Saarkalender für-. das Jahr 1927.
fanatischen Republikanismus alles, was an fürstliche Zeiten erinnerte. Die fürstliche
Familie in Saarbrücken mußte ebenso flüchten wie die Gräfin Marianne von der Leyen
in Blieskaſtel, alle schönen Schlösser im Saarlande wurden geplündert, ausgeraubt, ver-
brannt. Die Barock- und Rokokogeit war vorbei wie ein schöner Traum. Von all den
Werten, die im 18. Jahrhundert geschaffen worden waren, blieb fast nichts übrig. Wenn
auch im 19. Jahrhundert das Saarland unter der Führung Preußens eine wirtſchaftliche
Blütezeit erlebt hat, in kultureller Hinsicht hat die’es Jahrhundert sehr wenig geleistet.
Wer mit wachen Augen durch. die Stadt geht, der ſieht mit Schaudern die architektoniſchen
Geschmacklosigkeiten der vergangenen Jahrzehnte.
Als dann im erſten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts durch Zuſammenlegung der drei
getrennten Teile Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach die neue Großſtadt
entstand, da fanden es Kunstfreunde doch an der Zeit, nun auch in künſtleriſcher Hin-
ſichi etwas für die Hebung der Stadt zu tun, und so beschlossen sie die Gründung eines
Muſeums. Man kaufte alle möglichen Gegenstände auf: Möbel, Erinnerungsgegenstände
an die Zünfte, Schnitzarbeiten, Krippen uſw. Dazu erwarb man eine Vogelſammlung,
eine Steinsammlung, eine Sammlung künſtlich hergeſtellter Pilze, und. außerdem hatte
die Induſtrie des Saarlandes allerlei Ofenplatten und Modelle geschenkt. Das alles
wurde in einigen Räumen zuſammengeſtellt und dem Publikum gegeigt. Der Krieg hat
die Türen dieſes Museums geſchloſſen, und eine Auferstehung in dieſer Form war ihnen
glücklicherweise nicht gegönnt.
Als im Jahre 192t Bürgermeister Dr. N e ik e s die Leitung der Stadt übernahm,
griff er den Gedanken, ein neues Museum zu gründen, auf. Aber welche Form dieſes
neu: Gebilde haben sollte, darüber beſtand zunächſt wenig Klarheit. Die Stadt kaufte
in den folgenden Jahren aus Sonderausſtellungen, die in Saarbrücken von ſaarländi-
schen, Münchener und Düsseldorfer Künſtlern stattfanden, Eingelstücke, die eine Grund-
lage werden jollten für eine ſtädtiſche Gemäldegalerie. Freilich leuchtete es bald der
Stadtverwaltung ein, daß man bei der überaus schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht
daran denken konnte, ein Kunstmuseum mit internationalen Spitzenleiſtungen zu
ſchaffen. Und so kongentrierte man in den nächſten Jahren die Gedanken und Pläne
ouf die Pflege lder heimischen bodenständigen Kultur und Kunst, und darxus wurde
nach langen und reiflichen Ueberlegungen der richtige Entſchluß geboren, in Saarbrücken
ein Heimatmuseum zu schaffen, das ein möglichſt umfassendes Bild von der bürgerlichen
und bäuerlichen Kultur in der Saargegend und in den Grenggebieten des Saarlandes
geben sollte. Ebensowenig wie das Saargebiet politisch ein einheitliches, berechtigtes
Gebilde ist, ebensowenig stellt es kulturell eine Einheit dar. Einflüsse von der Pfalz,
von Hunsrück, von Lothringen gehen herüber und hinüber, und es iſt oft sehr schwer
zu entscheiden, welcher Teil jeweils der gebende und welcher Teil der empfangende war.
Kultureinflüsse machen nicht halt vor den politiſchen Grenzen.
Im Frühjahr 1925 übertrug Bürgermeiſter Dr. Neikes die Leitung der Vorarbeiten
für ein solches Heimatmuseum dem Saarbrücker Maler Her man n K eu t h. Daß Herr
Keuth der richtige Mann dafür war, hat er in der kurzen Zeit bewiesen. Er kennt
Land und Volk im Aufbau, in der Vergangenheit, in der Sprache, in der Kunst, in ler
Wirtschaft, und sein künſstleriſch geschulter Blick hat ihn ungeahnte Funde machen lassen.
Es iſt ganz erſtaunlich, was in der kurzen Zeit von wenig Monaten alles ans Tageslicht
gekommen ist aus allen Teilen des Saarlandes, aus Saarbrücken, aus der Gegend von
Merzig, aus dem Köllerbal, aus der Umgebung von Tholey und aus dem pfälziſchen
î Teile des Saargebiets, dem Blieswestrich. Und wie geschmackvoll iſt das alles heute
in den zur Verſügung ſtehenden Räumen geordnet! Faſt jeder Tag bringt neue Er-
werbungen, es steht eben doch noch viel altes Kulturgut in der Saargegend, das nun
sachkundig gesammelt und geordnet wird. Aus dem, was heute schon zusammengetragen
iſt, bekommen wir eine Vorstellung, was unsere Vorfahren in der Saargegend geschaffen,
wie sie gelebt und welche künſtleriſchen Anschauungen sie zum Ausdruck brachten. Wie
schade, daß an Erinnerungssſtücken der Naſssſau-Saarbrückiſchen Grafen und Fürsten faſt
nichts mehr finden iſt, da die frangösiſche Revolution hier leider allzu gute Ver-
ni M 7§ geleistet hat.
Besonders die wertvollen Möbelstücke aus den vergangenen drei Jahrhunderten
laſſen uns in die Gediegenheit der früher im Saarland lebenden Menſchen hineinſsehen.
Schöne, reichverzierte Truhen und schwere, eichene Schränke mit herrlichen Schnitzereien
und koſtbaren Beſchlägen ſind zuſammen mit Tischen und dazu paſſsenden Stühlen in
behaglichen Zimmern wohnlich zuſammengestellt. Ein anderer Raum führt uns in die
Küche eines ſsaarländiſchen Bauernhauses in früherer Zeit. Aus der Fülle der aus-
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