Saarkalender für das Jahr 1927.
Raults Ende.
„Verlassen, verlassen bin i,
Wie a Stein auf der Straßen,
Kein Mensch grüaßt mi!“
‘Am 18. März 1926 drahtete der nach Genf entsandte Redakteur der „Saarbrücker
Zeitung“ seinem Blatte:
Seit einigen Tagen durchwanderte die Straßen von Genf ein müder, gebeugter
Mann: Rault. Einsam. kaum beachtet. Auch von denen nicht, denen er in Wahrheit
allein zu dienen gesucht hat: seinen Landsleuten. Gewiß sind nicht mehr die Poinoarisſten
am Ruder. Aber es hat doch beinahe tragiſch berührt, gerade den Mann, der einſtmals
für sein Land und auch in Genf eine immerhin bedeutſame Rolle geſpielt Hat, der sogar
uns gegenüber, oder besser gegen uns, eine große Macht war, nun mit allen Angeichen
der gestürzten Größe vor sich zu sehen . . .
Die Lobesworte am Schluß der Ratssitzung waren leere Höflichkeitsfloskeln. Un-
gleich kennzeichnender war, daß der vor der Sitzung abseits vom Ratstiſch stehende Mann
von den Ratsmitgliedern, die alle an ihm vorbeimußten, kaum begrüßt wurde. Seine
tiefen Verbeugungen wurden recht flüchtig erwidert, und zwar auch von solchen, die sſonſt
wirklich recht kräftig die Hände zu schütteln verstehen. Man braucht das aber nicht
mehr bei dem, der als erledigt gilt. Und hier war das Verhältnis mehr als deutlich.
Tagelang wanderte der Mann durch Genf und wartete, daß die Saarfragen dran
kämen. Er war beſtellt. Aber geſtern nachmitbag 4 Uhr wußte er noch nicht, daß der
Termin angesetzt sei. Bei seinen Gegnern, bei Vertretern der Saardelegation, erkundigte
er sich. Die wußten es. Wie er augenscheinlich überhaupt versſucht hat, Anschluß zu suchen
be! s deu Deutschen. Als man ihn einmal nicht allein ſah, war sein Begleiter ein
eutſcher Herr . . .
Ein Opfer verfehlter Politik. Wer eine solche mitmacht, erntet keinen Dank von
denen, für die er sie machen wollte.
Zu ſchön, um vergeſſen zu werden!
In seinem letzten Bericht an den Völkerbundsrat in Genf machte Rault zum Schluß
noch einen guten Wit, über den ſselbſt die Herren im Völkerbund lächelten. Im Saar-
gebiet wurde der Kalauer mit einem brauſenden Hallo aufgenommen. Viele verziehen
dem Autokraten manche seiner Taten böſen Angedenkens wegen seines lustigen Einfalls.
Es war schon bei Rault zu einer Art Manie geworden, überall im Saartal Verſchwörungen
zu entdecken, so oft er sich damit auch lächerlich machte. Zum Schluß mußte noch die
> rolle waldreiche Lage des Landes herhalten. In seinem Berichte vom 4. Februar
Das Saargelbiet iſt ein gebirgiges Gelände mit übervölkerten
Tälern, die durch weite Wälder getrennt sind, welche geheimen
Versammlungen (!!!) günstig sind. Die Bevölkerungsdichtigkeit erreicht dort
heute die Zahl von 411 Einwohnern auf 1 Quadratkilometer. Es gibt in Europa kein
Land, wo man eine so Hohe Zahl feststellen kann. 180 000 Arbeiter, die fast alle zu den
Gruben, der Metallindustrie und den damit in Verbindung stehenden Industrien gehören,
erhalten fast die gange Bevölkerung. Es besteht alſo kein Gleichgewicht zwischen der
Arbeiterbevölkerung und der Landbevölkerung; ein Generalstreik bei der Induſtrie
würde sich faſt auf die ganze Bevölkerung erstrecken.
„In des Waldes finster'n Gründen, Heiße Küsse hört man knallen.
In den Höhlen tief versteckt“, Geheimen Bundes Treueſchwur,
Ruh’n des Saarlands kühne Räuber, Und der „Schloßplatz“ kündet's allen:
Die den Viktor so erschreckt. „Seht des Aufruhrs klare Spur!
Den Verschwörern will ich's zeigen!“
Meldet’'s Genf mit finſt'rem Blick; ~
Während unter grünen Zweigen
Lächelt sel'ger Liebe Glück. A. Z.
T15t