Saarkalender für das Jahr 1927.
Kurze Umſchanu.
W ump mir Moos und ſei mein Freund," ſo wimmert es heute in Europa an
I allen Ecken und Enden. Auch dem brutalen Uebermut der Ententeſtaaten
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§1 DJ für eine frühere Erkenntnis dieſer rauhen Tatſache. Der ehemalige
Schuldner iſt zum harten Gläubiger geworden, er iſt nicht mehr der gute
Onkel aus Amerika, der . dem verarmten Mitteleuropäer freundwillig aus Not und
Sorge hilft. Der Nankee tritt heute allen mit stolzer, gebieteriſcher Geſte entgegen ;
vor dem Dollarthron stehen die Bettler. Ueberall jagen sich die wirtschaftlichen Kriſen,
ihr Hintergrund bleibt allein Kapitalnot und Kreditmangel, der leere Geldbeutel. Die
Autorität Europas, ſein Monopol ist dahin. Wie sich einſt die Römer rühmten, in ihrer
Toga Krieg und Frieden der Welt zu tragen, ſo entſcheiden heute die Magnaten jen-
ſeits des großen Teiches über Armut und Wohlstand der Völker. Nordamerika mit
einem Volksvermögen von 360 Milliarden Dollar hat sich zum Kommandanten der not-
leidenden Alten Welt aufgeſchwungen. Gegenüber dieſem Riesen in der Finanz und
auch in seinem wirtſchaftlichen Streben stehen die Zwerge des europäiſchen Festland wie
eine hilfloſe Herde, durchwühlt von gegenseitigem Mißtrauen, voll von Haß und Un-
gerechtigkeit gegeneinander. Wohl dämmert den Gehetzten bisweilen die Erkenntnis
der verzweifelten Lage auf und führt die Herrſchaften z. B. nach Locarno, wohl reden
Staatsmänner mit Wirklichkeitssſinn und Weitblick von ehrlicher Einigung, aber sie
bleiben Prediger in der Wüſte, obwohl auch noch andere schwere Gefahren in der Aus-
î wirkung einer neuen Ideenwelt ſchon hart an die Tore pochen und wie der Bolſsche-
wismus in dem herrſchenden Chaos willkommenen Nährboden findet. Die einzelnen
Völker ſtehen sich noch immer wie einst unter der Kriegspſnchoſe in blindem Haß gegen-
über. Von einem Frieden kann in Wahrheit niemand ſeit dem Versailler Diktat ſprechen,
er warf die Saat, und auf dem Felde des Unrechts ſproßt das Unglück bis heute ohne
àlueſcht auf trug der „unſeligen Krankheit. „Sie können zuſammen nicht kommen,
das Meer ist gar so tief !“
In ſolcher Lage kämpft das ſo ſchwer heimgeſuchte Vaterland unter fast erdrückenden
Bedingungen um ſeine Exiſtenz. Die vollkommene Parteiwirtſchaft, von deren Haß
und Gunſt die Politik getragen wird, verliert nur zu leicht den Blick für das Wohl
des Ganzen. Trotzalledem wird sich das Reich emporringen und nach wenig erfreulichen
Jahren innerer Verwirrung nach der „Kriſis der Geſundung“ seinen Weg zur Höhe finden.
Dieſe Hoffnung geht uns im Saargebiet zur Seite und begleitet uns auf den endlo en
Stationen unseres Leidensweges. Noch trüben ſchwere Wolkenzüge und harter Weſt-
ſturm unsern Blick, aber in der Abwehr landfremder Herrſchgelüste ist doch bereits
mancher Erfolg zu buchen. Unser Wunſchzettel ist allerdings noch endlos und ſeine
Erfüllung erheiſcht Geduld. An dem Wall der Verteidigung sind jedoch die Französierungs-
Bestrebungen restlos geſcheitert. Es iſt in dieſer Hinsicht beſſer geworden wie etwa in
den Tagen der Jahre 1920 - 1924. Heute könnte wohl ſchon unangefochten eine Schoko-
ladentafel, mit einem ſchwarz-weiß-roten Bändchen geſchmückt, friedlich in einem Schau-
fenſter liegen, ohne daß eine ſtaatsverräteriſche Affäre daraus geschmiedet würde.
Menſchenjagden und ſchuldloſe Verbannungen gehören der Vergangenheit an, wie die
Behandlung gleich Verbrechern mit „Daumenabdruck“ und Gefängnis für das Singen
til)