Saarkalender für das Jahr 1926
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aus dessen Händen es an eine jüdiſche Gesellſchaft überging. Zu dieser Zeit wurde auch
der heutige „Hammergraben“ als Hüttenwerkskanal gebaut, der zwischen Großrosseln
und Geislautern am Saume des Geislauterner Gemeindewaldes (Notweg) verläuft.
Derselbe iſt heute noch das einzige Ueberbleibſel des Geislauterner Hüttenwerkes und
fand eine willkommene Verwendung bei der in den Jahren 1891 bis 1893 erbauten
„Walzenmühle von Abel und Schäfer“ dortſ.lbſt.
Zur Zeit der französiſchen Revolution wurde das Werk eine Domäne der fran-
zösiſchen Republik, ebenso wie die seit 1621 hier betriebene Kohlengrube.
An den Bann von Geislautern stößt das Warndtdorf Ludweiler, das 1604 von loth-
ringiſchen Auswanderern angelegt wurde. Der Führer der Kolonisten, Daniel de Condé,
wurde auch der Begründer unserer heute im Saargebiete so blühenden Glasinduſtrie.
Wire die erſten Ansiedler des Ortes, so ſtammten auch die Wiederaufbauer von Ludweiler
nach dem 30jährigen Kriege aus dem nahen Lothringen, meiſt aus Kurzel bei Met.
Manche Namen jetziger Bewohner von Ludweiler, meist französischer Herkunft, finden
sich jetzt auch noch in Kurzel, wie beispielsweiſe: Laval, Duval, Guillaume, Bachelier,
Mollet, Henri, Duchéne uſw. Eng verknüpft mit letztgenannter Gegend ist die
Geschichte d er Lud weiler Kirmes. Wenige Volksfeſte der in Frage
kummenden Art beruhen auf historiſcher Baſis; teils werden sie noch heute in Verbindung
mit dem Kirchenpatronatsfesſte (bei den Katholiken) gefeiert, teils unabhängig von dem-
sclben, wie das bei den Protestanten ganz natürlich iſt. In der weiten Umgebung dürfte
die Ludweiler Kirmes meines Wiſſens das einzige Volksfest dieser Art sein, das auf
ganz interessanter hiſtoriſcher Basis beruht.
In früheren Zeiten hatten die verhältnismäßig wenigen Protestanten, die vom
Warndt aus an der lothringischen Grenze bis nach Metz wohnten, meistens keinen eigenen
Pfarrer. Zudem waren die Anhänger der Reformation im französischen Lothringen und
in Frankreich ſelbſt lange Zeit (bis 1789) schweren Drangsalen ausgesetzt. Im Jahre 1685
ließ sich König Ludwig RIV. durch den Eifer für seine Religion reizen, mit Gewalt
gegen seine reformierten Untertanen vorzugehen. Nachdem er ihnen schon zu Anfang
sciner Regierung die Kappe durch vielfältige Kränkung und Einengung ihrer Freiheit/
zugeschnitten, widerrief er nunmehr öffentlich das Edikt von Nantes, ließ viele mit
Waffengewalt und den denkbarſten Martern zur Verleugnung ihres Glaubens zwingen.
Drejenigen, die sich nicht dazu bequemen wollten, wurden vielfach in die Gefängnisse
und auf die Galeeren geschickt. Man hat ausgerechnet, daß durch dieses Vorgehen
Frankreich an 300 000 Menſchen verlor, die teils unter Mitnahme wertvoller Habe un-
bemerkt bei Nacht und Nebel, teils so in benachbarte Länder auswanderten, wo sie
nach der Entvölkerung infolge des unseligen 30jährigen Krieges durchweg wohlwollende
Aufnahme fanden. Da man zeitweise die „Ketzerei“ ganz auszurolten ſuchte, konnten
die Protestanten in Frankreich kaum mehr ruhig und friedlich ihrer Glaubensübung
nachgehen. Viele zogen es vor, auszuwandern und ſich einen neuen Wohnsitz zu suchen
Da dieser Umstand zu einer Entvölkerung des Landes zu werden drohte, wurden die
Grenzen vielfach gesperrt und bewacht; dennoch gelang es vielen, unbemerkt die Heimat
zu verlaſſen. Wohlwollende Aufnahme fanden sie im Lande des Großen Kurfürsten,
auch die Saarbrücker Grafen zögerten durchaus nicht, solchen Einwanderern französischer
Nationalität, zumal man bislang gute Erfahrungen mit ihnen gemacht hatte, Aufnahme
in ihrem Lande zu gewähren. Bielfach waren es tüchtige Handwerker und Landwirte,
die sich in der Grafschaft niederließen. In dem während des s0jährigen Krieges ver-
laſſenen Orte siedelten ſich 1685 zum zweiten Male französiſch-lothringiſche Auswanderer
an, die anfangs des 18. Jahrhunderts wieder eine Pfarrkirche und einen Pfarrer hatten,
der der franzöſiſchen Sprache kundig war.
Religiöses Bedürfnis führte von Zeit zu Zei: viele Untertanen des französiſchen
Königs, die trotz aller gegen sie geführten Religionskämpfe ihrem Glauben treu blieben,
in benachbarte deutsche Kirchen ihres Kultus, um in denselben vorzugsweise das Abend-
mahl zu nehmen, die Kinder taufen und konfirmieren und Ehen einsegnen zu lassen.
So kamen benachbarte Reformierte französischer Nationalität sogar aus Kurzel bei Metz
und Umgebung zu eben genanntem Zwecke nach Ludweiler. Für viele lag der Grund
einer solch weiten Reiſe wohl darin, daß zwischen ihnen und den Bewohnern von Lud-
weiler ein verwandtschaftliches oder freundſchaftliches Verhältnis bestand; denn noch
heute finden sich in Kurzel manche Bewohner, die gleichen Namens mit in Ludweiler
ansässigen Bürgern sind. Regelmäßig aber empfingen diese reformierten Franken fran-
zösiſcher Zunge am ersten Sonntage des September und diejenigen deutſcher Zunge am
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