtoß erregt! . . . . ſie war 
eine alte Dienſtmagd, als Schulte-Kathrin in der ganzen Stadt bekannt! . . . 
I< war nur einem von allen Seiten in Saarbrücken ausgeſprohenen Wunſch 
gefolgt, als ich ſie im Vordergrund des Bildes mit ihrem Marktkorb am Arm 
angebracht hatte.“ In Folge des Widerſpruchs der Kommiſſion wurde dann 
ihre Geſtalt in den rechtsſeitigen Hintergrund des Bildes verdrängt, wo ſie 
noh eben in der Volksmenge bei einiger Aufmerkſamkeit zu gewahren iſt.“ 
Neben ideellen Ehrungen war leider eine materielle Zuwendung für die 
Bedürftige nicht zu erlangen. Alle darauf gerichteten Beſtrebungen blieben 
erfoigio-, auch beim „Vaterländiſchen Frauenverein“. Katharina Weißgerber 
lebte in ſehr ärmlichen Verhältniſſen in den Manſardenräumen unſeres groß- 
väterlichen Hauſes, das in den Beſitz des Metgermeiſters Fritz Ziegler Üüber- 
FAG
	        
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