Full text: 1927 (0005)

Saarkalender für das Jahr 1927. 
  
Eine Wolfsjagd im Köllertal. 
Eine wahre Begebenheit a. d. Jahre 1879. 
Von Fritz Petzinger sen. in Heusweiler. 
Anfangs Winter 1879 entstanden in Heus- 
weiler plötzlich Gerüchte, ein großer Wolf 
treibe ſich in der Nähe der Dörfer herum! 
Er wurde auch ſchon mehrmals von glaub- 
würdigen Perſonen geſehen, was Ver- 
anlassung gab, daß auch die Tageszeitungen 
hierüber berichteten. 
Was Wunder, wenn die Jagdpächter hier- 
von Notiz nahmen. 
Aus Anlaß der Gerüchte beschlossen diese 
Herren, u. a. H. Zimmermann, Louis Eich- 
acker, Heinrich Pflug, sämtlich aus Saar- 
brücken, sowie der damalige Arzt Dr. Cor- 
celius von hier und mein Vater, eine 
Treibjagd auf den Wolf abzuhalten. 
Am Tage vor dieſer geplanten Jagd ge- 
lang es jedoch einem vor kurzer Zeit aus 
Rußland zurückgekehrten jungen Manne 
namens Karl Jungmann von dier, den 
Isegrim mit einem wohlgezielten Kugel- 
schuß zu erlegen. 
War es doch kein Wunder, daß es dieſem 
vortrefflichen Schützen gelang, uns von 
dieser gefährlichen Bestie zu befreien, zumal 
er in Rußland öfter Gelegenheit hatte, die 
Iagd auf Bären und Wölfe ausüben zu 
können. Er hat es in hervorragender Weise 
versſtanden, in waidgerechtem Jägerlatein 
uns seine Jagdergebniſſe und Abenteuer 
vorzutragen. 
Als weitsichtiger Wirt und Inhaber der 
Wirtschaft „Zum grünen Baum“ bat ich 
nun Herrn Jungmann, mir den erlegten 
Wolf in mein Lokal zu bringen, was dieser 
auch ausführte. Neugierige kamen ſchon an 
demselben Abend in Massen angeſtrömt, um 
das hier sehr selten gewordene. Raubtier in 
Augenschein zu nehmen. Die Neugierde 
wurde stark mit dem üblichen Naß begossen. 
Am anderen Tage wurde die anberaumte 
Treibjagd abgehalten. Es war gute Aus- 
ſicht auf eine ergiebige Jagd, zumal in der 
Nacht ein Spürſchnee gefallen war, der den 
Vorteil hatte, daß man bei der „Neue“ 
(~ friſchgefallener Schnee) den Wolf wo- 
möglich einkreiſen konnte. 
Den an der Treibjagd beteiligten Jägern 
war es noch nicht bekannt, daß der Wolf 
inzwischen am Vorabend des Jagdtages von 
Herrn Jungmann erlegt worden war. 
Nach Schluß der ergebnislos verlaufenen 
Jagd erfuhren die Jäger, daß der Wolf zur 
Strecke gebracht worden sei. Diese Nach- 
richt hatte bei den anwesenden Nimroden 
eine unliebſame Ueberraſchung und großen 
Unwillen hervorgerufen; sie forderten den 
Schützen auf, ihnen die seltene Jagdbeute 
auszuliefern. Ich mußte der Jagdgeſsellſchaft 
die Trophäe vorlegen und alle bewunderten 
das ſchöne Exemplar. 
Dr. Corcelius lief ſchnell in seine nahe- 
gelegene Wohnung, um „Brehms Tierleben“ 
(Zoologie) zu holen und stellte an Hand 
dieses Buches Vermessungen an Fang 
(|–2 Schnauze), Gehöre (2 Ohren) und 
Rute (12 Schwanz) des Wolfes an. Die 
Nimrode waren geteilter Meinung; die 
Mehrheit entschied sich für den Ardennen- 
wolf, welcher uns von Zeit zu Zeit, jedoch 
immer seltener, seinen Beſuch abſtattete. 
Die Jagdpächter wollten nun den Wolf 
mit nach Saarbrücken nehmen, um die von 
der Königlichen Regierung ausgesetzte hohe 
Schußprämie beim Landrat einzuſtreichen. 
Dem widersetzte ſich jedoch der Schütze 
Jungmann unter Protest, indem er bündig 
erklärte: „Der Wolf bleibt hier, ich habe 
ihn erlegt und mache daher berechtigten 
Anſpruch auf die ausgesetzte Schußprämie.n. 
Nach langem Hin und Her fuhren die 
Saarbrücker Jäger ohne den Wolf ab, der 
einstweilen in meiner Obhut verblieb. 
Tags darauf entfaltete ſich eine wahre 
Völkerwanderung zu meinem Lokale, den 
Wolf zu beäugen. 
Bier und Wein floß in Strömen. 
Ein mir befreundeter Kollege, der Wirt 
P. Schröder, kam und bat mich, ihm Meiſter 
Isegrim auch für einen Tag zur Schau in 
seinem Lokal zu überlassen, was ich natür- 
lich aus Selbsterhaltungstrieb trotz unserer 
guten freund-nachbarlichen Beziehungen 
verweigern zu müssen glaubte. Jetzt kam 
das Verhängnis. Am dritten Tage, nachdem 
ich dem Wolf wegen Verbreitung von nicht 
wohlparfümierten Gerüchen einen Platz 
in der Scheune anweiſen mußte, kam am 
Abend, auch von Neugierde getrieben, der 
Ackerer Matthias Bauer aus dem nahen 
Kirſchhof und fragte mich, ob er den er- 
legten Wolf auch einmal schauen könnte, 
was ich ihm ſelbſtredend auch gestattete. 
Mit einer großen Stallaterne bewoffnet, 
betraten wir beide die Scheune. 
  
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