Saarkalender für das Jahr 1927.
Am 10. Februar 1917 wurden die Bewohner der Provinzialſtraße zu Brebach, sſoweit ſie vor der Kokerei und
Benzolfabrik der Halberger Hütte wohnten, polizeilich zum ſchleunigſten Derlaſſen der Häuſer aufgefordert. Eine
Bombe war in einen Teerkühler der Hütte gefallen. Dieſer ſtand im Nu in Flammen und alles um ihn herum
geriet in Brand, ein ſchauerlich-ſchöner Anblick in der Nacht. Man befürchtete eine Exploſion des nahen Benzol-
lagers, und so geschah in aller Eile die Räumung der Häuser. Im evangeliſchen Gemeindehaus fanden die
Leute, die kaum das Notdürftigſte in der Haſt mitgenommen hatten, Unterkommen. Die Flucht kam ſo über-
raſchend, daß alle wirr durcheinander ſtürzten, die bejammernswerte Szene beleuchtet durch den hellen Feuer-
ſchein. Man ſah Frauen in der kalten Nacht durch die Straßen rennen nur mit Hemd und Unterrock bekleidet,
unter dem AUrm oft das Wertloſeſte des ganzen Haushalts wie Kammkäſten und Hüte. Nur eine zeigte Be-
ſonnenheit, ſie erſchien an der Unterkunftsſtelle wohl im tiefſten Negligs, aber die Schmucksachen hatte fie
zuſammengerafft und mitgenommen. Es gelang, die Benzolanlagen zu retten, doch erſt nach vier qualvollen
Stunden war die Gefahr vorüber und man durfte in die Häuſer zurückkehren.
Am 15. Februar Alarmierung von 9.55—910.55 Uhr nachts. J Am 17. Februar Alarmierung morgens von
5.2595.45 Uhr morgens. – Am 25. Februar Angriff von 3.15 4.20 Uhr nachmittags. Es wurden einige
Bomben geworfen. Die Abwehr war ſehr tätig, hat aber wieder fünf Blindgänger zu verzeichnen. –~ Am
25. Februar Alarmierung von 4.5595.05 Uhr nachmittags. – An demſelben Tage Alarmierung von 1112.15
Uhr nachts. – Am 4. März Alarmierung von 12.20-12.40 Uhr mittags. –~ An demſelben Tage um 1.15 Uhr
mittags. - An demſelben Tage von 8.3099 Uhr abends. – Am 10. März von 99.50 Uhr abends.
Am 16. März ein ſtarker Fliegerangriff von 10912.10 Uhr nachts, 20 Bomben fielen, die sämtlich explo-
dierten, Blindgänger ſind wenigstens nicht gefunden worden. Zu beklagen bleiben zwei Tote, der Kaufmann
Fritz Schrader und eine Frau, die Witwe Margarete Willinger, die vor Schreck einen Herzſchlag erlitt. Eine
Bombe ſchlug in das Hinterhaus, Hohenzollernſtraße 24, und drückte das Dach des Gebäudes vollſtändig ein.
Türen und Fenſterſcheiben im Vorderhauſe und in der Nachbarſchaft wurden zahlreich zertrümmert. Das Glas
der Fenſterſcheiben des nahe gelegenen Redaktionszimmers des Derfaſſers lag auf seinem Arbeitstiſch und im
Zimmer zerſtreut. Schrader, der augenſcheinlich am Fenster geſtanden hatte, wurde von einem Splitter getroffen
und war sofort tot. Durch explodierende Bomben, z. T. aber auch durch Blindgänger der Abwehr wurden arge
Beſchädigungen, beſonders hervorgerufen in der Deutsſchherrnſtraße, Ecke der Werder- und Françoisſtraße, im
Majſchinenhaus des Herrn Ioſef Müller in der Gersweilerſtraße, im Moltkeſchulhaus und im Jenneweg. Auf
dem Friedhof im Ienneweg, wo fünf Bomben niedergingen, ſah es bös aus. In St. Johann fiélen zwei Bomben
auf das Haus Reichsſtraße 2, der Dachſtuhl wurde abgedeckt. Eine weitere Bombe explodierte im Dorgarten zum
Bahnhofseingang. Spiegelſcheiben der Schauläden und faſt ſämtliche Fenſler in den Häuſern Reichsſtraße 15 bis
19, ferner im Eiſenbahndirektions- und Bergwerksdirektionsgebäude füllten in großen Massen die Bürgerſteige.
