Full text: 1927 (0005)

. werden. 
Saarkalender für das Jahr 1927. 
des Hochverrates angeklagten Landwehr- 
leute. Mit Ausnahme von 7 Seoldaten, 
 uwielche zu einer mehrjährigen Strafe vec- 
urteilt wurden, sollten die übrigen mit einer 
Festungsſtrafe von sechs Monaten belegt 
In der betr. Meldung heißt es 
t. c.: 
„Ö. .. . . Wenn gleich es für die Angehöri- 
gen der Verurteilten immerhin traurig iſt, 
Y t out s' O 
freuen, daß die Sache nicht, wie man an- 
fangs befürchtete, eine noch ungünſtigere 
Wendung genommen hat. Während ihres 
Hierſeins haben sich dieſelben die Teil- 
nahme und Liebe der hieſigen Einwohner- 
schaft erworben.“ – Aber trotzdem ſollte 
es doch anders kommen. Die Untersuchung 
sollte nämlich von neuem beginnen, da ſie 
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kam dann am 14. Oktober die Meldung 
von der Erschießung von drei Landwehxr- 
leuten in Saarlouis. 
Saarlouis, 14. Okt. Unserer Ein- 
wohnerſchaft hat sich heute eine wehmütige 
Stimmung bemächtigt; ~ überall nur trau- 
rige Gesichter und verweinte Augen, über- 
all dieselbe Unterhaltung, worin sich das 
größte Mitleid mit den unglücklichen Opfern 
und die entschiedenſte Mißbilligung darüber 
ausſpricht, daß man zur Vollstreckung des 
harten Urteils einen Sonntag, sogar den 
Tag vor dem Geburtsfeſte (geſperrt ge- 
druckt!) Sr. Majestät des Königs gewählt 
hat, das, wie man bisher glaubte, durch 
eine allgemeine Amnestie ausgezeichnet 
werden sollte. Drei der hier gefangen ge- 
haltenen Prümer Landwehrleute: Jo - 
hann Manſtein von Lauf eld, An- 
ton Steilen von Prüm, Nito- 
laus Alkan von Prüm, letzterer 
Vater dreier Kinder, ſind, nachdem das von 
Sr. Majeſtät dem Könige bestätigte Todes- 
urteil geſtern abend hier angelangt, heute 
früh im Fort Rauch erſchoſſen worden. 
Unfer Herr Dechant Hecking, welcher, von 
seinen beiden Kaplänen unterstützt, die 
ganze Nacht bei den Unglücklichen zuge- 
î dharacht hatte, um sie auf den letzten, ſchweren 
Gang vorzubereiten, begleitete ſie, mit 
ihnen betend, in das Fort Rau c, wo 
sie von einem Kommando des 35. Regi- 
ments, einer nach dem andern erſchossen, 
dann unterſucht und in die bereitgestellten 
Särge gelegt wurden. TJhre Leichname be- 
stattete alsoann einer unserer Geiſtlichen 
mit den üblichen kirchlichen Zeremonien auf 
dem Militärfriedhofe. –- Möge die Erde 
ihnen leicht sein! ; 
Der Eindruck, welchen die so unerwar- 
tete Verkündigung gestern abend hervor- 
brachte, war ſo stark, daß es nur der teil- 
nahmsvollen Beredsamkeit unseres würdi- 
gen Seelsorgers zuzuſchreiben iſt, daß sie 
sicheren Schritlies und mit frommer Er- 
gebung zum Richtplatze folgten. Wie wir 
vernehmen, iſt ein vierter dieser der Ver- 
führung zum Opfer Gefallenen zu lebens- 
länglicher Festungshaft verurteilt.“ 
Wie stark das Mitgefühl der Bevölke- 
rung war, geht daraus hervor, daß noch am 
selben Tag „von vielen Seiten aufgefordert“ 
eine Sammlung eingeleitet wurde g,gzu 
gunsten der hilfsbedürftigen Witwe“. Weiter 
sollte auf „Veranlassung mehrerer Bürger“ 
von Saarlouis ein feierliches Seelenamt da- 
ſelbſt gehalten werden. Aber noch mehr 
zeichnen die folgenden Zeilen die teilneh- 
mende Stimmung der Bevölkerung. 
„Sa arl o u is., .16.. Okt. .Der. geftrige 
Königsgeburtstag ging hier, wie es nach 
dem traurigen Erlebnis vom vorigen Sonn- 
tag zu erwarten ſtand, so still wie noch nie 
vorüber. Di e Bürgerſchaft betei- 
ligte. sich in keiner Weiſe an 
dem in früheren Jahren pon faſt 
ſämtlichen Einwohnern ſirtets 
feierlichſt beg ang en en Fe ſt e. Es 
herrschte die größte Leere und Stille in 
den Straßen, die nur gegen 3 Uhr unter- 
brochen wurde, als Züge von Landwehr- 
leuten, von hiesigen Bürgern und von Leu- 
ten aus den umliegenden Ortſchaften nach 
dem Militärfriedhofe pilgerten, um an den 
mit Blumen geſchmückten Gräbern der dret 
Prümer Erſchoſſenen zu beten.“ ~ 
So vergingen auch jene wirren Zeiten. 
wie eine dunkle Wolke am Firmamente. 
Verſchwunden sind nun ſchon lange die 
Querbalken der Landstraße und mit ihnen 
die Kleinstaaterei, die hemmend auf die 
Einigung und die freie Entwicklung uſerren. 
Vaterlandes einwirkte und nur der Ein- 
heitsgedanke: Einig k eit, Freiheit 
und Vaterland, wird auch in Zukunft 
das Fundament, die Grundlage des Wie- 
deraufstiegs Deutschlands sein! 
  
Ein Wort des Reichspräſidenten. Am wichtigſten iſt es, dem deutſchen Dolk wieder die Grundlage wirtſchaft- 
licher und politiſcher Lebensfähigkeit zu verſchaffen. Ohne Wiederherſtellung des deutſchen Ansehens in der 
Welt iſt dieſes Ziel nicht zu erreichen. Anſehen in der Welt wird jedoch nur der erwerben, der ſich ſelbſt und 
ſein Dolk achtet. Dertrauen wird der gewinnen, der ſich ſelbſt vertraut. Es wird noch langer und ſchwerer 
Arbeit bedürfen, ehe unſer ganzes Volk wieder zum Bewußtſein der höchſten Werte der Nation ſo erwacht, daß 
dieſes Bewußtſein ſich auch im täglichen wie im öffentlichen Leben durchſetßen kann. 
Generalfeldmarſchall Hindenburg (hannover, 17. 4. 25). 
  
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