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Saarkalender für das Jahr 1930
Sparſamkeit in der guten alten Zeit. Annodazumal beſchränkte ſich in den Bergmanns-
dörfern das Kaufgeſchäft im Metgerladen oft nur auf „e Groſche Knoche“. Fleiſ<genuß
war eiwas für den Sonntag. So war es auh in der alten Harzer Familie F. z,uf'm
Elmerſc<berg“. Wer gemeint iſt, werden die Elversberger wiſſen, die den alten Grau-
haarigen mit dem Gardemaß und ſeine zwerghafte Frau noh kannten. Eines Tages
waltete F. als Koch und ſein kleines „Luwis“ lag krank zu Bett. Ein Junge will ſic< an
ven Suppenknodhen vergreifen, aber da ziſchte es unter dem langen weißhaarigen Schnauzer
hervor. „Lausbub, loß die Knoche leie, die ſinn vo die Mame, Du biſcht do< gar net
krank.“
Ein eifriger Dorfbeamter war der alte Bergmann K. in Spieſen. Seit ſeiner Penſionie-
rung war er als „Schitz“ (Feldhüter) tätig und als ſolcher der Schrecken der Dorfjungen
und der Leute, die ernten wollen, ohne geſäet zu haben. Eines Tages kam ein Mann zu
ihm, ihm klagend, daß ihm „Riwe und Rummele“ geſtohlen worden ſeien. Das war etwas
für K. Sofort Amtsmiene und Ausruf: „Mir grien ſe = -- de Riwe unn die Rummele.“
Der Ausruf Riwe unn Rummele hat ihn dann als Spitzname bis an ſein Lebensende
begleitet.
Vom alten Pilgram. H. B. ſchreibt mir: Eke der Wilhelm-Heinrich-Straße und Luiſen-
ſtraße ſtand früher das beſte Hotel Alt-Saarbrückens. Der Beſitzer Pilgram war beliebt
und bekannt als wißig, jederzeit nie um eine ſc<lagfertige Antwort verlegen. Er hatte nur
das Pech, ſich einer dick ausgebauten, kupferroten Naſe zu erfreuen. Einſt fuhr nach Trier,
im Abteil ihm gegenüber, eim junger, übermütiger Reiſender, den die Kupfernaſe zu aller-
hand wißig ſein ſollenden Hänſeleien reizte. Schließlich fragt er den Alten: „Darf ich mir
erlauben, Ihnen ein Rätſel aufzugeben?“ „Ei, worum denn nit, mol los demit!“ „Nun
gut, kennen Sie den Unterſchied zwiſchen einer Kruppſchen Kanone und Jhrer Naſe?“
„Nee“, antwortete Pilgram. „Nun, die Kruppſche Kanone kommt von Eſſen und Ihre
Naſe von Trinken!“ „Bravo,“ ſagt der Gehänſelte gelaſſen, „und jetze will ich Ihne aach
ens uffgebe. Kenne Ihr den Unnerſchied zwiſchen dem Kölner Dom unn Jhne?“
„Bedaure!“ „Na, Sie könne m'r den Buckel runnerrutſche, der Kölner Dom awwer net.“
Der moderniſierte Walter von der Vogelweide. Ein Lehrer ſchreibt: Mit meinen
Schülern beſpreche ich die Leiden der Südtiroler unter der Gewalttätigkeit der Italiener.
Ih erwähne dabei den größten Lyriker des Mittelalters, Walter von der Vogelweide,
und diktiere den Jungens die Worte ſeines Gedichts über deutſche Vorzüge:
Tugend und reine Minne,
Wer die ſucht und liebt,
Komm in unſer Land,
Wo's noch beide gibt.
Schon bei der erſten Niederſchrift, die ich erblicke, iſt der Dichter ſinngemäß moderniſiert,
die lezten Worte heißen dort:
Wo's noch Beine gibt.
Die gelehrten Singvögel des Saargebiets. Die Singdroſſel fühlt ſich in unſerer Gegend
wohl und iſt zahlreich vertreten. Im Frühling hört man dieſe fleißigen Sänger auf], den
Baumwipfeln unermüdlich ihver Kunſt hingegeben. Der Wetteifer mehrerer Männchen wird
zum muſikaliſchen Genuß, ſie werben um ein Weibchen wder tröſten mit wohlklingenden
Läufern und Trillern die Mutter im Wochenbett. Spottdroſſel nennt der Saarbrücker
vielfas, wenn auch mit Unrecht, dieſen Tonkünſtler. Allerdings vernimmt man, wenn
man ſiGß Mühe gibt, etwas wie „Jdiot, Jdiot“ oder „Fridolin, Fridolin“. Hinterher ertönt
dann ein richtiges „Ha-ha-ha-ha“, auch hin und wider ein „pfuiti, pfuiii“. Shmunzelnd
meinte ein begeiſterter Zuhörer, als es gerade wieder vom Baumwipfel ertönte: „Jdiot,
Jbiot“ -- „Oui vive, qui vive“ -- „Jje, ije“: „Der do Vogel kreiſcht deitſch, franzöſiſch un
ſaarbriggeriſc<h.“
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