Saarkalender für das Jahr 1930
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(Am Rand:) Gegenwärtiger Befehl wird vom Meyer Unterſchrieben
zum Ober Amt zurückerwartet.
(Auf der Rückſeite): Den 25 7bris 93, haben die Leuthe ſtroh dem
Generalordenanzen geben müſſen:
1. Henrich
2. Nadel (?)
3. .P. Karl
4. Marg. Gräbr (?)
Unprogrammäßiges beim Kaiſerbeſuh 1904.
Es ſind jezt mehr als 25 Jahre her, als am 14. Mai 1904 Kaiſer Wilhelm Il. den
damaligen Städten Saarbrücken und St. Johann einen kurzen Beſuch abſtattete und
bei der Gelegenheit das Denkmal ſeines Großvaters auf der alten Brücke einweihte.
Es ſoll an dieſer Stelle niht noh einmal auf die Einzelheiten des für die damaligen
Verhältniſſe ungewöhnlichen Ereigniſſes zurückgekommen, ſondern nur einige niedliche
Epiſoden der Vergeſſenheit entriſſen werden.
Nach dem Programm ſollte der Kaiſer nach dem Feſtakt im Rathausſaale in
St. Johann zur alten Brücke fahren, dort das Denkmal einweihen, um dann im
hiſtoriſ<Gen Rathausſaal in Altſaarbrüken die Huldigung Altſaarbrückens entgegen-
zunehmen. =- Das Nec Soli cedit des Scholtz" ſchen Maſſenſänger<hors, deſſen wuchtige
Akkorde den Schloßberg hinaufrauſchten, gaben den dort in Frack und Klack harrenden
Herren die Gewißheit, daß ſie nur noh wenige Minuten von dem Ereigniſſe trennten.
Kritiſc) wurde zum letzten Male die Ausſ<hmückung des Rathauſes betrachtet, ob nicht
doch noch etwas zu verbeſſern wäre. Und richtig. Jemand hatte herausgefunden, daß
die Anfahrtſtraße no<g etwas genezt werden müſſe. Schon fingerte man am nahen
Hydranten herum. Doch, in dem Moment donnerten ſchon die Hochs von der Brücke
Alſo war es zu ſpät mit dem Netzen. In der Aufregung jedoch konnte der betr. Beamte
den Hydranten nicht verſchließen; allem Anſchein nach hatte er auf-, ſtatt zugedreht.
Ein mächtiger Waſſerſtrom ergoß ſich plößlich auf das Trottoir an der großen Treppe ent-
lang, überſ<wemmte die gelegten Läufer und ſchwemmte die Blumen hinweg, um den
Schloßberg hinunter dem Beſuch entgegenzueilen. Nur mit allergrößter Mühe gelang
es einem Stadtbaumeiſter, den Waſſerſpeier zuzudrehen, nicht ohne, daß ihm die
ſprizende Giſcht ſein feſtliches Kleid vollkommen dur<hnäßte. Als kurz darauf die
kaiſerliche Equipage vor dem Portal anlangte, hatte ſich das Waſſer verlaufen und wer
achtete in der allgemeinen Aufregung noh auf die naſſen Spuren? =- Im hiſtoriſchen
Rathausſaal dann der Feſtakt: Vorſtellung der Prominenten =- Anſprachen -- Eintragen
ins golvene Buh -- Cercle =- Schluß! Hierauf gings die Treppe hinunter. Dicke Läufer
dämpften die Schritte. Am Fuß der Korridorwände waren Girlanden gelegt. Der Kaiſer
mit Gefolge ging voran, dann die Kaiſerin mit Damen, die Bürgerſchaft und die Preſſe-
vertreter. =- Doch was iſt denn das? Plötlich läuft ein winziges Mäuslein über
den Flur von einer Girlande zur anderen, fünf Schritte hinter den kaiſerlichen Damzn. -
Furchtbare Gedanken ſtiegen den entſeßzten Beobachtern auf beim Ausdenken der Möglich-
keiten, was alles paſſiert wäre, wenn es dem kecken Mäuslein eingefallen, zehn Sekunden
früher den Weg zu machen. Todſicher hätte es dann in ſeiner Angſt in den höchſten, ja
vielleicht =- und das wäre ja gar nicht auszudenken -- in den allerhöchſten Scleppröken
Unterſchlupf geſucht und gefunden. Nach den damaligen Begriffen wäre der Vorfall auſ
alle Fälle geeignet, zum allermindeſten die größte Verwirrung in das ſtreng vor-
geſchriebene Feſtprogramm zu bringen. Zum Glück blieb Altſaarbrücken dies Ungemach
erſpart. Aber es iſt gut, daß, nachdem längſt Gras über die Sache gewachſen iſt, dieſe
kleinen Epiſoden hervorgeſucht werden, um zu zeigen, welche Tücken des Objekts mand)
mal obwalten können, um die noh ſo jorgſältig ausgearbeiteten Programme zu
gefährden. EP.
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