Saarkalender für das Jahr 1927.
wird dabei auch, daß die Regierungskommiſssion
verſuche, die ſaarländiſche Besteuerung den fran-
zöſiſchen Steuerformen anzupaſſen. Die Luxus-
ſteuer nach den franzöſiſchen Geſetzen, wie ſie die
Zollbeamten hier anwenden, ſei ungesetlich, wes-
halb die Regierungskommission dieſe Laſt durch
nachträgliche Geſetesbeſtimmungen zu ſanktio-
. nieren verſucht.
15.
. Februar:
In Eſſen Rieſenkundgebung für das Saargebiet.
Derwaltungsdirektor D o g e l - Berlin und Lan-
desratsmitglied S < m e l z e r - Saarbrücken
ſprechen. Dank und Anerkennung für ihre tapfere
Haltung wird der Saarbevölkerung einſtimmig
ausgesprochen.
Micumleute halten in Neunkirchen Verſamm-
lung ab, um für Frankreich zu werben. Kein
deutſcher Beamter erſchien.
. Februar: Ein intereſſanter Dergleich. Auf dem
Holzplaz der Grube Luiſenthal wurde unter preu-
hiſcher Derwaltung der Betrieb geleitet und über-
wacht von einem Materialienverwalter, einem
Steiger und zwei Aufsehern. Die Franzoſen
brauchen hierfür einen JIngenieur-Diviſionär,
einen Derkehrsmeiſter, einen Ingenieur-Ordinaire,
einen Sekretär, zwei Materialienverwalter, zwei
Steiger, einen Obermeiſter und vier Meiſter. So
fieht die von Uhry so gerühmte moderne Methode
der Franzoſen in Wirklichkeit aus.
Februar: In Altenwald müſſen infolge leicht-
fertigen Grubenbaues Häuſer geräumt werden,
u. a. eines, das von fünf Familien bewohnt war.
. Februar: Mittellos und krank kehrte ein Sohn
unseres Ortes, der vor Iahren Werbern der
Fremdenlegion in die Hände fiel, hierher zurück.
Nach ſeiner Derwundung in Marokko wurde er
mit 10 Fr. in seine Heimat entlaſſen.
. Februar: Ueberraſchend ſteigt die Saar um 84
Zentimeter pro Stunde. Pegel normal 3,60 Meter,
am Abend des 18. Februar 6,18 Meter.
. Februar: Das „Saarbrücker Abendblatt“ erſcheint
zum erſten Male. Am folgenden Tag die ,,S. N.
am Abend“.
In einem Artikel der , Saarbrücker
Zeitung“ über die ſchlechte Beſoldung der deutſchen
Grubenbeamten durch die franzöſiſche Bergverwal-
tung wird auch u. a. folgendes erwähnt: Bei der
21.
>;
preußiſchen Bergverwaltung bezog monatlich der
Präſident 917 MK., ein Bergwerksdirektor 600
Mark, ein Berginſpektor 450 Mk., der Steiger
300 Mk. Bei den Franzoſen bezieht monatlich
der Generaldirektor 7135 Fr., der Ingenieur-
Prinzipal 3600 Fr., der Ingenieur-Diviſionär
2935 Fr., der Steiger nur 900 Fr. Zu dem Ge-
halt der höheren franzöſiſchen Beamten kommen
noch viele Nebenbezüge, wie Prämien, Gratifi-
kationen uſw.
Februar: ,Deutſcher Saarkriegerbund“ tagt in
Dölklingen. Dertreten 65 Krieger- und Militär-
vereine mit rund 10 000 Mitgliedern. 265 Ab-
geordnete beraten. 1. Dorſitender Hoos-Neun-
kirchen, ſtelvertretender Schultz-Sulzbach.
Februar: Franzöſiſche Soldaten, Angehörige der
Jägertruppe, überfallen am Abend in der Tal-
ſtraße einen Iüngling und bringen ihm mit ihren
Seitengewehren ſechs ſchwere Wunden im Geſicht
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28.
28.
und auf dem Kopfe bei. Dor einem herbeieilenden
ſten rannten in ſchnellſtem Laufe die Franzoſen
Februar: Die , Dolksſtimme“ macht darauf auf-
merkſam, daß der Saarsſeparatismus neu auf-
gelebt sei in einer Bewegung, die ſich ,„Saar-
ländiſches Komitee der Autonomiſten“ nennt,
ausgehalten durch franzöſiſche Gelder. Das geld-
gierige Geſindel wird hier kein Glück haben.
24. Februar: Die gesamte Belegſchaft der Grube
Delſen tritt in einen 24ſtündigen Proteſtſtreik ein
wegen ungebührlichen Benehmens des Micum-
ſteigers Hildenſtock.
Februar: Im Kampf um die Erhaltung der
früheren Kablé-Schule, heute Lyzeum II. Die
Eltern der Schülerinnen und viele ehemalige Be-
ſucherinnen der Anſtalt erſuchen in einer Der-
ſammlung die Stadt um weiteres Beſtehen der
Anſtalt und Neubau. ;
Februar: Der Bürgermeiſter von Saarbrücken
muß wiederum gegen ſeine VDVerleumder klagen.
In Saarlouis ſteht vor den Schranken des
Gerichts als Prügelknabe ſeiner dunklen Hinter-
männer Viktor Weber verantwortlich für das
„Saarlouiſer Iournal“, Franzoſenblatt. Weber
erhält einen Monat Gefängnis.
Februar: Gewaltige Kundgebung in Wadern durch
die im Saarrevier Tätigen, die mit ihrer Franken-
entlohnung im Gebiet der Reichsmark in Not
und Elend geraten ſind, wie in noch erhöhtem
Maße die Franken-Rentenempfänger. Zollſchwierig-
keiten und Schikanen auf allen Zollſtellen erhöhen
noch das Unglück. Die in Ausſicht geſtellten
350 000 RM. und die Erſtattung der Fahrtkoſten
werden als ungenügend bezeichnet. Die anweſen-
den Abgeordneten verſprechen, alles zu tun zur
Derhinderung einer Kataſtrophe.
Februar: Im ganzen Saargebiet gedenkt man
unserer gefallenen Helden überall in würdigen
Feiern. Volkstrauertag.
Februar: 1 Dollar 27,25 Fr. –~ 1 RM.
.=. 6,49 Ir:
. WMirz 1926.
. März: Eröffnung der ſaarländiſchen Arbeits-
kammer. 36 Mitglieder.
. März: Die Beſsoldungs-Neuregelung der Beamten,
die vom 1. JIanuar in Kraft iſt, erregt in hohem
Maße Unzufriedenheit und brachte beſonders den
unteren Beamten eine große Enttäuſchung. Die
Preſſe geht gegen die KRegierungskommijſſion
ſcharf vor. Ebenſo kämpft man gegen die ab-
lehnende Haltung der Bergverwaltung wegen der
ungerechten Behandlung der Pensionäre, Witwen
und Waiſen im Saar-Knappſchaftsverein.
. März: Die Presse veröffentlicht noch aus einem
Bericht der Regierungskommiſſion vom 4. Februar
1926 an den Dölkerbund über die Gendarmerie,
es verfüge die Regierung über 1005 Gendarmen.
Zur Aufrechterhallunng der Ordnung ſer vor-
handen eine Reſerve von 573 Mann und Land-
gendarmerie von 382 Mann, dazu kommen 221
Poliziſten der Stadt Saarbrücken, die verſtärkt
werden durch 50 Gendarmen und 338 Poliziſten
der anderen Städte des Gebiets.
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