Full text: 1928 (0006)

  
Saarkalender für das Jahr 1928 
  
Redeblüten aus dem Landesrat, Saarbrücker Stadtparlament 
und Verſammlungen. 
Mitte Iuni 1927 wurde in Saarbrücken der 40. Verbandstag der deutſchen Schloſſerinnungen abgehalten. 
Am Schluſſe der Tagung erfolgte ein großes Feuerwerk. Kaum knattern die erſten Raketen in den dunkelnden 
Abend empor und leuchten mit hunderten glitzernder Sternchen, eine „Sonne“ ſtreut ihr Funkenmeex, da erhebt 
ſich ein Saarbrücker Bürger und ruft mit gewaltiger Stimme: „M e in e D am en un Herre, daß 
n ur e k e in er uf ſte h t, d am it m an d o h in n e nit d a s G e ſi h t v er li e r t !“ Freudiges Hallo 
der Ulenge! Mit Recht. Ich meine ,do hinne das Geſicht“ verliert man doch nicht beim Aufstehen ſelbſt beim 
größten Feuerwerk mit platenden Rateten. Es iſt viel zu ſolide gebaut. Aber der Zweck der Mahnung unſeres 
lieben Mitbürgers wurde erreicht, die Sicht wurde niemand verkümmert. 
Ein Künſtler im Fache der Redeblüten im Stadtrat iſt der Kommuniſt D. Bei Gelegenheit einer Beratung 
über die Wohnungszwangswirtſchaft äußert er ſich im Eifer des Gefechts: „M ir wo l l en d en kleinen 
Ha u e b e s i z ern Z u ſ h ü ſ ſ e für R e p ar at ur en g e b en, ſ ei es in ge ſun d h eitlich er, 
ſe i es in b au f äl li g er Hin ſ i ch t.“ Herr, dunkel iſt der Rede Sinn! – Anzüglicher iſt allerdings ſchon 
D's Anjicht, als er zornig in die Derſammlung unſerer Erwählten hineinruft: „M ir kön n en un s nicht 
dam it ein v er ſtan d en erklär en, d a ß die Haus b e ſ i ß er d az u ü ber g e h en und 
laſſen ſi ch d en Hin t er b au b e z a h l e n." Dieſe ſchnöde AbſJicht iſt mir allerdings neu, ſollte jedoch der 
Stadtverordnete gut unterrichtet ſein, ſo geht denn doch eine ſolche frivole Forderung über den Schellen Aß, 
aber man ſieht hier, wohin die Not führt, denn eigentlich iſt doch der Hinterbau eines jeden ureigenſte Angelegen- 
heit. – Auf welchem niedrigen Kulturniveau wir uns befinden, geht klar aus den Worten Dſ’s hervor: „W i r 
ford ern, d a ß d ie Ko pf a b g a b en e in g e ſ < r än kt w er d e n !“ Nanu, bisher haben wir doch 
wohl alle geglaubt, daß die Kopfjägerei nur bei den Maſsſais hinten in Afrika und bei anderen wi.den Neger- 
ſtämmen heiliges Erbgut ſei. Dergeblich wird man auch den Sinn nachſtehender blühender Wendung zu ergründen 
ſuchen: „Wir w o Il en d en G e g n ern e in m al d ie H u s m a ß e d er P o lit ik v orl eg en.“ 
Einen erfolgreichen Konkurrenten hat D. in ſeinem redefrohen Kollegen E-r. Ein treffendes Bild macht die 
Rede lebhafter, wirkt eindringlich und nachhaltiger, dieſer Wink der Rhetorik ließ ihn wohl im Kollegium 
des Stadtrats ſagen: „Di e R e g ier ung z ü cht et an i hr em B uſ en Lan dj äg er, um ſie der 
Ar b eiter ſ < a ft als Milch ein z u f Il ö ß e n.“ Ich traue der Regierung nach unseren Erfahrungen 
alles mögliche zu, ſie hat ſich unglaubliches geleiſtet, aber die Geſchichte von dem ominöſen Landjägerbuſen will 
mir nicht in den Sinn. „Die Botſchaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Indeſſen, Landjägermilch, 
das wäre wenigſtens in unſerer an Wundern ſo überreichen Zeit etwas ganz Neues, ein ganz über- 
raſchendes Kapitel. – In der Stadtverordnetenverſammlung wird der Neunkircher Landfriedensbruchprozeß 
geſtreift, bei welcher Gelegenheit E-r ſeinem kommuniſtiſchen Herzen wie folgt Luft macht: „Da s W e iter - 
ſa cen d e s A u f l ö ſ un g s b e f eh 1 s hat g e wir kt wie ein A b m u < er, d en ein Oberſſt 
an se in en Unt er g e b en en w e it er g i b t un d der b ei d e m g em e in en M ann als Ex pl o- 
ſi on an k o m m t." Blühender Stil! 
Während des eben genannten Prozeſſes, in dem Staatsanwalt und Verteidiger in heftiger Fehde lagen, 
erregte troß des Ernſtes der Situation eine Wendung des Dr. S. allgemeine Heiterkeit, als er erregt ſagte: 
„I < wär e auf die An g ele g en h eit n i h t zur ück g e k o m m en, wenn der Herr Staats- 
an w alt ſ e in en d eus e x m a < in a, d en Z eu g en Fritz, nicht als Tr u m p f a ß a u s - 
g e ſp i e lt hätt e.“ Tja, tja, man denkt an Skat bei Tag und Nacht, weil er uns viel Vergnügen macht, 
doch mit dem Gott in der Tragödie Spiel hat er an Kehnlichkeit nicht viel. 
Ich ſchließe hier die kleine, heitere Ausleſe mit einer Reußerung des Dr. B. im Landesrat. Dort gab es, 
wie jo oft. eine Auseinandersſezung mit der Regierungskommission; eine Rede des Dr. B. ſchloß mit den Worten: 
„Die Regierung will ſich ihre Wurſt nicht zerbrechen.“ „Er handelt um die Wurſt,“ pflegt man zu ſagen, hier 
alſo jedenfalls um keine Schmierwurſt, ſondern um eine ſolide Knackwurſt. 
Frichlingsnaacht. 
Dum Schreinermeiſchdher C. Schumann. 
Iett ruhe, mied vumm raſche Spiel, die laue Winde, 
Wo vorhin noch voll Luſcht es letſchte Ometgold umtoſft, 
Un wie e Mutterhand, ſo zart un ſo gelinde 
Der Mond dä ſtille, hohe Wald umktoſt. 
Das Duntkelblau der Naacht, beſticht met goldne Sterne, 
In das noch hell es letſchde Lerchelied gebannt, 
Deckt weich die Ilur bis in die weitſchde Ferne, 
Un Friede ſchwebt ums friehjohrſchmiede Land. 
Känn Hauch regt ſihh –~ Doh hebt met andachts- 
vollem Klinge 
Der Naachtsglock flinker, leichtbeſchwingder Hammer 
Un pus. das ganze All geht hell e frommes Singe, 
Als wär die Welt e großes Gotteshaus! 
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