Ein Geſchoß explodierte auf dem Bahngleis auf der Strecke SaarbrückenStieringen unmittelbar vor einem
haltenden Personenzug. Die Bombe durchſchlug eine eiſerne Schienenſchwelle. Die Paſſagiere kamen indesſen
mit dem Schrecken davon. Durch diesen Einſchlag wurden aber die Fenſterſcheiben der in der Nähe liegenden
re .ikeyttrahe zum großen Teil zertrümmert. Der Sachſchaden dieses Angriffes belief ſich im ganzen auf
Die nächſten Angriffe verliefen. ohne Unfall und Sachschaden. Am 8. April Angriff von 8.50099.20 Uhr abends.
~ Am 26. Mai von 11.55-12.32 Uhr nachts. – Am 4. Iuni von 151.20 Uhr mittags. – An demſelben Tag
von 11.40-22.15 Uhr nachts starkes Abwehrfeuer. – Am 16. Iuni von 12 Uhr bis 12.30 Uhr mittags.
.- Sonntag nachts vom 16.–17. Iuni war wieder ein kritiſcher Tag erſter Ordnung, ſoweit Sachſchaden in Betracht
komnit. Der Angriff erfolgte von 12 bis 12.15 Uhr nachts. Es wurden 10 Bomben geworfen, die ſämtlich
explodierten und voneinander entfernte Stadtteile in Mitleidenschaft zogen. Die Flugzeuge kamen von
Saargemünd her und überflogen die Stadt in der Richtung katholiſche Kirche St. Iohann-altes Landgericht~
Gutenbergſtraße–Schanzenberg. In der Türkenstraße fiel eine Bombe auf den Bürgerſteig vor dem Hauſe
Nr. 2 und eine auf den Fahrdamm, wobei ein unbekannt gebliebener Soldat ſchwer verletzt und die Ehefrau
Döllinger leicht verwundet wurde. Eine ältere Frau, die während des Bombenaufſschlages aus dem _Fenſter ſah,
blieb wie durch ein Wunder unverletzt, obwohl die Geſchoßſplitter zu hunderten um ſie Hherumflogen. Auch die
Wallgaſſe wurde durch zwei Bomben hart mitgenommen, vollkommen abgedeckt wurde dort das Hinterhaus,
Bleichſtraße 2, das an die Wallgasſe grenzt. Leicht verlezt wurde an jener Stelle der Eiſenbahner Beckhäuſer
und seine Frau. Im Stadtteil St. Iohann fiel dann noch eine Bombe in das nach der Fürſtenſtraße zu
gelegene Hinterhaus Bahnhofstraße 2. Hier wurde das Dach abgeriſſen. Zahlloſe Fenſterſcheiben aus der
Fürſterſtraße bedeckten den Fahrdamm. In Alt-Saarbrücken wurde durch ein Geſchoß das Dach des alten Land-
gerichts völlig zerſtört und auch im Inneren des Hauſes Derwüſtungen angerichtet. Die nach der Saar zu
gelegene Mauer vor dem Gebäude wurde durch eine andere Bombe stark beſchädigt und z. T. umgeriſſen. Der
Luftdruck war ſo ſtark, daß Balken, Dachkandeln über den Fahrdamm in die Luiſenanlagen flogen. Weitere
Bomben richteten sodann noch Verwüstungen an . im Hintergebäude Eiſenbahnſtraße 54, Bürgerſteig und Fahr-
damm Eisſenbahnſtraße 35. Die Häuſer in dieſen Straßen, beſonders das Geſchäftshaus Gebr. Hofer, zeigten
ſich durch Bombenſplitter stark beſchädigt. Weite Strecken der Bürgerſteige waren mit Scherben von Firmen-
ſchildern, Spiegel- und Fenſterglas dicht beſät. Aus den Schauläden ſelbſt wurden während der Nacht die
darin ausgestellten Gegenſtände von herumſtrolchendem Geſindel geſtohlen, ſo u. a. aus dem mit Herrenanzügen
reich ausgeſtatteten Konfektionsgeſchäft Leimbach. Ein Zigarrenladen klagte über große Verluſte. Der
Geſamtſchaden betrug über 200 000 Mark. ;
Es solgen wiederum Angriffe, die wegen des lebhaften Abwehrfeuers keinen Erfolg hatten: Am 3. Juli
von 12.50 Uhr bis 1.10 Uhr mittags. – Am 7. Iuli von 12.30 Uhr bis 2 Uhr nachts. – Am 253. Juli von
1.05 Uhr bis 1.20 Uhr. ~ Am 27. Juli von 11.40 Uhr bis 11.55 Uhr nachts. ~ Am 28. Iuli von 11.15 Uhr
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