Saarkalender für das Jahr 1928
Die Saarbrücker Zeitung
regt die Gründung eines Ruder-Klubs an.
Nr. 68 vom 4. April 1875.
; Saarbrücken, 3. April.
Der Frühling naht im Sturmſchritt heran,
die Zeit der Bälle und Congerte geht zu
Ende und die Periode der Bodereiſen und
Ausflüge beginnt. Zu letzteren werden
hier lediglich Eiſenbahn-Wagen und = last
not least! – Schusters Rappen verwandt;
einen und zwar gerade im Sommer am
aller angenehmsten Weg benutzt man hier
faſt gar nicht: d ie Sa a r. Es dürfte an-
geſichts dieſes Umstandes vielleicht nicht un-
angemessen sein, darauf hinzuweisen, daß
anderwärts, wo man ſich eines ähnlichen
Wasserwegs wie hier erfreut, vielfach
seitens der jungen Leute ein Bo ot - o der
Ru d er- Club gebildet wird, dessen Mit-
glieder dann und wann Wettfahrten und
Ausflüge zu Boote, letztere natürlich. mit
Damen, veranstaltet und so nicht wenig
dazu beitragen, daß die im Winter sich zu-
sammengefundene Geſsellſchaft auch im
Sommer hübſch beiſammen bleibl. – Wie
ſschón wärs zum HBeispiel, wenn eines
schönen Sommersonntags Nachmittag von
einer der beiden hieſigen Brücken aus eine
kleine festlich beflaggte Boot-Flotille voll
luſtiger Menschen, voran ein Boot mit
Muſik, vom Ufer abstieße und nach einem
benachbarten Ausflugsorte sich in Bewegung
setzte. Dort angekommen, könnte muſizirt
und getanzt werden und abends würde
dann bei Mondſchein oder Fachtkellicht die
Heimreiſe angetreten. Derartige Ausflüge
zu Wasser haben einen ganz eigentümlichen
Reiz und gewähren viel Vergnügen. Die
hiesigen jungen Männer würden nicht nur
ihren Körper in höchsſi heilſamer Weise
kräftigen, sondern sich auch ein großes Ver-
dienst um die Belebung des gesellschaftlichen
Verkehrs erwerben, wenn sie sich zu einem
derartigen Club vereinigten. Des Dankes
unserer Damenwelt, namentlich ihrer jün-
geren Mitglieder, glauben wir sie im Vor-
aus verſichern zu dürfen. Wie wärs mit
einem Versuch, meine Herren?!
Ö~-
Wildweſt in Saarbrücken.
Immer reicher an Episoden wird die
Neuzeit. Der Wirt einer Separatiſten-
kneipe in Kaiserslautern hatte es unbe-
helligt zum Kaffeehausinhaber in Saar-
brücken gebracht und zahlte als Pacht
monatlich die Summe von 3500 Franken.
Es war kurz vor Weihnachten. Das neue,
vornehme Geschäft nahm einen guten Auf-
schwung, was den Pächter veranlaßte, sich
seines Daseins um so mehr zu freuen und
seine Lieferanten nicht zu bezahlen, die in
der letzten Zeit täglich mit größeren For-
derungen vorſtelll)s wurden. Selbst den
Milchlieferanten, den er doch täglich zu
Gesicht bekam, wollte er nicht mehr
. kennen, als dieser Bezahlung von 1300 Fr.
für gelieferte Milch verlangte und drohte
ihm mit Fauftrecht. Kurz und gut! Die
Luft wurde zu dick, der Pächter kam daher
im engsten Kreise seiner Familie zu dem
Entschluß, unbemerkt mit Hab und Gul
das Weite zu suchen. Die Kinder wurden
bereits vorgeſchickt, wohin: unbekannt.
Eines Tages erschienen im Hofe zwei Laſt-
" autos, um die heimlich zusſammengepoackten
Möbel und Werte maùöglichſt ſchnell mit
Hilfe einiger kräftig aussehender Packer
aufzuladen und über die Saargrenze zu
befördern. Diese Nachricht rief auch die
zahlreichen Gläubiger an Ort und Stelle,
die Aufstellung nahmen und den Auszug
verhindern wollten. Die eifrig beschäftigte
Frau erklärte gegenüber den laut er-
hobenen Forderungen, „daß ihr Mann nicht
da sei und sie nichts mit der Sache zu tun
habe“. Was blieb den Enttäuſchten anders
übrig, als ein saures Gesicht. Als letzte
Ladung wurde ein großer. Koffer aufge-
laden mit der Anweisung, vorsichtig damit
umzugehen, weil sich darin das Wert-
vo l1st e befinde. – Die Autos fahren in
der Richtung St. Ingbert. ~ Unterdessen
hatte sich auch ein Gerichtsvollzieher mit
einer eingeklagten Forderung von 1300
Franken eingestellte Er besann ſich nicht
lange und jagte mit einem Auto den Aus-
wanderern nach, um unterwegs noch zu
pfänden. Die Zugvögel wurden bei Sl.
Ingbert erreicht und siehe: Das Wert-
vo I Il t e ſaß bereits neben dem Autoführer,
munter und vergnügter Laune. Der Ge-
richtsvollzieher erreichte es durch Drohun-
gen, daß die geforderte Summe gegahlt
wurde und fuhr befriedigt zurück, während
der Pächter mit Weib und Gut über die
Saargrenze davonfuhr, bis heute unbe-
kannten Aufenthaltes. bu.