Saarkalender für das Jahr 1927.
Anno Domini 1774+1793. Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Harry Reuther konnte ich Einſicht nehmen
in ein Wirtſchaſtsbuch ſeines Dorfahren Georg Iacob Reuther aus dem Jahre 177401793. Gewiſssenhaft jind
hier kurz auch die Zeitereigniſſe notiert, wie die Laſten und Beläſtigungen durch die franzöſiſchen Soloaten,
die enorme Teuerung, die Aſssignaten uſw. Dasſelbe Unglück, unter dem wir heute leben. Aus dem Buche
werde ich im nächſten Kalender noch viel zu erzählen haben. Heute will ich nur zwei Sachen erwähnen. 1763
am 24. Dezember heißt es: „Am 24. Dec. hat es angesangen zu ſchneuen und alle Tage gefallen, ſo daß noch
niemand Keinen geſchen, Bis das Wetter hernach etliche Tag gelinder geworden. Bis den 25. Hornung 1784
es angefangen zu regnen, und den 26. Hornung die Saar ſo gewachſen, daß 3 Bogen von der Saarbrück verbarſt
ſenen und das Waſſer den oberen Thor hereingeloffen, ſo tief gewachſen, daß man mit dem achen bis auf 12 Schu
an das obere Thor gefahren iſt." Interesſſant ſind auch die Rechnungen des Drechſlermeiſters und ihre Be-
zahlung. Wer vornehm iſt, hat viel Ansprüche, iſt aber in der Begleichung der Schuld nachlässig. Dagegen
findet man in den bürgerlichen Kreiſen in diesem Punkte blanke Sauberkeit: hier Arbeit, hier Geld. „Herrn
Obhriſt CLeutenant Krämer 26. Febr. 1785 für Beſtellung die Rechnung gemacht, thut 4 Gulden 40 Kr.“ Aber erjr
im Auguſt denkt der vornehme Herr daran, ſeine Schuld zu begleichen, er beschränkt ſich aber auf eine Ab-
ſcchlagszahlung: „Herr Obriſt Leutenant Krämer“, ſo ſteht am 23. Auguſt, ,„bleibt ſchuldig auf 4,40 reſtiert
1 Guld. 15.Ô" ,, Schloß Dierecktor Kurtz bleibt ſchuld“ und so geht es weiter mit den fürnehmen Herren. Anders
mit der gewissenhaften Bürgerſchicht: „Herrn Kamrath Röchling, 17. Iuni 1787 gemacht ein Spiel Kegel iatt
drei Scheiben macht 1,22. Zahlt.“ „Herrn Müller gemacht ein Dobbelte roll und ein Einfache an ein Braten-
menter. Zahlt." Wenn wir diese gute, altbürgerliche Sitte auch in der heutigen Notzeit beibehalten oder vurel-
mehr wieder aufleben ließen, ſo wäre dies eine lobenswerte Gepflogenheit, für die uns alle Lieferanten dant-
bar ſein würden.
„Es geht doch nichts über den Wildgeſchmanck." Der alte Förſter Weißmüller sollte, als die Walduna am
Winterberg für Baugelände avfgeſchloſſen wurde, das Rehwild abſchießen. Er gestattete einem Bekannten, die Jagd
mitzumachen und gab ihm einen Schuß auf einen Rehbock frei unter der Bedingung, das Geräuſch des Wildes als
leckeres Frühſtück von seiner Frau für die Jagdgenoſſet bereiten zu laſſen. Der Schuß tracht, der Bock versſchwinde,
aber man weiß dem Schützen einzureden, daß er gut getroffen. Die Herren wollten nicht um das Frühſtück kommen,
kauften beim Aule Lunge, Leber und Herz von einem friſchgeſchlachteten Kalb und sandten dies der Frau des Freundes
In der Münchener Küche ging es bald hoch her, man beglückwünſchte den sicheren Schützen und ließ es ſich munden. Der
Hereingefallene merkte den Betrug nicht, auch dann nicht, als er einen Sturm der Heiterkeit entfeſſelte durch die Be-
merkung: „Es geht d och nichts über den Wildg eſchma >!“ Lange blieben diese Worte im Café Batſchle das
Zeichen zu ausgelaſſener Fröhlichkeit.
