Saarkalender für das Jahr 1927.
die von der Straße aus das ſeltene Schauſpiel genau zu verfolgen gedachten. Auch Zweibrücken litt an dem-
ſelben Dormittag, aber nicht ſo erheblich.
In Saarbrücken stürzte die Bevölkerung unmittelbar nach dem Angriff auf die Straßen und Plätze der
Stadt. Beſtürzt waren alle über die große Wirkung des Angriffs. Man sah in ſtummer Trauer Tote und
Derwundete durch Feuerwehrleute und hilfsbereite Männer wegtragen und betrachtete die Häuſer, die Ein-
ſchläge und Abſplitterungen durch das Aufſchlagen der Bombenſplitter zeigten und jedem einen Begriff gaben
von der gewaltigen Exploſionskraft der Geſchoſſe. Einzelne Straßen waren dicht und dick mit Glasſplittern
der Schauläden und Fenſter wie beſät. An Hauberiſſers Meiſterbau, dem neuen Rathaus, hatte ein Bomben-
ſplitter an einem Fenſter des Sitzungsſaales den ſtarken, aus Sandſtein gefertigten gotiſchen Schmuck in
ſeiner Spite glatt durchgeſchlagen, er lag zertrümmert am Aufgang des Rathauſes.
Die Zahl der Opfer war niederdrückend und erregte tiefes, allgemeines Mitleid, 13 Perſonen waren ſofort
tot (9 männl. und 4 weibl.). Ihre Namen ſind: Arbeiter Iakob Touſch, Zugführer Peter Franz, Architekt
Hans Zeh, Kriminalſchuzmann Karl Schmitt, Anna Glaſer, Händler Adolf Herb, Derſicherungsbeamter Karl
Müller, Iakob Spirilla, Lehrling Peter Kubler, Verwaltungsgehilfe Peter Blaſius, Margarete Roebunk,
Eliſabeth Auer, Unteroffizier Wegener. Die blutüberſtrömten Leichen wurden in einem ſchnell herbeigeholten
Möbelwagen abtransportiert. Die Zahl der Schwerverleßten betrug 27, leicht verleßt waren 17.
Der Materialverluſt ‘belief ſich auf etwa 40 000 MK., er beſtand hauptsächlich in Glasſchaden, obwohl auch
einige Häuſer hart mitgenommen waren.
Te r. !: u t \ < en A r m e en herausgegebene amtliche Heeresbericht vom 10. Auguſt 1915 ſagt
ngriſſ: :
„Geſtern wurde bei Dämmerkirch und am Schwarzen See, heute früh bei Ypern, Gondrexange und bei
Harboney je ein franzöſiſches Flugzeug durch unſere Kampfflugzeuge abgeſchoſſen. Die letten beiden Flug-
zeuge gehörten einem Geschwader an, das vorher auf die offene, außerhalb des Operationsgebietes liegende
Stadt Saarbrücken Bomben geworfen, natürlich keinerlei militäriſchen Schaden angerichtet, wohl aber neun
friedliche Bürger getötet, ſechsundzwanzig ſ<wer und eine größere Anzahl leicht verletzt hatte.“
Der fr anz ö s i ſ < e am t liche Tag e sb er i < t meldet folgendes:
„Am Montag ſtieg ein Geschwader von 33 Bombardements-Flugzeugen, von DVerfolgungsflugzeugen eskortiert,
auf, um den Bahnhof und die Fabriken von Saarbrücken zu bombardieren. Die atmosphärischen Verhältnisse
waren ungünſtig, die Täler mit Nebel überdeckt und der Himmel bewölkt. Doch erreichten trotz dieſer
Schwierigkeiten 28 Flugzeuge ihr Ziel und warfen 164 Bomben aller Kaliber auf die Zielobjekte. Die Be-
gleitflugzeuge verjagten die Aviatikflugzeuge, die dem Geschwader den Weg zu versſperren verſuchten. Zahl-
reiche Nauchwolken und Brände wurden unter den Zielobjekten beobachtet.“
Uebrr den Angriff auf Saarbrücken vom 9. Auguſt 1915 liegt noch die Aussage von zwei Nancyer Piloten
vor. Die Nancyer Piloten Martin und Pary mußten auf dem Schweizer Gebiet notlanden und erzählten
über die Expedition gegen Saarbrücken, daß ſie ſich dem heftigſten Mitrailleuſenfeuer der deutſchen Flieger
ausſeßen mußten. Martin. ſagte: „Alles verſchwor ſich gegen uns, ſelbſt unſer Kompaß funktionierte fehler- .
haft un’ iſt doch nicht deutſches, ſondern Pariſer Erzeugnis.“ – Die franzöſiſchen Flieger flunkern hier
ganz gehörig, denn von einem Mitrailleuſenfeuer deutſcher Flieger gegen das franzöſiſche Flugzeuggeſchwader
hat man in Saarbrücken nichts wahrgenommen. Die Flieger waren einem heftigen Maſchinengewehrfeuer
ausgeſeht, das von verſchiedenen Stellen im Gelände gegen ſie gerichtet wurde, bei der großen Höhe aber,
aus der herab ſie ihre Bomben warfen, mag dies keine allzu große Gefahr für sie bedeutet haben.
Aus Anlaß des Fliegerüberfalles gingen dem Bürgermeiſteramt folgende Beileidsbezeugungen zu:
Ich nehme innigſten Anteil an dem Unglück, von dem heute morgen die Stadt Saarbrücken und ihre
Bürgerſchaft betroffen iſt. Auch die durch den Fliegerangriff Getöteten und Verwundeten haben ihr Blut
für das Daterland vergoſſen und ihre Namen werden fortleben in der Heldengeſchichte der großen Zeit.
Bitte den Hinterbliebenen und Derwundeten meine herzlichſte Teilnahme zu übermitteln.
: Regierungspräſident Balh,
Ehrenbürger der Stadt Saarbrücken.
Mit aufrichtiger Trauer haben wir Kunde erhalten von dem feindlichen Fliegerüberfall, dem eine ſo
große Zahl friedlicher Bürger zum Opfer fielen. Im Namen des 21. Armeekorps bitte ich unsſer herz-
lichſtes Beileid der Stadt und seiner Bürgerſchaft zum Ausdruck zu bringen.
Eerscakletaan : uvtirt, csuöstéientsr General.
An der ſ<weren Prüfung, die über die Stadt durch den freventlichen Luftangriff gekommen, nehme ich
innigen Anteil. Saarbrücken als Wacht an der Weſtmark, gewohnt, für das Vaterland Opfer zu bringen,
wird auch dieſe Schickung erhobenen Hauptes zu tragen wiſſen. Den Hinterbliebenen der Getöteten wolle
Gott seinen Troſt verleihen, den Derlettten baldige Beſſerung ſpenden. Wenn meine ſonſtigen Dienſtgeſchäfte
es irgend geſtatten, werde ich die Heimgegangenen mit zur letzten Ruhe geleiten.
Oberpräſident Freiherr v. Rheinbaben.
Ferncr gingen Beileidsbezeugungen ein von Regierungsrat und Oberbürgermeiſter Schmook zu Zoppot und
vom Hoſſchauſpieler Hacker zu Darmſtadt namens der Darmſtädter.
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