Saarkalender kür das Jahr 192
trotz aller inneren und äußeren Hemmnisse das Ziel erreichen. Wenn auch grauſam ver-
stümmelt, zerschlagen iſt Bismarcks Werk nicht, seine Grundfesten ſtehen und harren des
Ausbaues. Die Not erdrückt den Schwächling, im starken und gefestigten Charakter wird
sie ſtets den Willen zur Tat reifen laſſen. Das bescheidene, duldende Nationalempfinden,
das uns vor dem Zerfallen rettete, muß sich wie bei allen Völkern auch bei den deutſchen
Stämmen zu einem ſtolzen, eifernden und aktiven Stammesgefühl emporrecken. Aus
Dornen müssen Rosen, aus Ketten Schwingen werden.
Zwei Staatsmänner größten Ausmaßes legen Zeugnis dafür ab, daß weder äußere
noch innere Widerſtände das große Ziel auf die Dauer blockieren können. Na p ole on I.
sagt: „Es gibt nur zwei Werte in der Welt, Geiſt und Degen. Auf die Dauer wird aber
der Degen stets vom Geiste besiegt.“ Prophetiſch ſah Bi s ma r < unser Schicksal voraus:
„Wie Gott will,“ sagt er, „es iſt ja alles doch nur eine Zeitfrage, Völker und Menſchen,
Torheit und Weisheit, Krieg und Frieden, sie kommen und gehen wie Waſsſserwogen . . .
Es kann.ſein, d aß Gott für Deutſchland noch eine zweite Zeit des
Zerfalles und darauf eine neue Ruh mes zeit vorhat: dann freilich
auf der Baſis der Republik.... Man muß dem lieben Gott Zeit
laſſfen, die d eutsche Nation durch die Wüſte zu führen und die An-
kunft im gelobten Land ab wart en.“ Und an anderer Stelle urteilt der größte
Staatsmann Deutschlands: „Man kann die Geschichte nicht machen, aber man kann aus
ihr lernen, wie man das politiſche Leben eines großen Volkes seiner Entwicklung und
seiner hiſtoriſchen Bestimmung entsprechend zu leiten hat.“ Ein Mahnwort an die heute
verantwortlichen Leiter und Führer des Reichs, unsere Hoffnung und unser Glaube zu-
gleich, lebend im Grundsatz des Rechts auf Selbstbeſtimmung, der mit glühenden Buchstaben
in die europäiſche Geschichte eingegraben iſt.
Es peitscht die Brandung an den Felsen des Volkstums der Saar, die nachfolgenden
Blätter künden unser Leid, aber auch die Geschloſsenheit und die Kraft für Freiheit und
Einheit auf der Schanze zu stehen. Wir wissen, daß für uns alles verloren iſt, seelisches
und materielles Glück, wenn das Reich dahinsinkt. Darum, was uns auch noch beschieden
sei, die Stunde kommt, wir werden frei, wir halten aus und halten ſtand:
„Ueber alles das Vaterland!“
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General Heyne und Saarbrüchen. Der neue Chef der Heeresleitung, Generalleutnant Wiihelm Heye, hat
ſeine militäriſche Laufbahn in Saarbrücken begonnen. Er iſt im Iahre 1888 aus dem Kadettenkorps, das er
Is Selektaner verließ, in das 8. Rheiniſche Infanterieregiment Ur. 70 als Leutnant eingestellt worden. Hier
in Saarbrücken blieb er bis zu ſeinem Kommando zur Kriegsakademie, dem dann das Kommando zum Großen
Generalſtab und ſchließlich die Derſetzung in dieſen folgte. – Aber auch noch ein anderes, dauerndes Band
beſteht zwiſchen dem neuen Chef der Heeresleitung und unſerer Saarheimat: Generalleutnant Heye iſt mit einer
Tochter des verſtorbenen Geheimen Kommerzienrats Karcher - Beckingen verheiratet.
Dom alten Marſchall Wrangel. Als der alte General Wrangel im November 1848 vor Berlin ſtand, um zur
Unterdrückung der revolutionären Unruhen dort einzurücken, ließ ihm die Bürgerſchaft von Stettin, ſeinem
Geburts- und Wohnort, mitteilen, ſie würden ſeine Frau aufhängen, wenn er es wage, in Berlin einzumar-
ſchieren. Troßdem rückte er am 9. November mit den vor der Hauptſtadt verſammelten Truppen dort ein. AIs
das Militär die Stadt betreten hatte, ſagte Papa Wrangel zu ſeinem Adjutanten: „Nu ſoll mir dat bloß wundern,
ob sie ihr hängen!“ Und als er einige Tage ſpäter die Nachricht bekam, daß seine Frau wohlbehalten sei, meinte
er ganz ruhig: „Dat hab ick mir ſchon jedacht. Uf die Stettiner is keen Derlaß!“
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) „Das Deutſche Reich iſt kein künftlich zuſammenerobertes Cäſarenreich, \
' sondern die Erfüllung der Jahrhunderte langen Sehnſucht eines edlen, mit \
( Herz und Blut zuſammenhängenden, durch eine traurige Geſchichte ohne (
( Gleichen auseinandergeriſſenen Volkes.“ .
\ Oberreichsanwalt Hamm (1888). |)
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