Full text: 1930 (0008)

Saarkalender für das Jahr 1930 
„- 
Die Bierrechnung. Im Cafe Batſchle in Altſaarbrücken herrſchte Hochbetrieb bei 
Metzzelſuppe und Hausgemachten. Am langen Stammtiſch ſaßen die Stammgäſte, alte 
Freunde des Hauſes: Ludwig Leiner, Eduard Haas, Gerichtsſ<hreiber Angres, die Spengler 
Kuhn nud Münch, Ru5. Schriewer und Schloſſer Hohſtraßer neben einer Anzahl jüngerer 
Jahrgänge. Das Geſpräch wogte hin und her, und die ſchwierigſten Weltprobleme wurden 
ſpielend gelöſt. Dann wurde in alten Erinnerungen geſchwelgt. Und Ed. Haas ſagte: 
„Was menne Jhr, an dem do Tiſch han ich ſchon vor 50 Johr als junger Pennäler Bier 
geſuff!“ =- Darauf ein junger Kiebitz: „Na, Herr Haas, dann haben Sie aber hier ſchon 
manches Hekto verdrückt!“ -- Darob dieſer, zunächſt etwas überraſcht: „Ei, wie kommeſe 
mir denn vor, menneſe ich ſin e Siffer?“ =- Die Sache wurde ſpaßig und ein neuer, dank- 
barer Geſprächsſtoff dämmerte auf. Launig ſagte Spengler Kuhn: „Awwer Eduard, 
iwwerleh doh emohl, do brauchſchd doch kä Siffer ze ſin. Un wenn de jede Dah nuhre 
ähn ähnzigs Gläshe drinkſchd, ſo macht das in 50 Johr e ganzi Maſſion!“ =- Herr Kuhn 
hatte das erlöſende Wort geſprochen und nun machte ein jeder „ſpaßhalber“ ſeine Bier- 
rechnung vom Cafe Batſchle, rückwirkend bis in die Jugendjahre, - wobei im Durchſchnitt 
„der Wiſſenſchaft halber“ nur ein halber Liter je Tag angenommen wurde. Sehr reſpek- 
table Zahlen tauchten auf. Man rechnete: 360 Halbe ſind 180 Liter in einem Jahr, mal 50, 
gleich 9400 Liter oder 94 Hekto. Nach Beendigung der Rechenexempel ſtellte ſich heraus, 
daß die Zahlen ſo zwiſchen 60 und 90 Hekto ſchwankten. „Dunnerkeil, is das e Bierſchpiel!“ 
rief Rudel Schriever, „das gebbt jo e Tirmhe Fäſſer, ſo hoch wie de Winterberg.“ = „Un 
e Bach, wie de Sulzbach“, echote la<end Konrad Hochſtraßer. =- Haas, als alter Mathema- 
tiker, ging noch weiter und ſagte: „Un nu rodhne mer emohl „was das Bierſchpiel uns 
ſchon gekoſ<d hat!“ -- Geſagt, getan! -- Der Liter wurde zu 30 Pfennigen angenommen, 
auch der Wiſſenſchaft halber. Die Endſummen ſchwankten zwiſchen 2000 und 3000 Mk. -- 
Tableau! = „Und die Zinſen und Zinſeszinſen“, kriſch ein junger Kiebitz. -- „Ojes, ſind 
Se ſtill“, ſagte lachend Herr Angres. „Ei do han mer jo Hab und Fahrt verſuff!“ ertönte 
es im Chor von der Runde. -- „Js nich ſo ſchlimm, Ihr Leit,“ ſagte Herr Ludwig Leiner, 
„Ihr habt noch alle Euere großen Häuſer ſtehn!“ -- Wieder eine Lahſalve! Nehmen. wir 
uns aber doch die Sach zu Herzen, hieß es dann, und trinken von jetzt ab täglich nur ein 
Glas. Erſt feierliche Stille, dann allgemeine Zuſtimmung. Nur Eduard Haas blinzelt ſchalk- 
haſt durc ſeine Brille: „Ja,“ ſagt er, „e Glas, awwer das Seidel muß ſo groß ſin wie e 
Waſcheimer!“ E. P. 
„Der Prozeß gift gewunn!“ Dieſes Wort iſt im Saargebiet ein landläufiger Ausdruck, 
mit dem man gerne die vorm Gericht Reingefallenen hänſelt. Er ſtammt von dem alten 
Tuſtizcat L., deſſen originelle Verteidigungsart zahlreiche Anekdoten ſchuf. Zu dieſem 
humorvollen Rechtsanwalt kommt eines Tages ein als Prozeßhanſel bekannter Bauer und 
trägt ihm ſeine Streitſache mit einem Nachbar vor. Am Ende ſeiner Litanei fragt er: „Wat 
mennen dr, gift der Prozeß gewunn?“ Der Juſtizrat antwortet: „Der Prozeß gift ge- 
wunn!“ Sich vor Freude die Hände reibend, beauftragt der Bauer den Rechtsanwalt, die 
Klage anhängig zu machen. Im Gerichtstermin wird der Bauer aber mit ſeiner Klage 
abgewieſen. Wütend ſtellt er darob den Rechtsanwalt zur Rede. Der aber ſagt: „Sie 
haben midh gefragt, gift der Prozeß gewunn, worauf ich Ihnen erwiderte, der Prozeß gift 
gewunn. J<h habe aber nicht geſagt, daß Sie den Prozeß gewinnen. Wenn zwei ſich 
ſtreiten, gewinnt immer nur einer. Und das trifft zu, alſo habe ich recht geſagt!“ K.B. 
Vom Thermometer. Es war in den bitterkalten Tagen des Februar 1929, jenen 
Wochen, in denen unſere Damenwelt unten Gefrierfleiſch und oben eine Dampfheizung 
zur Schau trug. Meine Jungens wollten da über das Thermometer etwas hören. Wir 
unterhielten uns auch über dies Thema einige Stunden, ich beauftragte zum Schluß der 
Belehrung die Lernbegierigen, das Wiſſenswerteſte darüber in einem kurzen Aufſaß 
nievberzulegen. Einer ſchrieb folgendes: „Wenn es friert, zieht ſi das Queckſilber auf 
einen Ort zurück, den man gewöhnlich mit Null bezeichnet.“ 
- 
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"mi Amame. 2.
	        
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