Full text: 1927 (0005)

Saarkalender für das Jahr 1927. 
  
ſowie die Derwundung von fünf Perſonen durch die Sprengſtücke herbeiführte. In der Halbergerhütte war 
durch ein Sprengſtück der Arbeiter Heinrich Burgardt aus Brebach ſo ſchwer verleßt worden, daß er am 
11. September 1915 ſtarb; außerdem gab es noch drei Leichtverlette. 
In der Folge war die Bevölkerung vorsichtiger geworden und flüchtete beim Alarm, der oft mehrmals am 
Tage und in der Nacht einsſeßte, in Unterſtände und Keller. Die Halbergerhütte erbaute zwei geräumige Unter- 
ſtände für ihre Belegſchaft und vor dem Bahnhofe in Brebach wurde für Paſſanten ein Unterſtand erbaut. 
Brebach ſchien vom Glücke begünſtigt zu sein, denn in den folgenden beiden Iahren paſfierte durch die Bombarde- 
ments nichts nennenswertes. 
Der 6. September 1915. 
Am 6. September erfolgte der zweite Fliegerangriff in der Zeit von 1010.30 Uhr vormittags. Es wurden 
87 Bomben geworfen, von denen 44 explodierten. Zum Opfer fielen dem Angriff fünf Perſonen, ſchwer verletzt 
wurden außerdem fünf und leicht verletzt ſechs. Die „Saarbrücker Zeitung“ meldet über den Tag: 
„Gestern kurz vor 10 Uhr vormittags ertönten wieder die Warnungsrufe der Sirenen durch die Stadt, um 
den von ihrer Arbeit aufgeſchreciten Bürgern einen drohenden Angriff feindlicher Flieger anzukündigen. Durch 
die traurigen Erfahrungen des letzten Angriffes gewitzigt, brachte ſich die Bevölkerung nach dem in ſeiner 
Bedeutung erkannten erſten Zeichen des Signals eiligſt in Sicherheit. Gegen 10 Uhr wurden die erſten 
Flieger gesichtet, und Detonationen, die bald in kürzeren, bald längeren Abſchnitten ertönten, verrieten, daß 
der Feind an der Arbeit war. Die Flieger, die ſich wieder in bedeutender Höhe hielten, tauchten meiſt nur 
einzeln aus dem Wolkenſchleier des dicht bedeckten Himmels hervor. Der Angriff war um 1411 Uhr beendet, 
wenn auch einige Zeit ſpäter der Sirenenruf noch einmal die Rückkunft einzelner Mitglieder des feindlichen 
Geſchwaderc anzeigte. Der dieſesmai in weiterem Umfange erfolgten Beachtung der anempfohlenen Dor- 
ſichtsmaßregeln iſt es zu danken, daß die Zahl der Opfer des Ueberfalls beträchtlich hinter der des erſten 
Angriffs zurückblieb, gleichwohl bleibt noch eine beklagenswerte Zahl von Menſchenopfern zu verzeichnen. 
Es wurden drei Perſonen ſofort getötet, der 12 Iahre alte Schüler Hoffmann, der 23jährige Fuhrknecht 
Rudolf Brenner und der 64jährige Tagelöhner Franz Willinger, außerdem wurden ſechs Perſonen, darunter 
zwei Frauen ſchwer verlezt. Im Laufe des geſtrigen und heutigen Tages ſind noch zwei Perſonen ihren 
Wunden erlegen: Die Schüler Ludwig Kratz und Alois Pirro. Die Zahl der Toten erhöht ſich damit auf fünf, 
ferner wurden noch ſechs Perſonen ſchwer und drei Perſonen leicht verlett. 
Einen erheblichen Schaden nahmen einzelne Straßen, beſonders die Häuſer in der Kaiſerſtraße zwiſchen 
Karch:r- und Sulzbachſtraße und in der DViktoriaſtraßge. In dieſer Straße betrug der Glasſchaden, beſonders 
der Sc avlüten in fünf Häuſern allein über 20 000 Mk. Der Gesamtſchaden am 6. September belief ſich auf 
1916. 