„Dnmit es klappt !“ Der alte Remm erzählte oft aus ſeiner Dienſtzeit bei den Ulanen über eine ſeltſame Wette,
Das Kommißbrot mußte zu jener Zeit aus Saarlouis abgeholt werden, wobei unterwegs wiederholt zwei Brote ver-
ſchwanden. Man ſtellte einen Rekruten aus der Eifel als Übeltäter feſt. „Wo Haſt du die Brote ?“ „Aufgegesſſen. Herr
Wachtmeiſter!“ Die Sache wird dem Rittmeiſter gemeldet, der darauf mit anderen Offizieren eine Wette abſchloß, er
habe einen Ulanen, der auf einen Sitz zwei Kommißbrote verzehre. Der Soldat wird informiert und erklärt ſich be-
reit dazu. Die Stunde kommt, der Mann erlahmt aber nach der Hälfte der ſonderbaren Mahlzeit. Der Rittmeister
faucht den Ärmsten an, woher das Verſagen komme, worauf der Rekrut erklärt: „Kurz vor dieser Probe ließ mich der
Wachtmeiſter rufen, und ich mußte in ſeiner Gegenwart die Wette durchführen. „Damit es nachher auch klappt,“ meinte
die ängstliche Schwadronsmutter. ! Us; Zy : §
Er will nach der Bibel leben. Die Familie Schm. hat die ganzen Wände des Wohnzimmers mit Haussegen
gepflaſtert. Die Familie Schm. hat auch einen kleinen Jungen, Peter; der iſt ein riesiger Taugenichts. Eine Woche
machte er es zu toll und bekam ſieben Tage hintereinander Schläge. Nach der letzten Prozedur ſchluchzte er : „Mutter"
tu den Stock nicht mehr hinter „Liebet einander“, ſteck’ ihn lieber hinter „Ich bin bei dir alle Tage !“
Ein frommer Wunſch.. Der „Käskloos“ und der „Hoorig Matz“ haben auf der Grube Zahltag gehabt und der
war, wie recht oft in der letzten Zeit ſchlecht ausgefallen. i
„'s Gewitterdunnerwetter soll drinschla’'e in soe Fuhrwerk. Mr kummt ze nix, mr kummt ze nix. Met ſome
Zahltag ene hemzeſchicke!“" wettert der Käskloos. '
Darauf der „Hoorig Matz“ : Un ſie, ſie ſäckele ſich. Geh! mer eweck met so rer „Egalité"“. Ich winsch ne jo nix
ſjlehtes: Ich winſch ne sogar, daß es ne gutt geht bei uus, ſo gutt, daß e jedder vun ne d e Dah toujo.urs e
un d zun e m m t !“ § : ; Ft.: :
.. Der Käsklos schmunzelt. „Na weiſcht Du, Du biſcht e rechter hooriger Mat. Wie kann mr bloos so ebbes winſche.
Ich ſin do. viel zarter. Ich winſch ne jo aach, daß es ne recht gutt bei uus geht. Awwer es ſull net e jedder toujours
€ Pund zunemme, ſunder nure je d e Da h e Gr am m un das unn erm linke Auw ed eck el!“ }
„Schlechter Hund," sagte darauf der „Hoorig Matz“ und beide lachten ſich. herzhaft aus.
In einer ,„„Franzoſcnſchule“ leitete ein Lehrer den Unterricht, der wohl das Hochdeutſche beherrſchte, aber dem
Dialekt gegenüber hilflos blieb. Eines Tages wird er von einem heftigen Schnupfen heimgeſucht und muß
immerfort nieſen, daß das Klaſſenzimmer dröhnt. Der Sohn eines der Micumleute aus der Kölner Gegend
ruft nach einem urkräftigen ,Hadſchi“ ſeines Magiſters zum Gaudium ſeiner Klaſſengenoſſen: „Geih' doch Ka-
pott!" Kaum hat die kleine. freche Geſellſchaft gemerkt, daß dieſer Wunſch nicht verſtanden wird, als auch jchon
nach einem neuen Hadſchi alle den frommen Spruch wiederholen. rGeih' doch kapott!“ ſchreien ſie, der Lehrer
darauf, eine Artigkeit vermutend: „Merci bien, merci bien, mes enfants!’ Man kann ſich vorſtellen, wie
die kleine Bande ob ihres gelungenen Streiches feirte. ;
193
Saarkalender 1927 13