scharen, die er käglich durch die rauchge-
ſchwärzten Straßen zur und aus der Hütte
trotten sah, die sich ihm einprägten, viel-
leicht ſah er in seiner Eigenschaft als Re-
dakkeur in die bierdunstigen Verſammlungs-
lokale – und wurden ihm dieſe Bilder
wohl später das Relief für seine Gedichte,
die der „Venus Socia“ gelten. Denn wenn
auch Dehmel an Oppenheimer ſchreibt, daß
es ihm an dem Blatt des Herrn Stumm ge-
fiele, ſo war er doch ſchon in seiner Neun-
kirchener Zeit im Wes en derselbe, der
ſpäter ſchrieb:
Saarkalender für das Jahr 1927.
seinem Dehmelbuch. Da das Weſen des
Zwanzigjährigen auch noch die Körperlichkeit
und Geistigkeit des späten Mannes aus-
machte, da er im Grunde immer derselbe.
war, konnte Dehmel sich trohß der 550 Thaler
auf die Dauer nicht für Stumm einsetzen.
„Ich ging bald von RN eunktkirch en
fort, da. ich .d em Etigfenktösnig
Stumm zu volksfreundlich war,“ .
ſchrieb mir Dehmel. Man wundert sich nichk.
Aber immerhin: ein paar Monate lang hat
der Zwanzigjahrige in Neunkirchen gelebt.
In Io hn He nnr y Mack a y und Al-
fr ed Döblin und Richard Dehmel
hat die große, ja, wohl die europäiſche
Literatur perſönliche Fühlung mit dem Land
wie ein ungeheurer Heerwurm an der Saar genommen, in diesem Dichter
den Ausweg aus eurer Drangſal suchen..." war einmal die gr o ß e Likeratur, wenn
„Dehmels Wesen ist wichtiger als seine auch nur für kurze Zeit, im Saargebiet seß-
Entwicklung,“ bemerkte Emil Ludwig in aft.
„D laßt euch führen, ihr Tauſende!
Einst sah ich euch in sternklarer Winternacht
zwiſchen den trüben Gaslaternen
Mit der „Emden".
Von Wilh. Linnemann, Schlosser in Saarbrücken.
Der Verfasser iſt der ein zi g e Saarbrücker, der die verwegenen
Kreuzerfahrten der „Emden“ bis zum bitteren Ende mitgemacht hat und nach
tragiſchem Geschick das Glück hatte, die Heimat wieder zu sehen.
Das Geſspenſterſchiff nannten die Inder unseren kleinen ungepanzerten Kreuzer
„Emden“. Ueberall und nirgends war er im Busen von Bengalen; überall, sobald
ein Handelsdampfer fällig war, nirgends wenn die zahlreichen starken feindlichen
Kriegsſchiffe, 16 an Zahl, die Verfolgung aufnahmen und den kühnen Kaperer fangen
wollten. So ging dic wilde Jagd vom Auguſt bis zum 9. November 1914. Verſchwunden
rar die helle freundliche Farbe des Aeußern, dunkle Tönung war an ihre Stelle
getreten; ftatt des Schwanes auf den Wogen rauſchte in schnellem Fluge ein kühner
schwarzer Adler daher, die scharfen Augen spähten in die Ferne, seine Fänge stets griff-
bereit. Vor. den Kauffahrern war unser Schiff gefürchtet wie der „Fliegende Holländer“
als unglückselige Vorbedeutung für die Erreichung des erſchnten Hafens. Die „Emden“ .
mit 360 Mann Beſatzung unter dem energischen und vornehm gesinnten Fregatten-
kapitän r. Müll e r als Kommandanten ſtreifte die Seelinien der feindlichen Dampfer
ab und wurde bald der geheimnisvolle Schrecken unserer Gegner, deren Handel wir
empfindlich zu schärigen wußten. Nicht weniger als 80 000 Tonnen Schiffsraum fielen
der unwillkommenen Begegnung mit dem deutschen Kreuzer zum Opfer.
Bald nach dem Ausbruch des Weltkrieges, den wir durch Funk im Gelben Meer
am 2. Auguſt erfuhren, wurden wir im Stillen Ozean aus unserem Geſschwaderverband
ausgeschieden mit tem Befehl, im Busen von Bengalen den Handelskrieg aufzunehmen.
„Em d en enila fs en, wünschen guten Erfolg,“ war der letzte Gruß des
Geſchwaderchefs. Bei dem friſchen Geist, der die gesamte Mannſchaft beseelte, begrüßten
wir den Auflrag zu kühnem Wagen mit heller Freude. Entschloſſen und voller
Begeiſterung hinter unserem Kommandanten und dem Erſten Offizier, Kapitänleutnant
v. Mück e, getachten wir den ehrenvollen Auftrag kraftvoll und zugleich mit jeder
nur möglichen Liſt durchzuführen.
Wir wußten, daß, den Dampfern empfohlen war, die üblichen Seelinien zu meiden
und den Kurs scitwärts davon zu nehmen. Wir kreuzten deshalb, unser Schiff als
friedlicher Kauffahrer maskiert, und oft genug wurden die Gegner erſt die Gefahr,
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