Ueber ein Jahr hatte Saarbrücken Ruhe, erſt am 11. September 1916 erfolgte der dritte Angriff in der Nacht 
von 20-3 Uhr Es ſette ein lebhaftes Abwehrfeuer ein. Bomben wurden nicht geworfen. 
Am 13. September 1916 wurde in der Nacht um 3 Uhr alarmiert, um 3.40 Uhr gaben die Sirenen das Signal, 
üs fünf kurzen Tönen beſtehend, daß die Gefahr vorüber ſei. 
Die Franzoſen hatten wohl nicht damit gerechnet, daß ſie bei ihren erneuten Angriffen auf unser Induſtrie- 
geblet nunmehr mit tatkräftigem Widerſtand zu rechnen hatten. Nach der an ſich zweckloſen Derteidigung durch 
Maſchinengewehre wurde hier zunächſt ein Bombengeſchwader ſtationiert, das Frontflüge unternahm, jedenfalls 
zur Erwiderung der franzöſiſchen Liebenswürdigkeiten. Sodann erſchien zur Derteidiqung des Saartals eine 
gut ausgerüſtete Kampfſtaffel. Ihre Aufgabe war, dem Feinde entgegenzueilen und nach glücklichen Luft- 
kämpfen die Gegner zu verjagen. Fokkermaſchinen, damals die beſten Kampfflugzeuge, ſtanden zur Derfügung 
unserer Verteidiger, die zunächſt unter der Leitung des Hauptmanns. Baas, bald aber unter der ſchneidigen 
Führung des Oberleutnants Dolkmann und ſpäter des kühnen Hauptmanns Burghardt manch feindlichen Plan 
vereitelten. Flugwachen und Abwehrgeſchütze rings auf den Höhen unſeres Gebiets ſtanden zur Begrüßung des 
unwillkommenen Beſuches bereit. Zeitweiſe war auch das ganze Gebiet ,„eingezäunt“, hoch in der Luft trugen 
Feſſelballons, „Himmelswürſte“ getauft, zuſammenhängende Drahtgewebe, der jeden Propeller, der ſich darin 
verfing, von seiner Arbeit befreite und damit das Flugzeug zum Abſturz bringen ſollte. Den Saarländern 
kam dieſer Plan etwas ſpaniſch vor, ſie machten ſich darüber luſtig. Ich habe auch von einem Erfolg niemals 
etwas gehört. 
Am 15. September 1916 erfolgte in der Nacht gegen 2 Uhr ein Angriff durch vier Flieger auf die Burbacher 
Hütte. Es wurden acht Bomben geworfen, die ſämtlich Treffer waren. Eine Perſon, Frau Katharina Trenz, 
wurde ſchwer und ſechs leicht verletzt. Mehrere Frauen erlitten Nervenerſchütterungen. Das Unglück iſt be- 
zeichnend für die Weisheit vom grünen Tiſch. Die Militärbehörde hatte die ganz ſeltſame und unverſtändliche 
Derfügung getroffen, daß die Hütte bei Angriffen erſt dann verdunkelt werden dürfe, wenn dazu von der 
Militärbehörde Befehl ergangen ſei. So kam es, daß die Flieger bei der hell erleuchteten Hütte in aller Ruhe 
ihre Ziele ſuchen und die Bomben abwerfen konnten, ehe während der Nacht die Hütte die Erlaubnis erhielt, 
durch Derdunkeln ſich zu ſchütßen. Durch Beobachtungen konnte ſicher feſtgeſtelt werden, daß ein Ilieger in 
größerer Höhe, wie die übrigen drei Flugzeuge durch Leuchtkugeln Zeichen gab, wohin die Bomben abzuwerfen 
ſeien. Getroffen wurde das Platinwerk, Walzwerk, Stahlwerk, Blockwalzwerk und ein Geſchoß fiel hinter 
das Thomaswerk. Der Materialſchaden wurde auf 8300 Mk. geſchätt. Der Erfolg des Angriffs iſt lediglich 
dem Bürokratismus der Militärbehörde zuzuſchreiben. Es war nicht die erſte und nicht die lette Torheit, die 
ſie fertiggebracht hat. 
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