bB
Saarkalender für das Jahr 1930
Der in der Kirche verprügelte Seelſorger.
In der Schrift werden die Geiſtlihen von etwa 1574 ab aufgezählt, die in jener
Gegend amtiert hatten, ſoweit noch ſichere Nachrichten über ſie vorlagen. Da heißt es
an einer Stelle: „Georg Greth, von Kitzigen, des daſiegen organiſten Johann georg
grethen Sohn, war ſchon 1660 precep. clashieg. zu Saarbrücken, heyrathete 1669 des
Precep. gademanns Wittwe, ward 1672 ordiniert und den 23trin. Pfarrer zu Willhelms-
bronn und überherrn.“ Er wird dann, ſo ſchreibt treuherzig der Verfaſſer des Kirchen-
buches, „der Biſhmisheimer, Fechinger und Eſchringer Gemein als Pfarrer vorgeſtellt.
Als er zu Eſchringen einsmals den Gottesdienſt verſahe, ward er von den
layiſc<hen unterthanen auß dem Gotteshauſe vertrieben und über
die Kir<hofsmauer geworfen. Von dieſem Falle hat er beſtändig gekränkelt,
und iſt endlich 1695 d. 11ten April geſtorben und ward d. 13ten April in die Kirche allhier
begraben. Sein Sohn Jo. Jodocus greth iſt als vornehmer Apotheker zu Memmingen
in Schwaben geſtorben.“ Soweit die alte Meldung über einen, uns heute unbegreiflichen
Vorgang, deſſen Urſachen leider nicht mitgeteilt ſind. Jedenfalls hatte Paſtor Greth wohl
von der Kanzel eine Bußpredigt derbſter Tonart herabgedonnert, die aber weniger die
Seelen aufregte als die kräftigen Fäuſte mobil machte. Sie trommelten auf den armen
Seelſorger herum und expedierten den Hüfloſen mit ſolHer Wucht über die Friedhofs-
mauer, daß er ſich von dem Sturz nicht mehr erholen konnte.
Ein unwürdiger Pfarrverweſer
ſcheint nach dem alten Kir<henbuch der Paſtor Johannes Mohr geweſen zu ſein. Er war
1624 Geiſtlicher in Altenſtadt, hatte aber mit ſeiner Gemeinde nur Zank und Streit. Die
Lage wurde ſchließlich ſo übel, daß er „wegen böſer Händel mit der Gemeine“ abberufen
und nah Sceidt verſezt wurde. An Beſſerung dachte er nicht, ſein Lebenswandel war
ſo anſtößig, daß man ihn ſchon ein Jahr ſpäter 'des Landes verweiſen mußte.
Noch einige Notizen des Buches ſeien angeführt. Pfarrer Johann Eberhard Weber
konſtatiert 1625, ſieben Jahre nach dem Beginn des 30jährigen Krieges, daß Scheidt in
jenem Jahre noh ein Dorf mit 45 Häuſern und 10 Ahatſc<leifmühlen geweſen ſei. Zehn
Jahre ſpäter heißt es: „Das Saarbrücker land iſt faſt gantz ohne leute, weil der Hunger,
der Krieg und die peſt wüteten. Die Herrſchaft ſaß zu Metz und der Saarbr. inspect9or
zu ſtraßburg.“ Erſt im Jahre 1695 entſchließen ſich endlich zwei Familien, nach dem zer-
ſtörten Scheidt zu ziehen. Im Vierteljahr beſucht ſie einmal der Pfarrer, hält Predigt
und Kommunion ab.
Unvergeßliche Tage
iſt im Saarkalender 1929 eine kleine Abhandlung betitelt über Erinnerungen an die
Auguſttage 1870. Erwähnt wird darin, daß zwei Häuſer Saarbrückens in der Wilhelm-
Heinrichſtraße am 6. Auguſt verſchloſſen blieben und dadurch die Aufnahme von Ver-
wundeten erſchwert worden ſei. Als Aufklärung für den Vorfall wird mir gemeldet, es
handle ſic< hierbei niht um eine Schuld der Bewohner. Die Häuſer ſeien wegen ihrer
größeren Räumlichkeiten ſchon für die Aufnahme von Generalſtabsoffizieren und Fürſt-
lichkeiten beſchlagnahmt geweſen. Es ſeien jedoch troßdem Verwundete dorthin gebracht
worden. Nach dem Weitermarſch der Armee ſeien jene beiden Häuſer mit Bleſſierten, treu
verpflegt, bis auf den iezten verfügbaren Platz in Anſpruch genommen worden.
Dorten-Schüler bei einer Tell-Aufführung im Saargebiet. Beſtellung auf einer Poſt-
karte: „Am . . . . wird auf der Freilihtbühne . . . . „Wilhelm Tell“ mit Beleuchtung
gegeben. I< bitte ergebenſt, mir . . . . Nachricht zukommen zu laſſen, wieviel Schüler
von Dorten teilnehmen.“ =- Bei dem damals ſchlechten Papier der Poſtkarten kein Wunder
und doch komiſd, daß bei dem eckigen kleinen d die Tinte auslief und ſo durch die Macht
des Tintenteufels ein großes D entſtand. Welches Glück, daß „Wilhelm Tell mit Beleuh-
tung“ von Dorten-Schülern verſchont blieb. Man hätte vielleicht aber auch beſſer geſehen,
um ihnen heimzuleuchten.
kane)