Saarkalender für das Jahr 1929
denen die ,„Anſtalt“ ruhte. Als wir wieder einmal gegen das Verbot handelten, kamen
wir zum Gelächter der Vorsichtigen, den Körper reichlich mit ſchweren Teerflecken be-
deckt, aus dem Waſſer. „Der Kommandant“ hatte die Fäſſer geteert und freute sich über
unseren Reinfall. An eine Gefahr dachten wir Kinder überhaupt nicht, ein Unglück war
niemals unter dem Alten vorgekommen. Er ſprang stets zur rechten Zeit hinzu und
hat im Laufe seiner Tätigkeit – wohl 50 Jahre – manchen leichtſinnigen Wagehals
vor Unheil bewahrt. Wir tobten und tollten in wilder Jagd beim ,Nohlääfches-Spiel“
durch das Bad, flink hinein und ebenso flink wieder aus dem Wasser heraus. Wer
dabei im Eifer dem die Angel haltenden Latte zu nahe kam, der wurde q,getunkt“,
d. h. der erzürnte Meister trat einem mit seinem breiten Stiefel auf den Kopf.
Als wir aus der Schule waren und im Penſionat am Rhein oder in der Schweiz
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Bad un meinem is doch nit so groß. Dohinne missener eich wäſche, wanner enin gehn,
un hei mir missener eich wäsche, wanner raus komme.“ cTatſächlich brachte jeder
Schwimmer, der ein Dauerſchwimmen zur Erlangung des Freiſchwimmerſcheines beendet
hatte, beim Verlaſſen des Wassers um Mund und Kinn einen ſchwarzen Streifen echt
Saarbrücker Rußes mit. :
Mit Latte und seiner Badeanſtalt iſt ein Stück Alt-Saarbrücken dahingegangen.
Auf alle Fälle hat er im Laufe der Jahrzehnte tauſenden von Saarbrücker Mädels und
Buben die Waſsſerſcheu genommen und sie zu tüchtigen Schwimmern gemacht. Heute iſt
ſein Betrieb längst überholt durch die ſtädtiſchen Badeanstalten, Kaiser-Friedrichbad und
Deutschmühlenbad. Dafür blüht an seiner früheren Wirkungsstätte der Ruder- und
Paddelbootsſport in ſchönſter Weiſe. Wie herzlich würde er ſsſich freuen, wenn er als
Pionier des Waſſserſports in dem blühenden Schwimmverein die reife Frucht ſähe,
deren Samen er geſtreut. Wie würde aber auch des echten St. Johanners Zorn auf-
flammen, erblickte er seinem Standort gegenüber nicht mehr das blühende, glühende
Rosenfeld Anton Roſsenkränzers, ſondern das große Dorngebüſch mit der Ueberschrift:
„Regierung des Saargebiets“. ü :
Die Maus.
Ein Saarbrücker Schulerlebnis.
Wir hatten in der ſechſten Klaſſe einen ein kleines Mädchen und ſchrieb ,,die
holeriſchen Lehrer, der uns in der deut- Maus“ . . . .
schen Stunde die Kommas mit Ohrfeigen Aber das ſchreckliche war, er hatte mir
einbläute. Ich machte daher in den Auf- das myſteriöse Wort so oft ins Ohr vor-
sätzen aus Angst hinter jedem dritten Wort buchſtabiert, daß ich, als ich nun vor meinem
gewissenhaft ein Komma, ob es hin paßte leeren Heft ſaß, nicht mehr wußte, wie es
oder nicht. Bei einem Komma zuviel be- richtig war. Mit einem langen s sah
kam man keine Ohrfeige. es ſo wunderlich aus und mit einem ß
Dieser Lehrer, den wir sehr fürchteten, schien es mir auch nicht das richtige, mit
war Montags immer ſrchlechter Laune, einem Ringel-s sah es noch am natür-
dann redete er uns mit Tiernamen an, lichſten aus . .. Fragen konnte ich nie-
z. B. „Steh auf, Kamel,“ oder „Schmidt, mand, denn die Schulklassen waren alle
Kalb Moſes“. Dann erhoben wir uns und leer. So ſchrieb ich denn, nach einem ver-
sagten, „Ich bin kein Kalb“. Samstags gzweifelten Entschluß, um wenigstens nicht
war er meiſt guter Laune, dann redete er alles falſch zu machen, die Maus fünf-
uns in Versen an, z. B. „Müller, vom zigmal mit einem Ringel-s und fünfzig-
Triller“, oder „Anna Stiel weiß nicht viel‘. mal mit einem langen |.
Einmal schlug er mir das Heft um die Als der Lehrer am anderen Tag dieses
Ohren, weil ich Maus mit einem langen | Heft erblickte, geriet er in fürchterliche
geſchrieben hatte und befahl mir, nachzu- Wut. Er ſsagte, ich sei das niederträchtigſte
ſitzen und hundert mal richtig „die Maus“ Geſchöpf der ganzen Stadt und er wolle
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heißen Klaſſe in den leeren Schulbänken lernt, wie man „Maus“ richtig ſchreibt ...
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